Dr. Norden Staffel 8 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Wart’s ab, bis wir erst drinnen sind.« Er legte den Arm um ihre Schultern und führte sie ins Hotel.
Roman hatte nicht zu viel versprochen. Jenny war begeistert vom gelungenen Stilmix des Hauses. Wie selbstverständlich fügten sich alpenländische Handwerkskunst und moderne Elemente zu einer harmonischen Einheit zusammen.
»Alle Achtung. Da hat dein Freund Herbert ganze Arbeit geleistet.«
»Schön, wenn du dich wohlfühlst.« Das Paar stand an der Rezeption, um die Anmeldeformalitäten zu erledigen.
»Ich glaube, es gefällt mir noch besser, wenn ich satt und zufrieden bin«, spielte Jenny auf ihren leeren Mangen an, der seit dem Croissant am Morgen nichts mehr bekommen hatte.
»Sie können sich gleich unseren Nachmittagssnack schmecken lassen«, bot die Rezeptionistin freundlich an. »Exklusiv für unsere Gäste bieten wir täglich ab 14 Uhr ein kleines Buffet aus kalten und warmen Speisen, an denen sie sich bedienen können.«
Das ließ sich Jenny nicht zwei Mal sagen. Nur ein paar Minuten später saß sie mit Roman am Tisch und ließ sich eine wärmende Kürbissuppe mit knusprigen Croutons schmecken. Dabei wanderten ihre Gedanken zurück zum letzten Urlaub, den sie gemacht hatten.
»Weißt du noch, wie ich dir damals nach Afrika gefolgt bin?« Das Bild stand ihr noch deutlich vor Augen: Roman, wie er allein auf dem Barhocker saß und reglos aufs Meer hinaus starrte.«
Er folgte ihr willig und beschwor die Vergangenheit herauf.
»Damals dachte ich, dass ich dich für immer verloren hätte.«
»Ich weiß. Du wolltest mehr Verbindlichkeit, Sicherheit. Mehr Zuneigung und Wärme von mir«, erinnerte sie sich und schickte ihm einen zweifelnden Blick. War es ihr gelungen, ihm all das zu geben?
»Im Gegenzug hast du mir gesagt, dass du nie die anschmiegsame Frau sein wirst, die sich jeder Mann wünscht.«
Jenny legte den Kopf schief und sah ihn prüfend an.
»Und? Wie kommst du inzwischen damit klar?«
»Solange du dir unter Androhung von Gewalt immer mal wieder Zeit nimmst für mich, ist alles in Ordnung.« Roman lächelte das Schulbubenlächeln, das Jenny so an ihm liebte. In diesem Moment klingelte ihr Mobiltelefon. »Du musst nicht jedes Mal dein Handy im Pool versenken«, erinnerte er sich an den gezielten Wurf von damals. »Es genügt, wenn du es ausschaltest.«
Diesen Gefallen tat sie ihm, ohne auf das Display zu sehen. Dann beugte sie sich vor und sah ihm tief in die Augen.
»Seit wann so bescheiden, Herr Kürschner?«, fragte sie ihn herausfordernd.
»Ich? Bescheiden?« Er lachte dicht an ihren Lippen. »Wärst du dann die Frau an meiner Seite?« Ungeachtet der anderen Gäste im Raum und obwohl er wusste, dass Jenny körperliche Liebesbekundungen in der Öffentlichkeit nicht gerade schätzte, ließ er seinen Worten einen leidenschaftlichen Kuss folgen. Und sie war klug genug, um sich nicht dagegen zu wehren.
*
An diesem Spätnachmittag konnte Fee Norden ihr Glück kaum fassen.
»Heute früh hätte ich nie gedacht, dass es mir gelingt, euch alle zusammenzutrommeln.« Ihr Blick wanderte durch’s Wohnzimmer, wo es sich ihre Kinder samt Freunden und Freundinnen auf Sofas, Sesseln und auf dem Boden bequem gemacht hatten. Zwei Kannen Tee und die Plätzchenreste von Weihnachten standen auf dem Couchtisch. »Jetzt fehlt nur noch Dan.« Sie sah auf die Uhr. »Ich hab vor einer Stunde mit ihm telefoniert, und er hat versprochen, gleich da zu sein. Hoffentlich hat er es nicht wieder vergessen.« Dankend nahm sie die Tasse, die Dési ihr reichte, und machte es sich auf dem Sofa bequem.
Ein Feuer prasselte im Kamin, und der winterliche Duft nach Zimt und Nelken stieg aus der Teetasse.
»Dein Problem ist, dass du uns notorisch unterschätzt«, sagte Janni seiner Mutter auf den Kopf zu.
»Wenn mein kleiner Bruder Felix sich schon mal die Ehre gibt, müssen wir doch da sein«, stimmte Danny ihm ausnahmsweise einmal zu..
Tatjana lachte.
»Kleiner Bruder ist gut.« Sie saß auf dem Fußboden und wuschelte Felix, der es sich neben ihr bequem gemacht hatte, durchs Haar. Die beiden verband eine besondere Freundschaft, und sie vermisste ihn sehr, seit er die Pilotenausbildung begonnen hatte. »Er ist mindestens einen halben Kopf größer als du.«
»Na und? Die großen Ochsen ziehen nicht die größten Furchen«, schmetterte eine laute Stimme durch’s Zimmer, gefolgt von einem Wiehern und Schnauben, das an ein Pferd erinnerte.
Schlagartig konzentrierte sich das Interesse auf April, die sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte.
»Das hast du ja mal wieder ausgesprochen nett gesagt!«, bedankte sich Felix für diese Spitze in seine Richtung. »Hast du eigentlich für jede Lebenssituation einen dummen Spruch parat?«
»Wieso dumm?«, fiel Danny ihm ins Wort. »Ich finde diesen Kommentar ausgesprochen passend.« Er stand vom Boden auf, um sie zu begrüßen und sich vorzustellen. »Ich bin Danny, ältester Bruder und Dompteur der Geschwister-Meute.« Ehe er Gelegenheit hatte, ihr die Hand hinzustrecken, boxte April ihn burschikos in den Oberarm.
»Dann bist du also der Oberlangweiler?«, erkundigte sie sich Kaugummi kauend und versenkte die Hände in die Taschen der Jeans, die an ihr schlotterten wie ein Sack. Genauso wie der Pullover, beides Leihgaben aus Fees Schrank.
»Aua!« Verwirrt rieb Danny sich den Oberarm. »Das ist ja eine nette Begrüßung.«
Schlagartig verschwand die Freude aus Aprils Gesicht und machte einem Ausdruck echter Bestürzung Platz.
»Oh, tut mir leid. Hab ich dir weh getan?«
»Alles gut.« Tatjana war auf die Beine gesprungen. Ausgestattet mit einer fast übernatürlichen Sensibilität erspürte sie Aprils Hilflosigkeit. Die vielen fremden Menschen verunsicherten sie, was sie mit besonderer Coolness überspielen wollte. Dabei trat sie in jeden Fettnapf, den sie finden konnte. All das erfasste Tatjana in Sekundenbruchteilen und trat auf April zu. »Danny ist nicht aus Zucker. Das überlebt er schon.« Ungeniert schloss sie das Mädchen in die Arme und hieß sie in der Familie willkommen.
April wusste nicht, wie ihr geschah. So viel Freundlichkeit war sie nicht gewohnt.
»Du bist bestimmt die modeverrückte Schwester von Felix«, versuchte sie es mit einem Lob, um sich für die Herzlichkeit zu revanchieren. »Dein Pulli schaut genauso aus wie die Gardine, in die ich mich gestern eingewickelt hab. Stimmt’s?«, wandte sie sich an Felix.
Einen Moment lang herrschte fassungslose Stille. Dann brach Tatjana in prustendes Gelächter aus.
Felix dagegen hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Er hatte geahnt, dass ein Aufeinandertreffen von April und seiner Familie schwierig werden könnte, aber trotzdem das Beste gehofft. Vergeblich, wie er jetzt feststellen musste.
»Tatjana ist nicht meine Schwester. Und ihr Pullover ist ein Geschenk von ihrem Freund Danny«, erklärte er kraftlos. »Ein Designer-Stück. Dafür bekommst