Jüdisches Leben in Wort und Bild. Леопольд фон Захер-Мазох

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Jüdisches Leben in Wort und Bild - Леопольд фон Захер-Мазох

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sein Glück. Wenn es in dieser einfachen, braven Existenz einen Schatten gab, so kam dieser ausschliesslich auf Rechnung der Frau Rachel Kalimann oder Rosa Húniády, wie sie sich jetzt gern nannte. Nicht dass diese stattliche, hübsche Frau, welche durch ihren Körperumfang für das Geschäft ihres Mannes Reklame zu machen schien, irgend welche bösen Eigenschaften an sich gehabt hätte, aber sie hatte absolut kein Verständniss für die geistigen Interessen ihres Gatten, für das was sie seine Grillen nannte.

      Vergebens versuchte Kalimann ihr durch Stellen aus der Schrift oder dem Talmud zu imponiren, vergebens zitirte er das Buch Hiob, um den Werth der Weisheit zu erläutern: »Nicht wird geläutertes Gold für sie gegeben, und nicht wird Silber gewogen als ihr Kaufpreis. Nicht wird sie aufgewogen gegen Ophir's Schätze, gegen kostbaren Onyx und Saphir. Der Weisheit Schmelz ist mehr als der von Perlen.«

      Frau Rosa erwiderte kurz und bündig: »Was kauf' ich mir für Deine Weisheit? kann ich mich von ihr nähren? kann ich sie anziehen? Nein. Folglich ist sie werthlos.«

      Der gelehrte Buchbinder seufzte und schwieg, aber manchmal reizte ihn diese Verachtung seiner heiligsten Gefühle doch, und dann gab es einen Wortwechsel und Streit. Das Ende war aber immer eine Kapitulation Kalimann's, denn er liebte seine Frau gar zu sehr, um ihren Zorn lange ertragen zu können. Er suchte in der Regel Rosa zu täuschen, seine Freuden vor ihr zu verbergen.

      Einmal entdeckte sie ihn Abends im Gänsestall, wohin er sich mit Shakespeares Hamlet und einer kleinen Laterne geflüchtet hatte, und nachdem sie ihm eine Strafpredigt gehalten hatte, zwang sie ihn sofort zu Bett zu gehen.

      Kalimann gehorchte, aber nahm den Hamlet mit ins Bett. Doch kaum hatte er ein paar Verse gelesen, so erhob sich Rosa in ihrer ganzen Majestät und blies ihm das Licht aus.

      Kalimann war verzweifelt, aber er wagte keinen Widerstand. In stummer Ergebung legte er sein Haupt auf den Kopfpolster und schnarchte bald mit Hirsch um die Wette. Nach einiger Zeit richtete er sich jedoch vorsichtig auf, und nachdem er sich überzeugt hatte, dass seine Frau schlief, nahm er leise sein Buch und seine Brille, schlich hinaus und las draussen auf der morschen Bank vor dem Hause, beim Licht des Mondes die Tragödie des Dänenprinzen zu Ende.

      Ja, er liebte die Bücher zärtlich, leidenschaftlich, und da er nicht genug Geld hatte um sie zu kaufen, so las er jedes Buch, das ihm anvertraut wurde, ehe er dasselbe einband. Und da nicht er die Bücher wählte, die sich bei ihm in der Werkstatt ein Stelldichein gaben, da der Zufall ihm heute einen Roman, morgen ein medizinisches, übermorgen gar ein theologisches Werk in die Hand spielte, so las er alles durcheinander und es entstand in seinem armen Kopf ein unglaublicher Wirrwarr der mannigfachsten Kenntnisse und Anschauungen. Je besser ihm ein Buch gefiel, desto sicherer konnte der Eigenthümer sein, es erst nach langer Zeit und nach wiederholten Mahnungen zurück zu erhalten.

      In Bezug auf den Einband hatte Kalimann seine Nuancen. Natürlich gab der Preis, den man ihm festsetzte, den Ausschlag in Bezug auf das Material, aber Farbe und Verzierung wählte er, unbeirrt durch die Wünsche und Forderungen seiner Kunden, stets nach dem Inhalt und Wesen und dem Werth des Buches.

      Wenn er die gebundenen Bücher ablieferte, brachte er dieselben stets in einem grossen farbigen Taschentuche eingeschlagen und benutzte die Gelegenheit um sein Urtheil abzugeben.

      Manchmal hatte er jedoch Meinungen, die ihm gefährlich schienen, die er nicht auszusprechen wagte, und dann sagte er regelmässig: So lange man lebt, darf man nicht reden, und wenn man todt ist, kann man nicht reden.

      Da war z. B. Frau Zoë Barkany, eine hübsche, reiche Jüdin, welche eigentlich Sarah Lämmel hiess. Von ihr erhielt er Werke der klassischen Litteratur und Romane zum Einbinden. Er nahm für den Deckel blau, grün oder roth und als Zierrath eine goldene Lyra oder ein von einem Pfeil durchbohrtes Herz.

      Hier schwelgte er in Aesthetik und wagte manchmal Bemerkungen, welche an ritterliche Galanterie streiften, denn alle Heldinnen der Stücke und Romane, die er verschlang, nahmen für ihn die Gestalt und die Züge der hübschen Frau Barkany an.

      Als er sie einmal im Garten traf, im weissen Kleide, die Guitarre im Arm, rief er aus: »Gott soll mich strafen! Die Prinzessin Eboli aus Don Carlos von Schiller!« Ein anderes Mal, wo sie eine Morgenjacke aus türkischem Stoff trug, verglich er sie mit der Rebekka aus Walter Scott's Ivanhoe.

      Später wusste Frau Barkany schon, was der Buchbinder auf dem Herzen hatte, und rief jedesmal lachend: »Nicht wahr? die Esmeralda bin ich, oder bei der Herzogin haben Sie natürlich wieder an mich gedacht.«

      Dem Notar band er juristische Werke ein, da entwickelte er jedes Mal seine eigenthümliche Rechtsphilosophie, beim Doktor stürzte er sich mit Eifer in eine medizinische, bei dem in Ruhestand versetzten Professor Harburg in eine historische oder geographische Diskussion. Und immer fand er einen originellen, nicht selten spasshaften Gesichtspunkt. So behauptete er steif und fest, schon Moses habe die Trichinen entdeckt und deshalb den Genuss des Schweinefleisches verboten.

      Simcha Kalimann übte aber auch eine Art moralisches Richteramt aus. Frau Barkany gab ihm eines Tages Zola's »Nana« in der Budapester deutschen Ausgabe mit Illustrationen. In der Dämmerungsstunde ertappte er Hirsch, der sich im Winkel beim Fenster an den Bildern ergötzte. Er ergriff ihn beim Schopf, schüttelte ihn wie einen jungen Hund und begann dann in dem Buch zu blättern. Er schüttelte den Kopf, dann wischte er seine Brille ab, als traue er seinen Augen nicht und endlich klappte er das Buch zu.

      Frau Barkany wartete lange Zeit geduldig auf ihre »Nana«, dann sendete sie ihre Köchin Gütel und bat um dasselbe, da aber Kalimann Ausflüchte gebrauchte und wieder ein paar Wochen vergingen, ohne dass Zola's Roman abgeliefert wurde, so erschien eines Tages die schöne Frau selbst in Kalimann's Hause.

      »Ich möchte doch endlich meine »Nana« haben«, sagte sie.

      »So?« Kalimann fuhr fort zu arbeiten.

      »Haben Sie das Buch noch nicht gebunden?«

      »Nein.«

      »Wann kann ich es also haben?«

      »Das Buch bekommen Sie nicht zurück, Frau Barkany.«

      »Wie? Sie sind wohl nicht gescheidt!«

      »Es ist besorgt und aufgehoben,

       Der Herr wird seine Diener loben«,

      antwortete Kalimann mit den Versen aus Schiller's Gang nach dem Eisenhammer, »die »Nana« habe ich einfach in den Ofen gesteckt.«

      »Kalimann, das ist wirklich stark!«

      »Das ist kein Buch für eine jüdische Frau.«

      Frau Barkany war roth geworden, aber sie gab sich noch nicht für besiegt. »Wenn Sie mir das Buch verbrannt haben«, sagte sie, »werden Sie mir Schadenersatz dafür leisten.«

      »Sehr gerne«, sagte der Buchbinder, nahm ein Bild von der Wand und gab es ihr. Es war die Scene aus Schiller's Glocke, wo die Mutter von ihren Kindern umgeben im Erker ihres Hauses thront. Unter dem Bilde waren die Verse zu lesen:

      Im Hause waltet

       Die züchtige Hausfrau,

       Die Mutter der Kinder,

       Und herrschet weise

      

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