Jüdisches Leben in Wort und Bild. Леопольд фон Захер-Мазох
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»So ein Mann muss reiten auf einem Esel«, rief er aus, »während so gewöhnliche Menschen, wie der Baron Fay oder der Herr von Mariassy reiten stolz auf Pferden.«
Später erinnerte er sich aber, dass Bileam eine Eselin geritten hatte und kam schliesslich zu dem Resultat, dass Schiller auch ein Prophet war.
Vielleicht steckte auch in Kalimann ein Poet, ein Prophet.
Er trieb nämlich neben der Buchbinderei noch ein anderes Handwerk, das unter den Juden im Osten nicht allzu selten ist und auch seinen goldenen Boden hat.
Kalimann war nämlich Liebessekretär.
Das will sagen, er machte ein Geschäft daraus, Leuten, die weder lesen noch schreiben konnten, Liebesbriefe zu verfassen. Hier zeigte er sich als der Anakreon und Petrarca von Hort. Zahlreiche Kunden strömten ihm zu und Kalimann sicherte sich durch seine zärtliche, gefühlvolle Feder ein ganz hübsches Nebeneinkommen.
Eines Tages erschien auch Gütel Wolfram, die Köchin der Frau Barkany, bei ihm und bestellte einen Liebesbrief an ihren Freund in Gyöngös.
»Also, mein Schatz, Sie hat auch Amor's Pfeil getroffen«, sagte Kalimann schäkernd.
»Gott über die Welt!« rief Gütel, »er heisst doch nicht Amor, sondern Mendel Sucher und mit Pfeilen schiesst er auch nicht.«
Nachdem die verliebte Köchin dem Buchbinder ihre Gefühle geoffenbart hatte, verlangte sie den Preis zu wissen.
»Das hängt nicht von der Länge des Briefes ab«, erwiderte Kalimann, »sondern ganz von der Qualität.«
1. Ein freundlicher Brief | 10 | Kreuzer |
2. Ein Brief, der liebenswürdig und ermunternd | 15 | " |
3. Ein zärtlicher Brief | 20 | " |
4. Rührend | 30 | " |
5. Ein recht zum Herzen sprechender | ½ | Gulden. |
»Also für diesmal einen freundlichen«, sprach Gütel und legte 10 Kreuzer auf den Tisch.
»Für Sie«, sagte Kalimann galant, »soll er für denselben Preis freundlich, liebenswürdig und ermunternd sein.«
Mendel Sucher bekam den nächsten Tag den Brief, und da er auch nicht lesen konnte, so ging er zu Saul Wehl, der Schreiber bei einem Advokaten in Gyöngös war und dasselbe erotische Metier betrieb.
Wehl las ihm den Brief Kalimann's mit solchem Pathos vor, dass Mendel ganz ergriffen war und sofort einen Zwanziger auf den Tisch legte, damit Saul ihm einen ebenso schönen an Gütel schreiben möge.
Saul erkannte sofort Kalimann's Schrift und dachte: »Ich will dem Buchbinder einmal beweisen, dass man auch in Gyöngös Briefe schreiben kann und die Klassiker liest«. Und er schrieb an Gütel einen Brief, der vollständig gespickt war mit Zitaten aus dem hohen Lied, aus Goethe, Petöfii, Heine und Chateaubriand, dass der armen, kleinen Köchin der Kopf davon ganz wirblig wurde, als Kalimann ihr die Liebesepistel vorlas und dass der Buchbinder selbst sich hinter dem Ohr kratzte und murmelte: Er ist belesen, der Saul, und hat eine kräftige Feder; wer hätte das gedacht!
In dieser Weise ging der Briefwechsel zwischen Gütel und Mendel, oder eigentlich zwischen Kalimann und Saul fort.
Wenn Kalimann den Mendel »mein holder Freund« oder »mein Täubchen« nannte, so prunkte wieder Saul mit Wendungen, wie: »Ihre Gazellenaugen, Ihre Elfengestalt, Ihre Rosenlippen, Ihre Stimme, die wie Sphärenmusik erklingt.«
Dem liebenswürdigen Brief hatte Kalimann mehrere zärtliche und zwei rührende folgen lassen. Endlich kam der recht zu Herzen sprechende. Gütel hatte sich entschlossen, den halben Gulden zu opfern und brachte Kalimann überdies noch eine gute Flasche Wein. Der Buchbinder schenkte ein, trank, schnalzte mit der Zunge und begann zu schreiben.
Plötzlich aber rief er aus: »Wissen Sie, Gütel, das war eine gute Idee mit dem Wein, aber Hafis singt nicht vom Wein allein, auch frische Mädchenlippen haben ihn begeistert.«
Diesmal verstand Gütel sofort: »Da ich schon einen halben Gulden spendirt habe«, sagte sie verschämt, indem sie sich den Mund mit der Schürze abwischte, »und die Flasche Wein, kommt es mir auf einen Kuss auch nicht mehr an«, und sie gab dem glücklichen Buchbinder einen kräftigen Schmatz. Nun flog die Feder über das Papier, und als Kalimann Gütel den Brief vorlas, vergoss sie Thränen.
Mendel war vollständig geknickt, als Saul ihm den zum Herzen sprechenden Brief noch überdies mit tremulirender Stimme vordeklamirte. Er stürzte hinaus, lief geradenwegs zu Herrn Schönberg, in dessen Fabrik er beschäftigt war und bat um seinen Abschied.
»Was haben Sie denn?« fragte der Fabrikant, »weshalb wollen Sie denn fort? soll ich Ihnen den Gehalt aufbessern?«
»Nein, nein, Herr Schönberg, aber ich halte es nicht mehr in Gyöngös aus, ich muss nach Hort.«
»Nach Hort? Weshalb?«
Stumm reichte ihm Mendel den Brief.
Der Fabrikant las und lächelte. »Ein Teufelskerl, der Kalimann!« murmelte er, »an dem ist ein Romancier verdorben. Aber das wollen wir anders machen, Mendel. Sie bleiben bei mir und heirathen die Gütel. Ich gebe Ihnen eine kleine Wohnung im Fabriksgebäude, und Frau Barkany soll das Mädchen ausstatten.«
Mendel strahlte, am Liebsten hätte er den guten Schönberg umarmt. Dieser gab ihm gern Urlaub für einen Tag und der Glückliche eilte nach Hort in die Arme Gütel's. Wirklich entschloss sich Frau Barkany, ihre Köchin, die vom dreizehnten Jahre treu bei ihr gedient hatte, auszustatten, und zur fröhlichen Zeit der Weinlese wurde in Hort die Hochzeit gefeiert.
Oben an der Tafel, auf dem Ehrenplatz neben dem Rabbiner sass der Buchbinder von Hort. War doch alles sein Werk und es war nicht das erste Paar, das er vereint und das der Rabbiner gesegnet hatte.
Als die Reihe an ihn kam, einen Toast auf das Brautpaar auszubringen, erhob er sich, das Glas mit dem perlenden Wein in der Hand und sprach die Verse Schiller's:
Ehret die Frauen, sie flechten und weben,
Himmlische Rosen in's irdische Leben.
Rabbi Abdon.
– RUSSLAND. –