Jüdisches Leben in Wort und Bild. Леопольд фон Захер-Мазох
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Nahum erschrack und warf sich zu ihren Füssen nieder.
»Du bist ein Jude!« rief Zamira und da er keine Antwort gab, fuhr sie fort, »warum hast Du mir das verschwiegen? Auch ich bin eine Jüdin. Ich muss jedoch hier, wo nur Muhamedaner und Armenier wohnen, meinen Glauben verbergen. Vergieb mir, was ich Dir gethan. Ich will es gut machen, indem ich Dir die Freiheit schenke, und Dich mit dem nächsten Schiff zu den Deinen zurücksende.«
»Nein Herrin«, erwiderte Nahum, »das wäre eine Strafe, grausamer als die Peitsche. Lass mich bleiben, ich verlange nichts weiter, als immer Dein Sklave zu sein. Setz' Deinen Fuss auf meinen Nacken und erlaube mir ihn nur jedesmal zu küssen, wenn er mich getreten hat.«
Zamira sah ihn überrascht an. »Du hassest mich nicht?« fragte sie verwirrt.
»Wer könnte Dich hassen?«
»Gut, Du bleibst bei mir«, entschied sie mit einer stolzen Kopfbewegung, »aber nicht als mein Diener, das ginge nicht an.«
»Wie Du willst«, rief er, »schick mich nur nicht fort.«
Die schöne Wittwe begann leise zu lachen.
»Weisst Du, warum ich Dich geschlagen habe?« fragte sie schalkhaft. »Weil ich gegen mich aufgebracht war. Ich schämte mich meinen Sklaven zu lieben und einen Mann, der nicht meines Glaubens ist, dem ich niemals meine Hand reichen könnte.«
»Zamira! Ist es möglich!« stammelte Nahum.
Statt zu antworten legte sie ihm die Arme um den Hals, neigte sich zu ihm und küsste ihn.
Der Buchbinder von Hort.
– UNGARN. –
Das jüdische Handwerk. – Liebe zum Vaterland. – Wissensdrang. – Der Liebessekretär.
Wenn man von der Höhe hinter Esced in die ungarische Ebene hinausblickt, die sich hier vom Fusse der Matra bis Szolnok und weiter bis zur Theiss ergiesst, erblickt man mitten unter Weinbergen und Weizenfeldern eine grosse grüne Insel. Es ist weder ein Wald, noch ein Park, noch ein grosser Obstgarten, der uns so freundlich anlacht, sondern das stattliche Dorf Hort, dessen weisse Häuser sich hinter dem üppigen Blattwerk verbergen.
In diesem Dorfe lebte ein jüdischer Buchbinder, Namens Simcha Kalimann, welcher sich durch verschiedene Eigenheiten bemerkbar machte. Er war zugleich ein Orakel und eine lebende Chronik der Gegend, des ganzen Komitates.
In seinen Schicksalen spiegelten sich jene seines Volkes in Ungarn. Er stammte noch aus der Zeit, wo der Jude rechtlos war, er hatte damals manches ertragen müssen, manches erduldet und bewahrte mehr als eine tragikomische Geschichte aus jenen Tagen in dem Schatzkästlein seiner Erinnerungen auf. Dann war die grosse Bewegung der Geister gekommen, deren Grenzstein das berühmte Buch: »Licht« des Grafen Szechenyi bildet, den man den »grössten Ungar« nannte.
Die Revolution von 1848 brachte die neue ungarische Konstitution, das Ende des Feudalstaates. Das Licht drang auch in die finsteren Gassen des Ghetto, und durch die Fenster, die sich sonst nur beim Gewitter geöffnet hatten, den Messias zu empfangen, zog der Erlöser ein, der den fast zweitausend Jahre Verfolgten Freiheit und Gleichheit brachte. Und das arme furchtsame jüdische Herz verstand sofort die grosse Botschaft.
Der ungarische Jude hatte ein Vaterland gefunden, und an demselben Tage fand dieser ängstliche, bespöttelte Mensch auch den Muth, dieses Vaterland zu vertheidigen.
Tausende verliessen das Ghetto und schaarten sich um die ungarische Trikolore, unter ihnen auch Simcha Kalimann. Als einfacher Honved folgte er der Trommel Koszuth's und focht bei Kapolna, bei Waitzen und bei Temesvar.
Dem Aufschwung, der Begeisterung folgte die Niederlage, folgten schwere Jahre des Stillstandes, des Druckes, aber der Jude hatte seine Menschenrechte errungen, und er vergass nicht, wem er sie verdankte.
Als der Ausgleich Ungarn seinen König und seine Konstitution wiedergab, da gab es nirgends so viele jubelnde, glückliche Herzen, als im Ghetto. Diesmal zog die Freiheit nicht mit Schwerterklang ein, mit ihr kam der Friede, die Versöhnung.
Damals begannen die Juden die ungarische Sprache und ungarische Namen anzunehmen. Da diesmal mit den letzteren nicht jener schlimme Handel getrieben wurde, wie zur Zeit Joseph's II., wo sich die Beamten die Familien-Namen, welche die Juden annehmen mussten, je nach ihrer Schönheit theuer und theurer bezahlen liessen, da diesmal ein schöner Name nicht mehr kostete als ein hässlicher, so nahm Kalimann den schönsten, den er nach seinen Begriffen in der Geschichte fand und nannte sich Húniády Sándor.
Damals war es auch, wo er die Flinte und die Patronentasche ausgrub, die er nach der Kapitulation von Vilagós in seinem Garten verscharrt hatte, und seine Trophäen aus der Honvédzeit stolz über seinem Bette aufhing.
Wo Freiheit ist, herrscht auch der religiöse Friede. Die gegenseitige Achtung und Toleranz aber erzeugt wieder die Aufklärung und zerstört die Vorurtheile.
Húniády oder Kalimann galt in Hort als Freigeist, und doch war er fromm und beobachtete streng alle religiösen Vorschriften, aber er hatte sich von verschiedenen Gebräuchen losgemacht, die ihm weder in der Lehre begründet, noch mit dem Fortschritt vereinbar erschienen.
Er bedeckte sein Haupt nur im Tempel, er kümmerte sich wenig um die minutiösen Speisegesetze des Talmud, er zog sich an, wie alle anderen, er gestattete seiner Frau, das Haar wachsen zu lassen und verbot in seinem Hause strenge jede Art von Aberglauben.
Seine Erscheinung war durchaus nicht die eines Helden. Er war klein, hager, unansehnlich, hatte ein fahles Gesicht voll Sommersprossen, blondes Haar, einen blonden Schnurrbart und zwinkerte stets mit den kleinen grauen Augen. Kalimann war nämlich furchtbar kurzsichtig, und da er seine grosse Brille nur dann aus dem rothen Futteral hervorzog, wenn er an die Arbeit oder an das Lesen ging, so geschah es ihm zuweilen, dass er auf der Landstrasse einen Meilenzeiger für den Obergespan ansah und ehrfurchtsvoll grüsste, oder ohne von ihr Notiz zu nehmen an Frau Barkany, seiner besten Kundin, vorüberging, weil er sie in ihrem weissen Kleid für Wäsche ansah, die zum Trocknen vor dem Hause aufgehängt war.
Kalimann arbeitete allein, mit einem kleinen Lehrbuben, Hirsch, den er mehr aus Mitleid zu sich genommen hatte, denn er hielt sich für fähig, allein, ohne jede Hilfe, die gesammte europäische Litteratur einzubinden. Er arbeitete fleissig und gut, er verbrachte meist den ganzen Tag in der Werkstätte und, wenn es nöthig war, arbeitete er bis in die Nacht hinein bei einem elenden Talglicht und später bei einer kleinen Petroleumlampe.