Jüdisches Leben in Wort und Bild. Леопольд фон Захер-Мазох
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Читать онлайн книгу Jüdisches Leben in Wort und Bild - Леопольд фон Захер-Мазох страница 6
»Du hast einen guten Fang gemacht«, sagte der Armenier, »die Mädchen sind jung und schön, sie werden jedem Harem zur Zierde gereichen, was willst Du aber mit diesem hier beginnen?« Er deutete auf Nahum.
»Wir werden ihn in Kleinasien verkaufen«, erwiderte Varsava, »weisse Sklaven sind heute eine Seltenheit, es findet sich leicht ein Liebhaber für solche Waare.«
Die Neger hoben jetzt den armen Nahum wie einen Sack auf, trugen ihn hinaus und warfen ihn in einen dunklen Winkel, in dem Taue und Tonnen lagen.
»Sagt mir doch, wo bin ich«, bat Nahum die Matrosen, »wer ist der Mann, dem das Schiff gehört?«
»Der Herr heisst Sahag und ist ein armenischer Sklavenhändler.«
»Und Varsava?«
»Das ist seine Frau. Sie ist schlau wie eine Schlange und geschickt im Vogelfang wie keine zweite. Du bist nicht der erste, den sie liefert. Sie versteht sich auf Menschenwaare und auf den Sklavenhandel.«
Nahum fragte nicht weiter. Er sank zurück auf die Schiffstaue und presste seine heisse Stirn gegen die feuchte Holzwand.
Sahag landete in einem kleinen Hafen an der Küste von Kleinasien. Die vier Opfer wurden jetzt geknebelt, in Säcke gesteckt und mit anderen Waaren auf einen Wagen geladen. In dem von hohen Mauern umgebenen kleinen Hofe des Hauses, das dem Armenier gehörte, befreite man sie von ihren Fesseln.
»Meine Lieben«, sprach Varsava zu den Mädchen, die furchtsam vor ihr standen, »Euch steht ein grosses Glück bevor, bald wird Euch Glück und Reichthum umgeben, aber vorher müsst Ihr erst eine Schule bei mir durchmachen, ich werde Euch die Kunst lehren Eurem künftigen Herrn stets zu gefallen und ihn zu fesseln. Und Du«, – wendete sie sich an Nahum – »Du musst erst Gehorsam und Demuth lernen. Ich gebe Dir deshalb einen guten Rath. Ergieb Dich ruhig in Dein Schicksal. Du wirst an Sahag einen trefflichen Lehrmeister haben, wenn Du Dich aber wiederspenstig zeigen solltest …«
»Dann gibt es Mittel«, sagte der Armenier ruhig, »die noch jeden zahm gemacht haben.« Er nahm die grosse Sklavenpeitsche vom Nagel und liess sie knallen, während die schöne Verrätherin in ein lautes brutales Gelächter ausbrach.
Nahum senkte stumm das Haupt und ergab sich. Sahag liess ihn verschiedene Arbeiten im Hause und Garten verrichten. Er zeigte sich willig und gelehrig, so dass der Armenier mit ihm ausnehmend zufrieden war und keinen Anstand nahm, ihn schon einen Monat später einer reichen Wittwe vorzuführen, welche zu ihm kam, um einen Sklaven zu kaufen.
Nahum blickte scheu von der Seite auf die mittelgrosse schlanke Gestalt, die in einem blauen, goldgestickten Burnus vor ihm stand und deren schwarze Augen ihn aus dem dichten Schleier hervor neugierig musterten.
»Das ist ein Prachtstück«, sprach Sahag, indem er Nahum auf die Schulter klopfte, »jung, kräftig, aus gutem Hause, unterrichtet und gelehrig. Sie werden einen vorzüglichen Diener an ihm haben, Zamira Ben Oporte, und solch' ein Gesicht zu sehen, ist auch angenehmer als das eines Negers.«
Zamira erwiderte nichts, sondern begnügte sich die angebotene Waare zu prüfen. Sie untersuchte den Arm, sie besah, wie bei einem Pferde, die Zähne und klopfte auf Nahum's Brust. Endlich nickte sie und verlangte den Preis zu wissen. Nach langem Handeln wurden sie einig. Die Wittwe bezahlte, und eine Stunde später wurde der neue Sklave in ihrem Hause abgeliefert.
Zamira war die Wittwe eines reichen Kaufherrn. Sie handelte mit orientalischen Stoffen, Pantoffeln, Schmuckgegenständen, Pfeifen und Waffen, und besass drei Schiffe, die abwechselnd auf dem schwarzen Meer, dem Mittelmeer und nach Indien segelten.
Es machte sie von Anfang ungeduldig, dass Nahum nur wenig arabisch verstand, sie wollte ihn in ihrem Kaufladen beschäftigen und musste sich vorläufig damit begnügen, ihn den Lastträgern beizugesellen, welche die Waarenballen in ihrem Hause abluden und in den Magazinen aufstapelten.
Es regte sich jedoch noch eine Empfindung in dem stolzen Herzen des schönen Weibes, welche Zamira gegen Nahum aufbrachte. Sie war böse auf sich selbst, weil sie mehr und mehr an ihrem Sklaven ein Wohlgefallen fand, das ihr unwürdig und verächtlich erschien.
Und er? Er hatte nur einmal ihre schlanke, elastische Gestalt, ihr edles, feingeschnittenes Gesicht unverhüllt gesehen, und seitdem gehörte er ihr, auch ohne dass sie ihn gekauft hätte, seine Phantasie beschäftigte sich Tag und Nacht mit ihr, und ihre Nähe versetzte ihn jedesmal in eine unbeschreibliche Verwirrung.
Eines Tages rief ihn Zamira in ihr Gemach und kündigte ihm an, dass er fortan im Hause zu bleiben und sie selbst zu bedienen habe. Nahum sah mit einem wollüstigen Schauer das schöne Weib, das in einem langen Pelz von grünem, silberdurchwirkten persischen Stoff in den rothseidenen Kissen ruhte und die schwarzen, bösen Augen auf ihn geheftet hatte. Sie befahl ihm, ihr die kleinen, goldgestickten Pantoffel anzuziehen und nachdem dies geschehen war, ihr den Kaffee zu bringen.
Nahum gehorchte, aber in seiner Verwirrung stolperte er auf dem Teppich und vergoss den duftenden Mokka.
»Du bist ungeschickt«, rief Zamira zornig, »man muss Dich zuerst abrichten, wie ich sehe.«
Sie erhob sich und ergriff die Peitsche, die stets für ungehorsame Sklaven bereit lag. Nahum warf sich vor ihr auf die Knie nieder und kreuzte die Arme auf der Brust, aber seine Demuth entwaffnete sie nicht. Zamira schwang die Peitsche und traf ihn wiederholt mit grausamer Energie.
Plötzlich warf sie dieselbe weg und hiess ihn gehen. Dann warf sie sich unmuthig in die Kissen zurück und nagte an den Nägeln ihrer kleinen Hand. Sie war unzufrieden mit sich selbst, sie schämte sich, während er die Stelle an seinem Arm küsste, wo ihn ihre Peitsche getroffen hatte.
An demselben Abend war der Mond in sein erstes Viertel eingetreten. Als es dunkel war, hüllte sich Zamira in Pelz und Schleier und ging hinaus in den Garten. Die schöne Lewana schwebte bereits an dem tiefblauen Himmel. Ihr holder tröstender Schimmer hatte auch Nahum herausgelockt. Er sass unter einem Oelbaume, vor ihm war ein kleiner Grasplatz mit Anemonen, Skabiosen und Schwertlilien bedeckt, weiter hinaus standen Orangen- und Zitronenbäume und schimmerte das Meer. Um ihn war die Stille der Nacht und der balsamische Duft des Orients. Nahum erinnerte sich der schönen Mythe, welche der Talmud erzählt.
»Als der Schöpfer die beiden Himmelslichter vollendet und eingesetzt hatte, näherte sich ihm der Mond und sprach: »Herr! es ist doch nicht schicklich, dass zwei Diener den gleichen Rang haben, lass mich um etwas grösser und leuchtender sein als die Sonne.« Das erzürnte Gott und er erwiderte: »Da Du Dich über Deinen Gesellen erheben willst, sollst Du vielmehr erniedrigt werden. Du sollst von nun an kleiner sein als er und Dein Licht soll dem seinen nachstehen.«
Der Mond erblich und ging bedrückt von dannen. Da erbarmte sich Gott seiner und gab ihm das funkelnde Heer der Sterne zur Gesellschaft.«
Der fromme Jude aber vergisst keinen Monat den Mond zu segnen, wenn dieser in seinem ersten Viertel steht und Nahum empfand hier in der Fremde, im Unglück, in der Sklaverei noch mehr das Bedürfniss dieser Pflicht zu genügen als daheim, im Kreise der Seinen.