Butler Parker 149 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Butler Parker war äußerst angenehm berührt.
Er befand sich auf der Akropolis und ließ die Schönheiten der Tempelanlagen auf sich wirken. Er hatte sich den alles beherrschenden Parthenom angesehen und war hinübergewechselt zum Erechtheion und genoß das Ebenmaß der Karyatiden, jener marmornen Frauenfiguren, die das Dach dieses kleinen Tempels trugen. Josuah Parker übersah und überhörte das Stimmengewirr der vielen Besucher, die wie Heuschrecken ausgeschwärmt waren und den Tempelberg von Athen bevölkerten.
Josuah Parker war nicht allein nach Athen gekommen. Er begleitete Lady Agatha Simpson, die es sich urplötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Griechenland zu besuchen. Für den Kriminal-Bestseller, den sie zu schreiben gedachte, benötigte sie einige Lokalstudien von Athen. Da die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, immens vermögend war, spielte dieser kleine Ausflug für sie überhaupt keine Rolle. Sie hatte an einer Stadtrundfahrt teilgenommen, sich mit Prospekten versorgt und ihren Butler gebeten, einige Farbfilme zu belichten. Sie plante, bereits einen Tag später wieder nach London zurück zu fliegen.
Im Augenblick war die Lady nicht zu sehen. Sie hatte sich unters Volk gemischt, und der Butler brauchte sich keine Sorgen zu machen. Mit einem Kriminalfall war hier nicht zu rechnen. Dennoch blieb er nicht zu lange vor dem Erechtheion stehen. Er kannte schließlich das unberechenbare Temperament seiner Herrin, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Zudem gab es hier oben auf der Akropolis Scharen von ambulanten Händlern, die den Touristen einmalige Kaufangebote machten und mit Grabungsfunden lockten. Josuah Parker verließ also die Schönheiten aus Marmor, schlenderte zurück zu den Propyläen und entdeckte dann Lady Agatha, die sich gerade von zwei Männern trennte, die es eilig hatten, den Tempelberg zu verlassen.
»Da sind Sie ja endlich, Mr. Parker«, sagte sie und nickte ihm wohlwollend zu, »wie lange wollen Sie noch zwischen den Trümmern herummarschieren?«
»Mylady haben sich an der klassischen Schönheit der Tempelanlagen ergötzt?« erkundigte sich Josuah Parker.
»Nun übertreiben Sie nicht gleich«, gab sie zurück, »es geht nichts über den Trafalgar Square in London, Mr. Parker ... Sehen Sie sich doch diese Unordnung an! Überall Steine und Trümmer. Kennen die Griechen keine Müllabfuhr?«
»Es handelt sich um, wenn ich dies in aller Bescheidenheit sagen darf, steinerne Zeugnisse einer ruhmreichen Vergangenheit«, bemerkte Josuah Parker.
»Nun ja«, meinte die Lady, »Sie liefern mir da gerade ein nettes Stichwort, Mr. Parker: ruhmreiche Vergangenheit.«
»Mylady verspüren den Atem der Geschichte hier auf der Akropolis?« fragte Parker hoffnungsfroh.
»Papperlapapp, Mr. Parker.« Sie winkte ihn näher zu sich heran. »Ich verspüre nicht den Atem der Geschichte, nein, ich habe sie in meinem Pompadour, um genau zu sein.«
»Mylady erwecken mein bescheidenes Interesse.«
»Ich habe Bronze aus Mykenä gekauft. Was sagen Sie jetzt?«
»Mylady sehen meine Wenigkeit überrascht und erstaunt.«
»Eine einmalige Gelegenheit, Mr. Parker«, flüsterte sie fast, »ein kleines Standbild, eine Krieger-Plastik.«
»Würden Mylady meine Wenigkeit in den Genuß eines flüchtigen Anblicks kommen lassen?«
»Doch nicht hier, wo es von Spitzeln nur so wimmelt«, sagte sie betont vorsichtig. »Sie wissen doch, daß der Kauf solcher Altertümer verboten ist.«
»Mylady konnte sich von der Echtheit des Kunstwerks überzeugen?«
»Selbstverständlich«, behauptete sie, »eine Lady Simpson führt man nicht hinters Licht, Mr. Parker, das sollten Sie aber inzwischen wissen.«
»Gewiß, Mylady. Darf man höflichst fragen, was Mylady zahlten?«
»Achtzig Pfund«, flüsterte sie nun wieder, »und mit weiteren Altertümern ist fest zu rechnen.«
»Mylady planen, noch mehr Kostbarkeiten dieser Provenienz zu erstehen?«
»Natürlich«, entgegnete sie triumphierend, »man muß die Gelegenheiten nützen. Kommen Sie, ich glaube, ich werde bereits beobachtet.«
Parker war zwar nicht dieser Ansicht, doch er deutete eine knappe Verbeugung an, lüftete die schwarze Melone und geleitete seine resolute Herrin zum Eingangstor. Sie ließ den perlenbestickten Pompadour freudig pendeln.
»Werde ich noch immer verfolgt?« fragte sie dann, als man das Tor passiert hatte, »ich möchte mich nicht umdrehen. Das könnte auffallen.«
»Mylady dürften die Verfolger abgeschüttelt haben«, erklärte Parker in seiner höflichen Art, »möchten Mylady sich noch das Dionysos-Theater ansehen, das im sechsten Jahrhundert vor der Zeitwende errichtet wurde?«
»Mein Bedarf an Antike ist gedeckt«, gab sie zurück, »man kann alles übertreiben, Mr. Parker. Zudem habe ich meine Bronze-Plastik. Die werde ich jetzt erst in Sicherheit bringen. Und Sie sollten dafür sorgen, daß ich sie durch den Zoll bringe. Lassen Sie sich etwas einfallen, Mr. Parker ...«
»Wie Mylady wünschen.« Parker war durch nichts zu erschüttern. Zudem ahnte er, was seine Herrin da gekauft hatte. Bronzestücke dieser Art wurden sicher zu Hunderten an einem Vormittag an Touristen verkauft. Ein ganzer Berufszweig lebte davon. Daher war Josuah Parker auch etwas irritiert, als zwei Männer in hellen Sommeranzügen genau auf Lady Simpson und ihn zukamen. Sie machten einen entschlossenen, sogar verbissenen Eindruck.
Josuah Parker entging keineswegs, daß die beiden Männer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schulterhalfter trugen, die sicher nicht leer waren.
*
»Ihre Handtasche«, forderte der Mann mit dem ausgeprägten Schnurrbart. Er hatte sich vor Lady Agatha aufgebaut und griff ahnungslos nach dem perlenbestickten Pompadour der älteren Dame, der an langen Lederriemen an ihrem linken Handgelenk hing. Der Grieche sprach übrigens ein recht passables Englisch.
»Was soll das?« donnerte Agatha Simpson, »wollen Sie sich an einer hilflosen Dame vergreifen, Sie Lümmel?«
»Die Handtasche«, wiederholte der Mann und wurde nachdrücklicher. Er ahnte keinesweges, in welcher Gefahr er bereits schwebte. Er wußte nichts vom Inhalt des Pompadours. In ihm befand sich nämlich der sogenannte »Glücksbringer« der Lady Agatha, ein echtes Pferdehufeisen, das aus Gründen der Humanität nur oberflächlich in dünnen Schaumstoff gehüllt war.
»Würden die Herren sich möglicherweise identifizieren?« schaltete sich der Butler ein. Er hatte mitbekommen, in welch gefährliche Schwingungen der Pompadour geraten war.
»Los, machen Sie schon!« Der zweite Mann, ein wenig kleiner als der erste, verlor die Geduld und faßte leichtsinnigerweise nach den Lederriemen des Handbeutels. Bevor er seine Finger jedoch zu schließen vermocht, verfärbte er sich und produzierte ein ersticktes Keuchen. Dann verbeugte er sich tief vor der älteren Dame und faßte nach seinem rechten Schienbein, gegen das Lady Simpson getreten hatte.
»Sie Flegel«, tobte die Sechzigerin, »Sie wollen mich tatsächlich unsittlich belästigen?«
Der erste Mann schaute fassungslos auf seinen Begleiter, bekam einen roten Kopf vor Wut und wollte die ältere Dame angreifen. Er übersah dabei den Pompadour, der von unten nach oben pendelte und sich auf seine linke Backenseite legte.
Das