Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad
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Читать онлайн книгу Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad страница 82
Asbjörn Krag legte Hut und Mantel ab und nahm seinem Freund gegenüber Platz.
»Ist er tot?« fragte er.
»Nein, er lebt noch, aber er ist nicht bei Bewußtsein.«
»Ist noch Hoffnung vorhanden?«
»Das weiß man nicht. Es wurde nach den allerbesten Aerzten geschickt.«
»Er ist also draußen auf freiem Felde gefunden worden?«
»Ja, nur etwa zehn Minuten von seinem eigenen Hofe. Der Oberst hatte in den letzten vierzehn Tagen seinen Hof nicht verlassen, aber gestern ging er aus einem bestimmten Grunde aus. Er war dazu aufgefordert worden.«
»Wer hatte ihn aufgefordert?«
»Das hatte ich getan«, antwortete Rye gelassen.
Der Detektiv schwieg einen Augenblick, dann fragte er:
»Du bist wohl in den letzten Tagen ganz verzweifelt gewesen?«
»Das kannst du dir denken. Ich war sehr niedergedrückt.«
»Die ganze Sache kommt dir jetzt wohl vollständig hoffnungslos vor?«
»Vollständig! Und ich habe mich zur Abreise bereit gemacht. Ich will das Gut verkaufen und für immer von hier fortgehen.«
Forschend sah ihn der Detektiv an, und als er des Freundes fieberglänzende Blicke bemerkte, lief ein leichter Schauer über seinen Körper. Er ging hin und legte dem Freunde die Hand aus die Schulter.
»Du hast weite Reisen gemacht«, sagte er. Du hast Menschen und Rassen kennen gelernt, die anders sind, als die, mit denen wir täglich verkehren. Du hast Leidenschaften aufflammen sehen, du stehst vielleicht unter dem Einfluß einer andern Denkungsart, einer andern Moral. Ich kenne dich nicht so genau, daß ich ohne weiteres für dich einstehen könnte. Oder richtiger gesagt: Ich kenne dich! Nichts wäre mir lieber, als wenn ich dir helfen könnte. Aber in einem bestimmten Fall bliebe mir nichts anderes übrig als zu gehen und dich deinem Schicksal zu überlassen. Nun will ich dich fragen – und du verstehst, welche Bedeutung ich in diese Frage lege –: soll ich bleiben oder soll ich gehen?«
Ivar Rye stand auf und drückte seinem Freunde kräftig die Hand.
»Du sollst bleiben«, sagte er. »Ich stehe ganz allein, und du mußt mir helfen. Ich verstehe gut, was du gedacht hast. Aber ich brauche dir wohl nicht mehr zu sagen, als daß ich nicht die geringste Schuld an diesem Verbrechen trage. Glaubst du mir? Wenn du mir nicht glaubst, dann reise lieber sofort ab.«
In seiner Stimme lag auch nicht die Spur einer Bitte, eher klang sie nach Ergebung und Hoffnungslosigkeit. Asbjörn Krag verstand die Bedeutung dieses Händedrucks; er wußte, daß er einem guten und charaktervollen Mann gegenüberstand und glaubte ihm.
»Ich bleibe«, sagte der Detektiv.
»Du glaubst also an mich?«
»Ja.«
»Und du wirst auch ferner an mich glauben, geschehe was da wolle?«
»Ja.«
»Aber meine Sache steht sehr schlecht.«
»Um so interessanter wird die Aufgabe für mich sein.«
»Aber ich muß etwas vor dir verborgen halten.«
Asbjörn Krag stutzte.
»Steht es mit dieser Sache in Beziehung?«
»Vielleicht.«
»Aber jedes Verschweigen verschlechtert deine Sache noch mehr.«
»Da ist nichts zu machen. Ich kann nicht reden.«
»Selbst wenn es dein Schweigen unmöglich macht, den wahren Schuldigen zu entlarven?«
»Das wird kaum der Fall sein. Wenigstens nicht, so weit ich die Lage beurteilen kann.«
»Nun, so müssen wir eben sehen, uns trotz deines Schweigens über diesen einen Punkt zu behelfen. Willst du mir jetzt den ganzen Hergang berichten? Ich bin sehr gespannt zu erfahren, was eigentlich hier vorgegangen ist.«
Und Ivar Rye berichtete:
»Wie du weißt, bin ich hier in der Gegend nicht sehr beliebt. Auch mein Vater erfreute sich keiner besonders hervorragenden Beliebtheit, aber die Leute in der Gegend kamen doch gut mit ihm aus, denn in verschiedenen Beziehungen deckten sich seine und ihre Interessen. Mein Vater war nämlich ein sehr eifriger Landwirt.
Ich aber – ich habe dafür gar kein Interesse. Und ich kann wirklich nicht mit den Leuten hier verkehren. Sie mögen ja meinetwegen alle miteinander sehr biedere Menschen sein, aber ich kann nun einmal nicht mit ihnen umgehen. Und du weißt vielleicht auch, daß das Andachthalten und das Predigen von Laien hier sehr im Schwange ist. Ich bin bei verschiedenen Gelegenheiten gegen dieses hysterische Getue aufgetreten auf eine Weise, daß ich damit Aergernis erregt habe.
Kurz gesagt, ich gelte hier bei der Masse des Volkes für gottlos. Ueberdies fühlen sich die Leute von meinem abweisenden und verschlossenen Wesen abgestoßen. Sie meinen, ich sei hochmütig, und doch gibt es nichts, was meiner Natur ferner läge als Hochmut, in dem Sinn, wie die Leute dies Wort verstehen. Ich habe mir also im Lauf der Zeiten eine Unbeliebtheit erworben, die mich, offen gestanden, vollkommen kalt ließ und die nur dazu diente, mich noch abweisender zu machen als, strenge genommen, notwendig gewesen wäre. Wenn die Sache zum Schwur kommt, so gibt es nichts, was mir die Leute nicht zutrauen würden. Das versteckte Mißvergnügen, der bisher verborgene Haß, all das kommt jetzt zum Ausbruch. Das habe ich in den letzten vierzehn Tagen empfunden, ich habe es in den schiefen und lauernden Blicken gelesen, die mir zugeworfen worden sind. Lieber Freund, ich kann nichts dafür, aber ich bin wirklich so verhärtet, daß all diese Gehässigkeit spurlos an mir abgeglitten ist. Ich hatte anderes zu denken, und ich bin ein selbständiger Mensch und mein eigener Herr. Warum sollte ich mich um das Gerede der Leute kümmern?
Nun verstehst du also, daß ich hier in der Gegend nicht sehr geliebt werde. Im Gegenteil, ich habe hier keinen einzigen Freund. Einen habe ich gehabt, aber der ist vielleicht in diesem Augenblick schon tot. Ich meine den Oberst. Und der Oberst stand die ganze Zeit über hoch in der Gunst des Volkes. Er und seine Tochter wurden vergöttert. Und das mit Recht, denn eine liebenswürdigere Familie kann man sich gar nicht denken.
Es erregte darum Unwillen und sogar Entrüstung rund herum auf den Gütern, als das Gerücht aufkam, ich würde mich mit der Tochter des Obersts verloben. Man hielt es für höchst unpassend, daß ein so gottloser Mensch wie ich in eine so prächtige Familie kommen sollte, und es wurde gesagt, ich hätte mit Geschick und Tücke dem Oberst Sand in die Augen gestreut. Ja, man scheute sich sogar nicht einmal, zu behaupten, die Verlobung sei von meiner Seite nur Berechnung und Geldspekulation. Ich sollte mein Erbteil aus Reisen vergeudet haben und nahe am Konkurs stehen. Lieber Freund, dir will ich sagen was diese Menschen nicht wissen: Ich habe allerdings auf meinen Reisen mehr Geld gebraucht, als mein Erbteil betragen hat, aber ich habe mir durch glückliche Spekulationen ein neues und viel beträchtlicheres Vermögen erworben, als mein Erbe gewesen war. Ich verberge dir nichts. Ich erzähle alles, wie es ist, denn ich will, daß du den richtigen Eindruck bekommen sollst von allen Umständen,