Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad
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Читать онлайн книгу Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad страница 78
Rye trat ans Fenster und schaute hinaus. Die Bäume der Allee draußen prangten im ersten frischen Grün des Maien.
»Jetzt bin ich fünfunddreißig Jahre alt«, sagte er. »Ich bin weit in der Welt herumgekommen und glaube, daß ich jetzt endlich das Glück meines Lebens gefunden habe. Wenn mir dies entrissen wird, so bin ich – das fühle ich bestimmt – für immer unglücklich. Dann bleibt mir nichts, als wieder die Welt zu durchstreifen.«
Ivar Rye setzte sich wieder Asbjörn Krag gegenüber und fuhr mit demselben tiefen Ernst fort:
»Nun möchte ich die Sache mit dir besprechen, weil ich weiß, daß du ein Mann von scharfem Verstand bist, und weil ich dich als meinen Freund schätze. Ich habe in der letzten Zeit unaufhörlich über die Sache nachgedacht, und ich bin zu der Ansicht gekommen, daß sich irgend etwas Geheimnisvolles zwischen sie und mich gestellt haben muß. Willst du mir helfen?«
»Du gehst ja gewaltig ins Zeug«, erwiderte Asbjörn Krag. »In allem, was ich bis jetzt gehört habe, kann ich vorerst nichts erblicken, als eine Liebesgeschichte. Du liebst also das Mädchen. Und sie liebt dich auch?«
»Ja, sie liebt mich.«
»Sehr schön. Hat sie dir das gesagt?«
»Ja, das hat sie mir gestanden«, fuhr er heftig dazwischen.
»Gut. Wie lange kennst du sie?«
»Seit einem halben Jahr. Letzten Herbst lernte ich sie kennen, als ich nach meines Vaters Tod das Gut übernommen hatte. Nachher trafen wir öfters zusammen. Du weißt, daß ich ein eifriger Reiter bin, und sie ist eine begeisterte Reiterin, und so hatten wir gleich ein gemeinsames Thema für unsere Gespräche. So verging einige Zeit. Aber ich versichere dir, daß ich mir vom ersten Augenblick an bewußt war, in ihr die Liebe meines Lebens gefunden zu haben.«
»Was sagte der Alte dazu? Er mußte euch doch gelegentlich beisammen sehen.«
»Du meinst den Oberst?«
»Ja, ihren Vater.«
»Er war zu Anfang und noch lange Zeit nachher ganz einverstanden. Er lud mich in sein Haus, und soweit ich erkennen konnte, sah er mit freundlichen Blicken mit an, wie sich Dagny und ich einander immer mehr näherten. Er scherzte auch gelegentlich und meinte, wir gäben einmal ein schönes Paar.«
»Warum hast du dann nicht um sie angehalten?«
»Das habe ich getan!«
»Und da hat er also dann ›nein‹ gesagt?«
»Durchaus nicht. Aber er unterbrach mich ganz freundlich und sagte, davon könnten wir später einmal reden. Wir beide, Dagny und ich, sahen die Sache als abgemacht an, und es wurden auch unserem beinahe täglichen Beisammensein keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt. Wir hätten am liebsten sofort geheiratet, aber da der alte Herr auf die üblichen Formen hielt, wollten wir uns fügen und waren bereit, uns eine entsprechende Verlobungszeit gefallen zu lassen.
Aber da kam plötzlich die Veränderung in seinem Betragen mir gegenüber.
Wie genau ich mich dieses Tages erinnere! Es war am Abend vor nun gerade vierzehn Tagen. Die Sonne war am Untergehen, und es fing an, kühl zu werden. Ich ließ ›Eva‹, mein neues Reitpferd, satteln, denn ich wollte zum Oberst hinüberreiten, um heute noch einmal ein paar Worte mit meiner Braut zu wechseln. Ich hatte sie schon am Vormittag einige Augenblicke gesprochen, und wir sollten uns eigentlich erst am nächsten Morgen bei unserem gewöhnlichen Ausritt wiedersehen. Aber es war mir wie eine Ahnung. Ich trieb ›Eva‹ an, so sehr ich konnte, und schweißbedeckt langte sie vor der Haustür des Obersten an.
Als ich mich eben aus dem Sattel schwang, trat der Verwalter des Obersten zu mir. Der Mann heißt Hansen. An seiner verlegenen Art sah ich gleich, daß etwas los sein mußte.
›Wünschen der Herr Rittmeister den Herrn. Oberst zu sprechen?‹ fragte er.
›Ja‹, antwortete ich aus alter Gewohnheit. Natürlich wollte ich mit ihr sprechen und nicht mit dem Oberst.
›Komme ich vielleicht ungelegen?‹ fragte ich und erwartete die gewohnte Antwort: ›Durchaus nicht.‹ Denn ich kam sonst niemals ungelegen, ob der Oberst auf seinem Zimmer arbeitete, ob er aus dem Felde war oder eine von seinen kleinen vergnügten Gesellschaften hatte. Aber ich erhielt eine unerwartete Antwort.
›Der Herr Oberst empfängt heute nicht.‹
›So – na – warum denn nicht?‹
›Ich soll den Herrn Rittmeister grüßen und sagen, daß er nicht wohl sei. Er hat den Herrn Rittmeister durchs Fenster herreiten sehen.‹
›Na, na‹, dachte ich. ›Das ist wieder so eine von des Alten kleinen Launen. Da ist nichts zu machen.‹ Ich fragte daher den Mann:
›Wollen Sie mich dann bei dem gnädigen Fräulein melden?‹
›Das gnäd'ge Fräulein kann heute auch nicht empfangen.‹
Ich war so verblüfft über diese Antwort, daß ich die Zügel fallen ließ. Mein erster Gedanke war, daß sich meine Braut in dem naßkalten Frühlingswetter erkältet haben könnte.
›Liegt sie zu Bett?‹ fragte ich.
»Nein.«
›Dann möchte ich sie dennoch sprechen. Wollten Sie ›Eva‹ so lange halten, Hansen?‹
Aber Hansen, der ganz unglücklich und verlegen vor mir stand, machte keinerlei Anstalten, meinem Wunsch nachzukommen. Im Gegenteil, er machte Miene, mir in den Weg zu treten.
Ich begriff nicht, was das sein sollte. Meine Gedanken jagten sich. Sollte ich irgend etwas gesagt oder getan haben, das Mißfallen erregt hatte? Aber ich konnte nirgends einen Grund zu einem derartigen Mißverständnis entdecken. Zu einem war ich jedoch sehr rasch entschlossen: ich wollte nicht heimgehen, ehe ich ergründet hatte, wo das Mißverständnis steckte. Deshalb sagte ich zu Hansen:
›Gehen Sie sofort zum Herrn Oberst und sagen Sie ihm von mir, daß ich den Hof nicht verlasse, ehe ich mit ihm gesprochen habe.‹
Hansen murmelte etwas davon, daß er nur dessen Befehlen gehorche, ging aber doch ins Haus. Rasch kam er wieder zurück und meldete, daß der Oberst mich empfangen wolle.
Sofort ging ich ins Arbeitszimmer des Obersten, und dort wurde mir ein Anblick, der mich aufs tiefste erschreckte.
Vor wenigen Stunden erst hatte ich den Oberst gesehen. Da war er vergnügt und guten Mutes und auf seinem runden, gemütlichen Gesicht war kein Wölkchen zu sehen.
Jetzt stand ein gebrochener Mann vor mir. Seine Haare waren in Unordnung; er sah sehr blaß aus, und man hätte meinen können, er habe geweint. Der Kummer war deutlich in seinen Augen zu lesen. Noch niemals habe ich in so kurzer Zeit eine so schreckliche Veränderung im Aussehen eines Menschen wahrgenommen.
Ja, lieber Krag, wie soll ich dir jetzt nur den Inhalt