Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

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Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad

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ich bei ihm eintrat, kam er auf mich zu und streckte mir beide Hände entgegen.

      ›Sie zittern ja am ganzen Leibe,‹ sagte ich erschrocken. ›Ist Dagny etwas geschehen? Wenn sie sehr krank ist, so lassen Sie mich lieber gleich die ganze Wahrheit wissen.‹

      ›Nein,‹ stammelte er. ›Dagny ist nicht krank.‹

      ›Warum kann ich sie dann nicht sprechen?‹

      ›Weil Sie nicht können. Heute ist es unmöglich.‹

      Ich fragte, ob ich irgendein Unrecht getan hätte. Da ergriff er meine beiden Hände und sagte: ›Keineswegs. Sie sind uns beiden sehr teuer. Aber jetzt müssen Sie gehen.‹

      Ich wollte nur ungern den Gutshof verlassen und war sehr niedergeschlagen. Aber schließlich flehte mich der Oberst mit zitternder Stimme und verhaltenen Tränen an, zu gehen.

      ›Jetzt ist es sieben Uhr,‹ sagte er. ›Heute abend um zehn Uhr sollen Sie Nachricht von mir bekommen. Sie werden sehen, es kommt alles wieder in Ordnung.‹

      Nun blieb mir nichts anderes mehr übrig als zu gehen. Aber ich verließ den Hof mit dem drückenden Gefühl, daß irgend etwas Unerwartetes und Entsetzliches geschehen sein müsse.

      Ich schwang mich auf ›Eva‹ und ritt die Landstraße entlang, an den Fenstern des Herrenhauses vorüber.

      Als ich an Dagnys Fenster kam, entdeckte ich ein helles Kleid dahinter, und die Vorhänge bewegten sich. Ich hielt mein Pferd an. Da verschwand das Kleid, und ich mußte weiterreiten. Es hatte angefangen zu dämmern.

      Das war alles, was an jenem merkwürdigen Tage geschehen ist. Aber noch merkwürdiger war, was später geschah.«

      Zweites Kapitel. Ein Unglückstelegramm

       Inhaltsverzeichnis

      Rittmeister Ivar Rye schwieg und versank in trübe Gedanken. Krag weckte ihn nicht aus seiner Grübelei, sondern studierte einstweilen des Freundes Gesichtsausdruck. Merkwürdig, wie plötzlich der Freund dem Aussehen nach mindestens um zehn Jahre älter geworden war.

      »Abends um zehn Uhr erhielt ich endlich Bescheid«, erzählte Rye weiter. »Es kam ein Bote von dem Obersten und brachte mir zwei Briefe; einen von ihm selbst und einen von dessen Tochter.

      Beide Briefe strömten über von Sorge und Kummer.

      Der Oberst schrieb, daß er heute die schwerste Stunde seines Lebens durchgemacht habe. Ich weiß den Brief beinahe wörtlich auswendig.

      Er schrieb, er habe mich während unseres Zusammenseins schätzen gelernt, und wenn sich die Sache in der Zukunft so ordnen würde, daß wir wieder zusammenkommen könnten, so wäre ihm das eine große Freude.

       Vorläufig sei es ihm aber unmöglich, mich zu sprechen, und aus der Heirat mit seiner Tochter könne jetzt nichts werden.

      Er habe mir nicht das mindeste vorzuwerfen, schrieb er weiter. Verhältnisse, über die weder er noch ich Herr seien, machten den Bruch notwendig.

      Er wisse, daß er an einen Ehrenmann schreibe, der die Gründe für sein Schweigen achten werde. Aber eine Heirat sei und bleibe unmöglich. Er habe sich mit seiner Tochter beraten, und sie habe sich bereit erklärt, auf ihr Glück zu verzichten.

      Dagnys Brief war in großer Aufregung geschrieben, die stark auf mich einwirkte. Ich konnte die heftige Gemütsbewegung, in der sich das arme Mädchen während des Schreibens befunden hatte, förmlich mitfühlen. Alles müsse zu Ende sein, schrieb sie. Es sei am besten, wenn wir uns nie mehr sähen. Aber sie grüße mich tausendmal. Sie werde bis zu ihrem letzten Atemzug meiner gedenken.

      Du verstehst wohl, lieber Freund, daß mir in jener Nacht kein Schlaf in die Augen kam. Die ganze Sache war mir unbegreiflich. Woher dieser plötzliche und unbegründete Bruch? Ich erschöpfte mein Gehirn mit unzähligen Fragen, allein ich fand keine Lösung.

      Später nahm ich meine Ausritte wieder auf, und vor drei Tagen traf ich mit Dagny zusammen.

      Sie hatte ein schwarzes Kleid an und sah sehr blaß aus. Ihr Pferd war schweißbedeckt, wie nach einem langen und heftigen Ritt.

      In einem Hohlweg trafen wir zusammen und mußten aneinander vorbei.

      Ich grüßte. Sie nickte, und ihre Wangen überzogen sich mit einer dunklen Röte.

      Nun konnte ich mich nicht mehr halten, sondern fiel ihrem Pferd in die Zügel.

      ›Dagny, du bist mir eine Erklärung schuldig,‹ sagte ich. ›Ich reise fort von hier, aber ich kann nicht gehen, ehe ich erfahren habe, was uns getrennt hat.‹

      Sie war ganz verwirrt vor Angst und Verlegenheit und fragte: ›Du willst fortgehen?‹

      ›Ja. Wundert dich das?‹

      ›Weit fort?‹

      ›Sehr weit fort, Dagny. Willst du mir nicht eine Antwort auf meine Frage geben?‹

      ›Nein, denn das kann ich nicht. Du darfst mich nicht fragen.‹

      ›Ist etwas geschehen?‹

      ›Ja, es ist etwas geschehen; etwas, das nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann.‹

      ›Auch nicht mit einem klaren Verstand, gutem Willen und zwei starken Fäusten?‹

      Sie gab keine Antwort; sie lächelte nur. Ein sehr nervöses Lächeln. Ihre Lippen bebten.

       ›Liebst du mich nicht mehr, Dagny?‹

      ›Laß meine Zügel los, dann will ich dir die Antwort geben.‹

      Ich ließ die Zügel fahren.

      Sie beugte sich zu mir herüber und sagte mit bebender Stimme:

      ›Ich habe dich von jeher geliebt, und ich liebe dich noch und werde dich immer lieben.‹

      Dann spornte sie ihr Pferd und jagte davon.

      Ich rief ihren Namen nach. Sie drehte sich im Sattel um, winkte mir zu und rief:

      ›Wir dürfen uns nie mehr sehen!‹

      Seither habe ich sie auch nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch auf dem Hofe ist.

      Und damit, lieber Krag, hast du erfahren, was geschehen ist. Ich bitte dich um deine Hilfe. Das tue ich, weil ich gewiß weiß, daß dies nicht nur eine gewöhnliche Liebesgeschichte ist.«

      Rye stand auf und trat ans Fenster. In seiner Stimme war ein merkwürdiges Beben, als er sagte:

      »Du begreifst wohl, daß ich nicht aus noch ein weiß. Aber vielleicht kommt es daher, weil ich vor Unglücksgefühl fieberkrank bin und blind vor Liebe. Aber ich kann wirklich nicht ergründen, was geschehen ist. Es liegt auf mir wie eine trübe Ahnung, daß hinter diesen Begebenheiten ein Geheimnis steckt. Ein Geheimnis, dessen

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