Im Thale des Todes. Karl May
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Читать онлайн книгу Im Thale des Todes - Karl May страница 11
»Dort sitzt bereits ein Sennor.«
Der Rothe nickte schweigend.
»Ich bitte Euch also, Euch an einen anderen Tisch zu setzen.«
Der Rothe schüttelte schweigend.
»Habt Ihr es gehört?«
Er nickte.
»So thut doch auch, was ich Euch sage!«
Er ergriff die Flasche, deren Stöpsel die Sennorita bereits für Sam geöffnet hatte.
»Halt!« rief sie. »Die gehört dem anderen Gaste.«
Er führte trotzdem die Flasche an den Mund.
Da sprang sie herbei und wollte sie ihm nehmen. Sie ergriff seine beiden Hände, um sie mit der Flasche von seinen Lippen wegzuziehen. Er setzte die Flasche langsam ab, stellte sie auf den Tisch, schüttelte die Hände der Sennorita von sich, ergriff diese Letztere bei den Schultern und drückte sie, ohne aber ein einziges Wort dabei zu sagen, mit solchem Nachdrucke auf den Boden nieder, daß sie grad und direct auf den Thonklos zu sitzen kam, welcher noch an derselben Stelle lag, wo er ihr entfallen war, als Sam den Kopf ihres Angebeteten einen Schafskopf genannt hatte. Dann griff der Apache wieder nach der Flasche, führte sie an die Lippen und trank sie aus.
Der Sennorita schien die Fähigkeit, sich bewegen zu können, ganz und gar abhanden gekommen zu sein. Sie blieb mit ausgespreizten Armen und Beinen eine ganze Weile sitzen, hatte den Mund offen und hielt die Augen entsetzt auf den Häuptling gerichtet, welcher sich ganz ruhig auf den Stuhl wieder niedergelassen hatte und gar nicht mehr auf sie zu achten schien.
Dann aber kam es plötzlich über sie, als ob sie auf einer Spannfeder gesessen habe. Sie schnellte empor, streckte ihm die geballten Fäuste entgegen und rief mit vor Zorn bebender Stimme:
»Mir das? Mir?«
Er nickte.
»Mir, der gelehrten Sennorita Emeria! Ist das nicht unerhört, nicht schändlich?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nicht? Was? Also nicht? Wißt Ihr, wer und was ich bin? Ich, eine Künstlerin, eine Gelehrte, soll mich von einem Menschen, der nur ein wilder Indianer ist, in dieser Weise – ooooh! Brrrrr!«
Sie konnte nicht weiter. Der Apache war mit blitzartiger Schnelligkeit an ihrem Tische, ergriff das Wassergefäß, in welches sie den Hader beim Modelliren getaucht hatte, und goß ihr den ganzen weißgrauen, thonigen und schlammigen Inhalt über den Kopf. Das Gefäß selbst stülpte er ihr dann noch oben darauf.
»Abkühlen!« sagte er.
Im nächsten Augenblick saß er wieder ruhig auf dem Stuhle, als ob gar nichts vorgefallen sei.
War sie vorhin ihrer Sprache beraubt gewesen, so dauerte dies jetzt noch länger, ehe sie dieselbe wiederfand. Ihr Anblick war freilich zum Malen. Erst schon voller Thonflecke, tropfte sie jetzt von oben bis unten von der triefenden Brühe. Diese war ihr in die Augen, den Mund und die Nase gedrungen. Sie pustete, hustete, nießte und schüttelte sich. Um die Nässe wenigstens aus dem Gesichte schnell los zu werden, hob sie das schwarze Kleid empor und wischte sich damit Kopf, Stirn, Wangen, Kinn und Hals ab. Jetzt nun bekam sie die Augen frei. Jetzt konnte sie sehen und nun vermochte sie auch wieder zu sprechen:
»So Etwas! So Etwas!« keuchte sie. »Ein Ueberfall! Eine schändliche Beleidigung und Behandlung! Ich werde meinen Peon herein rufen. Und dann, wenn erst mein Freund, der Professor Barth kommt, so werden Beide mich rächen. Noch weiß ich nicht einmal, ob Ihr das Bier bezahlen könnt, welches – –«
»Pst!«
Es war nur dieser eine Laut, mit welchem er sie unterbrach; aber dies geschah in einer solchen Weise, daß ihr die Zunge sofort stille stand. Der Apache hatte so etwas Eigenes an sich. Ein einziger Blick von ihm wirkte mehr, als die lange Rede eines Andern.
Er griff in die Gürteltasche, zog einen kleinen gelben Gegenstand, der fast die doppelte Größe einer Erbse hatte, hervor und hielt ihr denselben hin.
»Bezahlen,« sagte er.
Sie warf einen Blick darauf und sofort erhellten sich ihre soeben noch so finsteren Gesichtszüge.
»Ein Nugget! Ah, von dieser Größe! Ich werde es sogleich wiegen und Euch das Uebrige nachher herausgeben. Das Bier kostet einen halben Dollar.«
An Orten, wo Goldgräber verkehren, bezahlen dieselben meist mit Goldstaub und Goldsand. In Folge dessen befindet sich jeder Geschäftsmann im Besitze einer Goldwaage. Das war auch bei der Wirthin der Fall. Sie wog das Nugget, zog den halben Dollar von dem Werthe des Goldes ab und zählte dem Apachen das Uebrige auf den Tisch.
»Dreck!« sagte er verächtlich und strich mit dem Arme das Geld vom Tische herab, daß es auf die Diele fiel.
»Herrgott! Ihr werft es herunter!« rief sie.
Er nickte.
»So viel! Es sind vier und ein halber Dollar!«
Er zuckte geringschätzig die Achsel.
»Wollt Ihr es denn nicht haben?«
Er schüttelte den Kopf.
»Darf ich es für mich nehmen?«
»Für das Abkühlen!«
Das war ihr natürlich sehr lieb. Sie hob das Geld auf und steckte es ein. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß abermals ein Reiter angekommen war, der draußen sein Pferd angebunden hatte und jetzt hereintrat. Steinbach war es.
Heute Morgen hatten die Verfolger bemerkt, daß Roulin eine Finte geritten war, um sie irre zu führen. Um ihn ganz sicher zu bekommen, hatten sie sich getrennt. Ein Ort, an welchem sie dann wieder zusammentreffen wollten, war gar nicht bestimmt worden. Es verstand sich ja ganz von selbst, daß sie, die Fährte eines Mannes suchend, auf derselben sich wieder finden würden. Sam war der Glückliche von ihnen gewesen, welchen der Zufall zuerst auf diese Fährte geführt hatte, sodann der Apache und jetzt nun Steinbach.
Dieser hatte die Pferde Sams und der ›starken Hand‹ bereits von Weitem vor dem Hause stehen sehen und einen ihm begegnenden Mann gefragt, was für ein Haus dies sei. Der Gefragte hatte ihm eine sehr ausführliche Antwort ertheilt und ihm die Eigenthümlichkeiten der Wirthin so beschrieben, daß er genau wußte, woran er war.
Als er sie jetzt erblickte, hätte er am Liebsten laut auflachen mögen. Dennoch zwang er sich, ernst zu bleiben und grüßte im höflichsten Tone:
» Buenos dias, estimada Donna Emeria – guten Tag, hochverehrte Donna Emeria!«
Sofort glänzte ihr Gesicht vor hellem Entzücken.
» Buenos dias!« antwortete sie. »Willkommen, willkommen, Sennor! Wollt Ihr Euch nicht einen Platz suchen? Nicht hier bei dem Indianer, sondern dort auf dem Divan, welcher nur für Dons vorhanden ist!«
»Danke! Ich will nicht lange