Im Thale des Todes. Karl May
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»Früher nannte er sich Walker.«
»Richtig! Da Ihr das wißt, so bin ich überzeugt, daß ich Euch vertrauen darf. Es droht mir und Robin ein großes Unheil. Ich werde verfolgt. Die mich Verfolgenden wissen jedenfalls, daß ich zu ihm will. Sie wollen auch ihn verderben.«
»Himmelelement! Wer ist das?«
»Einige verdammte Kerls, welche hart hinter mir her sind! Der Eine läßt sich den Fürsten der Bleichgesichter schimpfen, der Andere ist der dicke Sam Barth.«
»Heiliges Pech! Dieser berühmte Jäger!«
»Ja. Sodann die ›starke Hand‹, der Häuptling der Apachen-Indianer.«
»Hört, das sind drei ganz verdammte Kerls!«
»O, es sind ihrer noch mehr. Ich konnte sie nur nicht wegkriegen.«
»Und sie sind hart hinter Euch?«
»Leider! Ich habe sie heute früh noch einmal tüchtig irre geführt, indem ich einen Kreis ritt. Sie mußten also zurück, wenn sie meiner Spur gefolgt sind. Dennoch können sie jeden Augenblick kommen.«
»Was habt Ihr denn mit ihnen?«
»Davon später. Ich kann Euch nur sagen, daß es sich nicht nur um Hab und Gut, sondern auch um Tod und Leben handelt.«
»Dann ist die Geschichte allerdings höchst gefährlich.«
»Ich muß zu Walker, um mit ihm zu sprechen. Wohnt er noch draußen in seinem Waldhause?«
»Ja. Pst! Die Sennorita kommt.«
Die Wirthin trat ein und setzte Roulin Flasche und Glas hin. Dann nahm sie wieder auf ihrem Stuhle Platz, um weiter zu modelliren. Es fiel ihr gar nicht ein, auf die Unterredung der Beiden zu achten; dennoch sprachen diese nur leise weiter. Später aber entfuhr Roulin doch ein so lauter Ausruf, daß sie ihn hörte:
»Verdammt! Da drüben kommt der Dicke!«
»Wo?« fragte Alfonzo.
»Ganz drüben am Stadtende.«
»Das kann man ja noch gar nicht erkennen!«
»O, den Kerl kenne ich noch aus viel weiterer Entfernung. Wir müssen fort.«
»Na, so bezahlt! Ich führe Euch.«
Während Roulin sein Geld auf den Tisch warf, sagte der Andere zur Wirthin:
»Hört, Sennorita! Der Mensch, welcher da draußen geritten kommt, ist ein Feind von Sennor Robin. Er darf nicht erfahren, daß wir hier gewesen sind. Von diesem Sennor hier dürft Ihr überhaupt nicht zugeben, daß wir hier gewesen sind. Verstanden?«
Sie nickte bejahend, blickte zum Fenster hinaus und antwortete:
»Er sieht Euch aber doch fortgehen. Dieser Sennor hat gar ein Pferd mit; das muß ja gesehen werden!«
»Wir ziehen es durch den Hausflur in den Hof, und von da zur hinteren Thür hinaus. Da kommt das Gebäude zwischen uns und ihm und er kann uns nicht bemerken.«
»So macht schnell und grüßt Sennor Robin von mir!«
Beide eilten hinaus und zogen das Pferd in das Haus.
Roulin hatte sich allerdings nicht geirrt. Es war der dicke Sam, welcher langsam die Straße herbeigeritten kam, die Gestalt vornüber gebeugt und das Auge scharf auf die Erde gerichtet. Draußen in der Wildniß ist es nicht sehr schwer, eine deutliche Spur zu verfolgen; in einer Stadt und deren Nähe, zumal auf einer viel betretenen Landstraße aber ist es fast eine Unmöglichkeit. Für den listigen Sam aber konnte es in dieser Beziehung eine absolute Unmöglichkeit gar nicht geben. Er hielt vor der Thür an, stieg ab und band sein Pferd an den Pfahl, deren mehrere zu diesem Zwecke draußen angebracht waren. Er untersuchte den Boden sehr genau und schüttelte dann brummend den Kopf.
Petro, der Peon, hatte an der Ecke des Hauses gestanden und ihn ankommen sehen. Das Gebahren dieses fremden, kleinen, absonderlich dicken Kerls kam ihm sehr lächerlich vor. Er befand sich bei guter Laune und beschloß, den Kleinen ein Wenig zu foppen. Darum trat er hinzu und fragte:
»Habt Ihr etwas verloren, Sennor?«
»Ja,« antwortete Sam, ohne ihn anzusehen.
»Was denn? Vielleicht die vorige Woche?«
»Nein, sondern die übernächste.«
»So will ich wünschen, daß Ihr sie bald findet!«
»Ich hab sie schon!«
Sam hatte nämlich auf der Schwelle der Hausthür und im Flur die Spuren bemerkt, welche er suchte.
»Die übernächste?« lachte Petro. »Da seid Ihr uns Andern also um zwei Wochen voraus?«
»Ja, mein Junge, Dir speciell aber um einige Jahrhunderte, denn wie es scheint, bist Du so weit in der Entwickelung zurück, daß Dir noch gar kein Gehirn gewachsen ist!«
»Oho!«
»Und grün und gelb bist Du auch noch hinter den Ohren. O weh! Aus Dir wird einmal ein recht alberner und vorlauter Gänserich werden. Nimm Dich dann in Acht, daß man Dir nicht auf den Schnabel klopft!«
Dies ärgerte den Peon. Der Dicke trug eine Kleidung, welche während des angestrengten, schnellen Rittes viel gelitten hatte. Er sah nicht sauber aus und da sein Pferd scheinbar auch nichts taugte, so hatte Petro gemeint, einen Menschen vor sich zu haben, mit welchem er sich einen Spaß machen könne. Er wollte die Beleidigung nicht dulden und sagte darum:
»Für wen oder was haltet denn Ihr Euch wohl? Wenn ich ein Gänserich bin, so gehört Ihr wohl unter diejenige Klasse von Menschen, welche man Staare nennt?«
»Jawohl, mein Sohn! Ich bin nämlich der Staar, welchen ich Dir stechen werde, wenn Du nicht höflicher wirst. Gehe ein Wenig auf die Seite, damit man hinein kann!«
Der Peon hatte sich nämlich mitten unter die Thür gestellt. Er antwortete nun grob:
»Wartet noch ein Wenig! Hier hat nämlich nicht der erste Beste Zutritt. Wir sehen uns unsere Leute an.«
»Ich mir die meinigen auch. Und da Du hier nicht in der rechten Beleuchtung stehest, um einen guten Eindruck auf mich zu machen, so will ich Dich ein Wenig an das Licht und in die Luft stellen.«
Er faßte ihn blitzschnell bei dem Leibe, hob ihn hoch empor, drehte sich um, setzte ihn außerhalb des Einganges wieder nieder und trat in das Haus. Der Peon hatte so Etwas nicht erwartet. Ein so resolutes Benehmen und eine solche Körperstärke war dem scheinbar unbehilflichen Dicken ja gar nicht zuzutrauen gewesen. Darum blieb Petro eine Weile ganz erstaunt auf derselben Stelle und als er sich dann umdrehte, um sich zu rächen, war Sam bereits in das Gastzimmer getreten.
Dort saß die Wirthin an ihrem Tische und klatschte mit den nassen