Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May Deutsche Herzen - Deutsche Helden

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dreimal gegrüßt hatte!«

      »Ihr hattet falsch gegrüßt; da mußte ich sitzen bleiben, um Euch zu strafen.«

      Jetzt stand er langsam auf und griff wieder nach seinem Hute.

      »Mich zu strafen?« sagte er. »Sennorita, Ihr scheint Eure Stellung ganz zu mißverstehen. Ihr seid in keiner Weise meine Vorgesetzte; auch komme ich nicht, um Euch zu begrüßen, sondern um Euch eine Erquickung abzukaufen, die ich genießen will und bezahlen werde.«

      »Das ist ganz gut, aber wer mir nicht gefällt, der bekommt nichts.«

      »Nun, ich muß annehmen, daß ich Euch nicht gefallen habe und also nichts bekommen werde. Adios, Sennorita!«

      Er wendete sich nach der Thür; aber bereits in demselben Augenblicke stand sie zwischen derselben und ihm. Sie streckte ihm abwehrend alle ihre langen, weit auseinandergespreizten Finger entgegen und gebot ihm:

      »Halt! Ihr habt zu bleiben! Noch habe ich Euch nicht entlassen. Erst muß ich erfahren, ob Ihr würdig seid, eine Erquickung von mir einzunehmen.«

      »Wie wollt Ihr das erfahren?«

      »Indem ich Euch examinire.«

      »Und Ihr meint, daß ich mir dies gefallen lasse?«

      »Ja, Ihr müßt! Seht her!«

      Sie drehte den Schlüssel um und zog ihn ab, so daß er durch das offene Fenster hätte springen müssen. Dann stemmte sie die eine Hand auf den Tisch, die andere in die Seite und fragte ohne alle Einleitung:

      »Wie kann man sich mittels eines Garnknäuels aus der Quadratur des Zirkels herausfinden?«

      »Ihr meint wohl aus dem Labyrinth?«

      »Nein. Ihr wißt es also nicht. Weiter! Warum liegt die Sahara in Afrika?«

      »Alle Wetter!« lachte er. »Wer das beantworten könnte!«

      »Ihr nicht, wie ich bemerke. Weiter! Welcher Unterschied ist zwischen der Madonna von Rafael und dem großen Einmaleins?«

      Er trat einen Schritt zurück. Es begann, ihm angst zu werden. Sie nickte verächtlich und sagte:

      »Auch das nicht. Also noch die letzte Frage: In welchem Verhältnisse steht Kants Philosophie zu den Eisenbahnfahrplänen der neueren Zeit?«

      »Hoffentlich in gar keinem!«

      »Seht, nicht einmal eine so tief in das Verkehrsleben einschneidende Frage könnt Ihr beantworten. Ich kann Euch nichts verkaufen, weder Porter noch Schnaps, noch sonst Etwas.«

      »Das habe ich doch bereits gesagt. Darum bitte ich Euch, wieder aufzuschließen.«

      Sie blickte ihn lange an. Ihr ernstes Auge wurde immer milder, der sonst so eigenthümlich irre Blick lebensvoller. Dann sagte sie freundlich:

      »Und doch kann ich Euch nicht so von mir gehen lassen. Ihr habt die Probe nicht bestanden; aber in Eurem Gesichte ist so etwas Gutes und Liebes. Es ist mir, als ob wir liebe und gute Bekannte wären, und darum sollt Ihr haben, was Ihr verlangt. Emeria Garezzo examinirt zwar streng, richtet aber voller Nachsicht.«

      Als sie diesen Namen nannte, zuckte ein undefinirbares Etwas über das Gesicht des Fremden. Er fuhr sich mit der Hand nach der Stirn, als ob er sich auf irgend Etwas besinnen müsse; sein Schnurrbart kräuselte sich unter einem leisen Lächeln, dann ging sein Auge in einem tiefen, fast pietätvollen Blicke über die Gestalt der Wirthin weg und nun antwortete er:

      »Ja, Sennorita, gebt mir ein Glas Wasser mit Zucker darin.«

      »Das ist Kindertrank, aber nicht für Männer!«

      »Mir aber heut das Allerliebste!«

      »Gut, Ihr sollt es haben; ich gebe es sonst keinem Menschen; aber weil Ihr das – das – das Unbeschreibliche im Gesicht habt, so sollt Ihr das Zuckerwasser bekommen.«

      Sie schloß die Thür wieder auf, ging hinaus und brachte bald das Zuckerwasser herein. Als sie es vor ihn hinsetzte, erklärte sie:

      »Wasser und Zucker verhalten sich nämlich zu einander wie ein Hydrooxygengasmikroskop zu einem Faß voll saurer Gurken; einzeln für sich sind Beide zu gebrauchen, thut man aber das Erstere in das Letztere, so ist nichts zu gebrauchen. Was seid Ihr?«

      »Goldsucher,« antwortete er zögernd, als ob er sich vorher überlegen müsse, welche Antwort er geben solle.

      »Das habe ich mir gedacht. Die Goldsucher sind stets ohne Wissenschaft und Schule. Ihr seid ein so junger, hübscher Sennor. Schade um Euch! Habt Ihr denn gar nichts gelernt?«

      Es zuckte fast schalkhaft über sein Gesicht, als er antwortete:

      »Nur ein Bischen zeichnen.«

      »So! Was zeichnet Ihr denn?«

      »Köpfe nach dem Leben und nach der Phantasie.«

      »Nun, ich bin Künstlerin, nämlich Dichterin, Componistin, Malerin und Bildhauerin; auch mime ich. Ich werde sehen, was Ihr leistet. Da habt Ihr Bleistift und Papier. Zeichnet mir einmal einen Kopf.«

      Er zog das Blatt zu sich heran und griff zum Bleistift. Fast in demselben Augenblick gab er Beides wieder zurück. Es war, als habe er nur einen Strich gemacht, so schnell war er fertig. Sie ergriff das Blatt, warf einen Blick darauf, ließ es sinken und starrte den Fremden sprachlos an. Erst nach einer langen, langen Weile kam es mühsam über ihre Lippen:

      »Mein Gott! Das ist Er – Er – Er, so, wie er vor mir stand, als er mich in die Geheimnisse des Dalai Lama und des Melonenpflanzens einweihte. Ja, das ist er, wie er leibt und lebt. Das ist seine Stirn, seine Nase, sein edles Profil. Er ist so gut, so genau getroffen, daß er sprechen könnte, wenn er wollte. Sagt einmal, Sennor, ist diese Zeichnung ein Phantasiestück oder nicht?«

      »Nein. Die Phantasie hat mir nicht den Stift geführt. Ich habe nach dem Leben gezeichnet.«

      »Nach dem Leben! Also doch! Ihr kennt ihn?«

      »Ich habe das Original dieses Portraits gesehen.«

      »Mein Gott, welch ein Zufall! Endlich, endlich werde ich Etwas von ihm zu hören bekommen!«

      »Macht Euch keine allzu großen Hoffnungen, Sennorita. Ich habe ihn gesehen; weiter aber kann ich doch auch nichts von ihm sagen.«

      »Aber seinen Namen kennt Ihr?«

      »Ja.«

      »Er heißt Heulmeier?«

      »Nein.«

      »Nicht? So wäre er es nicht? So wäre es nur ein wunderbares Naturspiel, eine außerordentliche Aehnlichkeit!«

      »Vielleicht ist er es dennoch.«

      »Aber wenn er anders heißt!«

      Der junge Mann schien nicht ganz genau zu wissen, wie er antworten

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