Emotional gesund leiten. Peter Scazzero

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Emotional gesund leiten - Peter  Scazzero

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kleinen Vorort auf. Wir lebten zwar nur ein paar Minuten entfernt von einer der kulturell vielseitigsten Städte der Welt, aber das Leben, das wir führten, war klar begrenzt – ethnisch, sozial und auch geistlich. Ich kann mich noch an einen Kommentar meines Vaters erinnern, als ich etwa zehn war: Als Katholiken seien wir die Minderheit in einer Stadt, in der sonst mehrheitlich weiße, protestantische Amerikaner mit angelsächsischem Hintergrund lebten. Ich war verwirrt. Alle unsere Freunde waren doch katholisch und die meisten von ihnen Italiener. Konnte man überhaupt etwas anderes sein?

      Mein Vater war ein treuer Kirchgänger; meine Mutter gar nicht. Sie hielt es eher mit Wahrsagern, Tarotkarten und noch ein paar anderen abergläubischen Praktiken, die in ihrer italienischen Familie seit Generationen weitergegeben wurden. Wenn wir krank waren, rief meine Mutter zum Beispiel als Erstes die Dicke Josie. Josie war ein „Medium“. Sie sprach ein paar „Gebete“, um festzustellen, ob wir den „Blick“ hatten, jenes unsichtbare Anzeichen dafür, dass uns jemand mit einem Fluch belegt hatte. Dann gab sie Anweisungen, wie das „Unglück“ abzuwenden sei.

      Auch wenn mir das damals nicht bewusst war, nahm meine frühe Prägung doch Einfluss auf meinen eigenen spirituellen Weg. Mit sechzehn hatte ich der Kirche den Rücken gekehrt und war überzeugter Agnostiker.

      Vier Bekehrungen

      Man kann sagen, dass ich vier Bekehrungen erlebt habe, und jedes Mal bekam mein Leben dadurch eine vollkommen neue Richtung.

      Bekehrung 1: Vom Agnostiker zum engagierten Christen

      Meine Teenagerzeit verbrachte ich wie die meisten meiner Freunde damit, nach so etwas wie vollkommener Liebe zu suchen. Allerdings suchte ich an den komplett falschen Orten. Das änderte sich, als ein Freund auf dem College mich zu einem Konzert in einer kleinen Pfingstgemeinde einlud. Dem Konzert folgte ein Aufruf zur Lebensübergabe an Christus. Wenn ich diese Geschichte erzähle, sage ich immer: „Gott hat meine Hand gehoben, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen.“ Angefühlt hat es sich jedenfalls so. Nach dem Aufruf schoss ich von meinem Platz hoch und stürmte nach vorn, beide Arme erhoben und mit einem Lobpreislied auf den Lippen. Ich kannte zwar nicht den Unterschied zwischen Altem und Neuem Testament, aber ich wusste eins: Ich war blind gewesen und jetzt konnte ich sehen. Ich wusste auch ohne den geringsten Zweifel, dass Gott mich verändert hatte und dass seine Liebe mir galt. Neun Monate später war ich Leiter einer christlichen Studentengruppe. Eifrig gab ich Woche für Woche weiter, was ich selbst in eben der Woche gerade erst gelernt hatte.

      Das war im Jahr 1976.

      Ich war so dankbar für Jesus, der aus Liebe zu mir Mensch geworden und gestorben war, dass ich nicht anders konnte, als diese Botschaft an jeden weiterzugeben, der bereit war, mir zuzuhören. Auch an meine Familie. Besonders mit meinem Vater führte ich lange Gespräche über Glaubensfragen. Ich versuchte, ihn zu Christus zu führen, aber er blieb skeptisch.

      „Pete, wenn das wahr ist, was du da von deinem Glauben und von Jesus erzählst“, sagte er, „wie kommt es dann, dass ich noch nie etwas von dieser ,persönlichen Beziehung‘ gehört habe, von der du redest?“

      Aus seinem Gesichtsausdruck sprach Ärger, aber auch eine unbestimmte Trauer. „Wo sind denn all diese überzeugten Christen, von denen du erzählst? Wieso habe ich in sechsundfünfzig Jahren noch nie einen getroffen?“

      Ich sagte nichts, doch ich kannte die Antwort. Die meisten Christen, vor allem die aus evangelikalen Familien, hatten mit unserer italo-amerikanischen Welt nichts zu tun. Tatsächlich fand mein Vater später zum lebendigen Glauben an Christus, aber dieses Gespräch habe ich nie vergessen. Es hat in mir ein Feuer entfacht: Ich wollte diese Kluft überbrücken. Ich wollte das Evangelium an jeden weitergeben, der es hören wollte.

      Ich wuchs weiter in meine Rolle als christlicher Leiter hinein, als ich als eine Art Reisesekretär bei einer überregionalen Studentenmissionsarbeit angestellt wurde, der Intervarsity Christian Fellowship. In dieser Aufgabe besuchte ich Studentengruppen, predigte, lehrte und unterstützte sie in ihren missionarischen Aktivitäten. In den drei Jahren, die ich dort war, habe ich es häufig erlebt, dass die Begegnung mit Christus Menschen radikal verändert hat. Aus diesen Erfahrungen erwuchsen in mir zwei Fragen: Gab es diesen Reichtum des Glaubens und die sichtbare Lebensveränderung nur unter Studenten? Konnten Veränderung und lebendiges Engagement nicht auch eine ganze Gemeinde ergreifen und prägen? Es würde doch sicher der Ehre Gottes dienen, wenn das geschah.

      So war es folgerichtig, dass ich ein Studium begann, das mich für eine leitende Funktion in einer christlichen Gemeinde qualifizieren sollte. Während des Studiums heirateten Geri und ich; Geri war ebenfalls für Intervarsity Christian Fellowship tätig gewesen und wir kannten uns seit acht Jahren. Kurz nach dem Studienabschluss gingen wir für ein Jahr nach Costa Rica, um Spanisch zu lernen. Was mich antrieb, war meine Vision: Ich wollte in New York eine Gemeinde gründen, in der es keine trennenden Grenzen geben sollte – weder durch Rasse, kulturellen Hintergrund, finanzielle Verhältnisse noch Geschlecht.

      Im September 1987 war es so weit. Fünfundvierzig Leute besuchten den Gründungsgottesdienst der New Life Fellowship Church. In den ersten Jahren nach der Gründung erlebten wir das spürbare Wirken Gottes. Die Gemeinde wuchs rasch auf 160 Mitglieder an. Nach drei Jahren gründeten wir einen spanischsprachigen Gemeindezweig. Am Ende des sechsten Jahres hatten wir 400 Gottesdienstbesucher in New Life und 250 beim spanischen Gottesdienst.

      Für einen jungen Pastor wie mich waren das bereichernde und begeisternde Jahre. Menschen kamen zum Glauben. Wir engagierten uns vielfältig und einfallsreich für die Armen. Wir schulten Menschen zu Gruppenleitern, zahlreiche Kleingruppen entstanden, wir betrieben eine Suppenküche für Obdachlose und halfen bei anderen Gemeindegründungen. Aber unter der Oberfläche standen die Dinge nicht zum Besten. Und das galt ganz besonders für mein eigenes Leben.

      Bekehrung 2: Von emotionaler Blindheit zu emotionaler Gesundheit

      Meine Seele war dabei zu verkümmern. Es gab immer zu viel zu tun und zu wenig Zeit dafür. Das Leben in unserer Gemeinde begeisterte mich noch immer, aber meine Führungsaufgabe machte mir keine Freude mehr. Es kam mir vor, als ob ich nur noch endlose, mühselige und undankbare Aufgaben abhakte. Nach der Arbeit hatte ich kaum noch Energie übrig, um mich um unsere Töchter zu kümmern oder den Abend mit Geri zu genießen. Um ehrlich zu sein: Ich träumte vom Ruhestand. Mit Mitte dreißig! In mir kam die Frage hoch: Muss ich wirklich unglücklich sein und ständig unter Druck stehen, damit andere im Glauben wachsen und Freude an Gott erleben können? So war jedenfalls meine Gefühlslage.

      Ich hatte mit Neid und Eifersucht zu kämpfen, die Kollegen aus anderen Gemeinden galten. Sie hatten mehr Mitglieder, schönere Gebäude, nicht so viele Schwierigkeiten. Ich wollte nicht zum Workaholic werden, wie mein Vater es gewesen war und viele Pastoren, die ich kannte. Ich wollte wieder etwas vom Frieden des Glaubens erleben; ich wollte meinen Dienst tun, aber mit der Gelassenheit und Ruhe, die ich bei Jesus sah. Die Frage war nur: Wie?

      Die Talsohle war erreicht, als sich unsere spanischsprachige Gemeinde 1994 abspaltete. Der Schock, den ich damals erlebte, steckt mir noch heute in den Knochen: Als ich den Gottesdienstraum betrat, fehlten zweihundert bekannte Gesichter. Ganze fünfzig waren geblieben. Alle anderen hatten eine neue Gemeinde gegründet. Menschen, die ich zum Glauben geführt hatte, um die ich mich als Pastor jahrelang gekümmert hatte, waren einfach gegangen, die meisten ohne ein einziges Wort.

      Ich gab mir die Schuld für alles, was zu dieser Spaltung geführt hatte. Ich bemühte mich, dem Beispiel Jesu zu folgen (oder dem, was ich dafür hielt): Ich schwieg zu Vorwürfen, ich blieb stumm wie ein Lamm an der Schlachtbank (Jes 53,7). Ich dachte oft: Nimm’s, wie es ist, Pete. Das würde Jesus auch tun. Aber in mir tobten widersprüchliche und unbearbeitete Gefühle. Ich war tief verletzt und sehr wütend – vor allem auf den zweiten Pfarrer, der maßgeblich auf die Spaltung hingearbeitet hatte. Psalmworte sprachen mir

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