Karin Bucha Staffel 4 – Liebesroman. Karin Bucha
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Doch sie erreicht damit nur das Gegenteil. Da Charlotte heute sehr bedrückt und niedergeschlagen war, muß ihre jetzige Lebhaftigkeit auffallen. Ihre Augen glänzen fiebrig, ihre Hände lösen und verschlingen sich in nervösem Spiel, ihre Wangen brennen, und ihre Lippen glühen dunkelrot. Etwas Starres, Fremdes liegt in ihrem Wesen.
»Soll ich dir nicht lieber morgen den Arzt schicken?« fragt Bernd.
»Einen Arzt? – Aber Bernd, bei einem bißchen Kopfweh holt man doch nicht gleich den Arzt!« wehrt sie lächelnd ab.
Nachdem ein paar Tage vergangen sind und Charlotte wieder in alter Weise ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter nachkommt, mildert sich die Sorge ihrer Angehörigen.
*
Eine drückende Hitze lastet über dem Park des Sanatoriums zu Dörflingen. Die Kranken verlassen ihre Ruheplätzchen im Freien und suchen vor der Schwüle Zuflucht in den kühlen Aufenthaltsräumen.
Auch Maria Imhoff fühlt sich durch die große Hitze bedrückt. »Wollen wir nicht lieber ins Haus gehen?« fragt sie in kindlich bittendem Tone Schwester Johanna.
Die Pflegerin faßt liebevoll ihren Schützling unter und begleitet Maria auf ihr Zimmer. Die junge Frau meidet die anderen Kranken auffallend. Überhaupt duldet sie nur Schwester Johanna und den Professor um sich und zeigt für ihre sonstige Umgebung nicht das geringste Interesse.
Maria ist nach wie vor die schöne, sanfte Kranke, die sich willig von der Schwester leiten läßt. Nie murrt sie oder tut etwas, das aus dem Rahmen ihrer sonstigen Gewohnheit fiele. Auch an ihr sind die letzten Jahre spurlos vorübergegangen. Sie wirkt mit ihrer schlanken, biegsamen Gestalt und dem glänzenden dunklen Haar wie ein junges Mädchen.
Heute geht Maria Imhoff aufgeregt, hastig durch ihr geräumiges Zimmer, nimmt ab und zu einen Gegenstand auf, betrachtet ihn mit gerunzelter Stirn, lauscht angestrengt zum Fenster hin – und legt ihn dann an falscher Stelle wieder hin.
Schwester Johanna hat sich am offenen Fenster niedergelassen und beobachtet schweigend das Tun der Kranken. »Was macht Monika denn?« fragt sie unvermindert.
Sonst ist das für Maria Imhoff ein Gesprächsstoff, der schier unerschöpflich scheint.
»Monika?« fragt sie zurück, langsam gedehnt, als grüble sie über die Bedeutung des Wortes nach. Dann hebt sie die Schultern und setzt sich in die Ecke auf den Boden.
Ihre großen Augen sind unverwandt auf das Fenster gerichtet. Schwarze Wolken treiben von den Bergen her auf das Sanatorium zu und hüllen bald den ganzen Himmel in tiefes Dunkel.
»Es gibt ein Gewitter!« sagt Schwester Johanna.
Maria Imhoff drängt sich plötzlich an ihre Beschützerin, die Augen irren mit einem Ausdruck umher, der Schwester Johanna immer aufmerksamer werden läßt.
»Gewitter!« wiederholt die Kranke und erschauert. Sie läßt sich zu Füßen der Schwester nieder und legt das Gesicht in die Hände. So sitzt sie lange, regungslos.
Da zerreißt jäh das Dunkel, das Zimmer ist sekundenlang hell erleuchtet, und dann folgt ein dumpfes Grollen.
Erschrocken, ängstlich drängt Maria Imhoff sich enger an die Schwester. Ihre Augen versuchen das Dunkel zu durchbohren, sie zittert und klammert sich wie hilfesuchend an Schwester Johanna.
»Ich – ich fürchte mich!« raunt die Kranke. Ihr Gesicht ist bleich. Die Augen brennen wie zwei Lichter in ihrem lieblichen Gesicht.
Blitz auf Blitz zuckt über den Himmel hin, und das Rollen wird immer stärker, kommt immer näher.
Maria Imhoffs Angst wandelt sich plötzlich in Entsetzen, sie zittert am ganzen Körper.
»Frau Imhoff!« ruft Schwester Johanna mahnend die Kranke an.
Jedesmal, wenn die Erde unter dem dröhnenden Donner zittert, fährt Maria mit einem Entsetzenslaut in die Höhe, um sofort wieder in sich zusammenzusinken.
Da Schwester Johannas Zuspruch nichts fruchtet, führt sie schließlich die Kranke zu ihrem Bett und gibt ihr ein Pulver ein, das beruhigend wirkt.
Doch zum ersten Male weigert Maria sich, es zu nehmen. »Nein, ich will nicht!«
Ein Weilchen bleibt sie auf ihrem Bett liegen. Aber schon bald steht sie abermals neben der Schwester, so daß diese nicht mehr weiß, wie sie die Kranke beruhigen soll. Sie zieht einen Stuhl neben sich, nötigt Maria Imhoff, Platz zu nehmen, und ergreift die Hand der Kranken. Sie sitzen schweigend da und beobachten das schaurige Naturspiel, das die junge Frau in einen Zustand hellster Verzweiflung versetzt.
Schwester Johanna schaltet das Licht ein, Maria Imhoff wird etwas ruhiger, obwohl noch immer großes Entsetzen in ihren dunklen Augen steht.
Draußen tobt das Wetter unaufhörlich weiter. Blitz auf Blitz und Schlag auf Schlag folgen einander.
»Ein so schlimmes Gewitter haben wir seit langem nicht mehr gehabt«, meint die Pflegerin.
Da steckt Schwester Margarethe den Kopf zur Tür herein. »Was sagen Sie zu diesem furchtbaren Gewitter?« fragt sie leise, damit die Kranke es nicht hören soll.
Schwester Johanna huscht zur Tür. »Frau Imhoff ist schon seit Beginn des Gewitters nicht zu besänftigen, sie hat sich sogar geweigert, ihr Pulver zu nehmen. Ich weiß mir bald keinen Rat mehr. Dabei dauert mich das arme Geschöpf, es ist vollkommen aufgelöst.«
Interessiert tritt Schwester Margarethe näher, beobachtet mit gespannter Miene die Kranke und schüttelt den Kopf. »Merkwürdig. – Ich gehe zu Professor Holzner und werde ihm Bescheid sagen. Sie dürfen die Kranke keinen Augenblick allein lassen«, sagt sie noch. Darauf verläßt sie wieder das Zimmer.
Schwester Johanna nimmt erneut den Platz neben Maria Imhoff ein. Lange hat die Kranke jedoch keine Ruhe. Es treibt sie rastlos umher. Sie preßt die feinen, schmalen Hände gegen die Schläfen und stöhnt gequält auf.
»Was ist mit Ihnen? Haben Sie Kopfschmerzen?«
Schwester Johanna ist liebevoll um sie besorgt. Doch Maria Imhoff schüttelt beharrlich den Kopf, als sei sie ungehalten, daß man sie bedrängt. Es ist, als lausche sie auf irgend etwas, das sie sich nicht zu deuten weiß. Dann steht sie wieder am Fenster, preßt die heiße Stirn gegen das Glas, öffnet die Augen und starrt in das Toben da draußen.
»Legen Sie sich bitte nieder.« Schwester Johanna versucht, die Kranke sanft vom Fenster fortzuziehen. Aber Maria schiebt ihre Hand unwillig von sich. »Lassen Sie mich!«
Da setzt ein Krachen ein, langanhaltend, ohrenbetäubend – und dann ist es plötzlich völlig dunkel im Zimmer.
Schwester Johanna fliegt förmlich durch das Zimmer, erreicht den Schrank, reißt die Tür auf und sucht fieberhaft nach etwas. »Es hat in die Lichtleitung eingeschlagen!« ruft sie.
Schon hat sie eine Kerze in der Hand, brennt sie rasch an. Das unruhig flackernde Licht wirft merkwürdige Schatten an die Wand.
»Eingeschlagen?«