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öffnete Herr Mildau einen zierlichen Schrank, nahm ein unbeschriebenes, aber zugeklebtes Kuvert heraus, und selbes in der Hand wiegend, sagte er: »Ich hatte schon die Absicht, an Sie zu schreiben, aber Sie wissen, ein Geschäftsmann – Ich möchte daher jetzt die Gelegenheit benützen, Sie zu bitten, diese Kleinigkeit gefälligst von mir zu übernehmen –« Gabriels peinliches Erröten bemerkend, setzte er sofort bei: »und sie nach eigenem Gutdünken an die Ortsarmen von Karnstein zu verteilen.«

      Gabriel atmete auf, und mit dem Ausdruck warmen Dankes übernahm er den Brief. Dann lud ihn der Kaufmann in seiner leutseligen Höflichkeit ein, das Haus recht bald wieder und recht oft mit seinen herzlich willkommenen Besuchen zu beehren und sich in demselben heimisch zu fühlen.

      Mit heiter-zutraulichen Worten und kräftigem Händeschütteln wurde er entlassen.

      Als Gabriel durch den Salon schritt, stand Anna noch da.

      Sie hielt eine Hand hinter dem Rücken, senkte ein wenig das Köpfchen und richtete ihr Auge prüfend, zagend, bittend auf den Fortgehenden.

      Er sagte ihr ein warmherziges Wort und war zugleich froh, eine Gelegenheit zu finden, seinen Lodenrock zu entschuldigen.

      Das Mädchen beachtete die Entschuldigung gar nicht, es hatte ein Anliegen, »eine sehr große Bitte: ob er nicht wollte seinen Namen auf das Titelblatt der Waldlieder schreiben«. Sie reichte ihm zögernd das Büchel und die hinter dem Rücken gehaltene bereits tintennasse Feder.

      »Ja, aber gerade auf dem Titelblatte steht er schon!« neckte Gabriel.

      »Eh!« machte das Mädchen, »den mag ich nicht, den hat der Schriftsetzer hergetan, und den hat jeder, der das Buch besitzt. – Ich –« setzte sie schelmisch bei, »ich möchte was Besonderes haben.«

      Er nahm sanft die Feder aus ihrer Hand und schrieb ins weiße Blatt des Buches die Worte: »Dem verehrten Fräulein Anna Mildau, der wackeren Wallerin in die Einöde, zur freundlichen Erinnerung an den Verfasser Gabriel Stammer.«

      Errötend drückte sie ihm mit einem leisen Worte den Dank aus. Sie hielten sich an der Hand. Sie nahmen nicht Abschied, und sie sagten kein Wort vom Wiedersehen.

      Im Vorsaale kam der alte Ferdinand auf ihn zugerannt. »Sie glauben es nicht,« flüsterte er vertrauensselig, »die Not, die wir mit dem Kinde haben! 's ist nicht mehr unsere Anna, 's ist eine andere, seitdem wir von Karnstein zurück sind. Ich will's nicht verantworten, Sie heute ins Haus gelockt zu haben. Nun in Gottes Namen Sie einmal da waren, so kommen Sie nur oft...«

      Er hastete davon. Gabriel stieg sinnend den Treppenteppich nieder. Ein Diener öffnete ihm den Ausgang.

      Bei Mildau an der Tafel

       Inhaltsverzeichnis

      Das war der erste Besuch gewesen im Hause des Kaufmanns Mildau.

      Nicht lange, so folgte ihm ein zweiter, und zwar im schwarzen Rock und zur üblichen Empfangsstunde. Anna war wie das erstemal, ruhig und schlicht – und fast schwesterlich traut.

      Mildau lud den Studenten – als solcher wollte Gabriel angesehen sein – zu einer bevorstehenden Festlichkeit ein. Mildau verstand zu leben; gern gesellte er die Pracht und die Schönheit, das Bequeme und das Heitere, ohne der Üppigkeit zu huldigen.

      Diesmal wurde ein häusliches Fest vorbereitet, ein Fest jedoch mit besonderem Glanz, denn es war die Feier des dreißigjährigen Bestehens der Firma.

      Der Tag war da. Die Herren erschienen im Frack, die Damen mit Schleppen und in strahlendem Schmucke. Anna hatte ein lichtblaues Kleid an und trug keine andere Zier als ein blaßrotes Röslein im Haar und am Halse das goldene Kreuz von der Großmutter. – Die Mutter ihres Vaters war eine einfache Frau gewesen, die sich durch Handarbeiten ernährt hatte. In den Jahren, da ihr Sohn in der Fremde war, darbte sie, denn ihre größte Freude bestand darin, alljährlich zum Weihnachtsfeste die zwölf ärmsten Kinder ihres Ortes mit Leinwand zu beschenken. Sie war deshalb von der dankbaren Mitwelt die »leinerne Plona« genannt. Eines Tages aber wurde die mildtätige Frau durch einen Abgesandten des Statthalters mit einem goldenen Kreuz geschmückt. Und dieses Andenken war auf die Enkelin überkommen, die es hoch in Ehren hielt und – sonst allen goldenen Schmucksachen feind – sich von dem Kleinod nicht trennen konnte.

      Eine der Ehrenstellen bei dem Feste nahm – wenn auch scharf dazu genötigt – der alte Ferdinand ein. Man sah es dem guten Alten wohl an, wie unbehaglich schwül ihm in der Festkrawatte war. Auch hatte man ihn bei dem Mahle so von seinem Liebling getrennt, daß der Bürgermeister und die Hausfrau zwischen ihm und Annen saß.

      Nächstan saß der Hofrat v. Mandling. Der sagte gern jedem, den er über Gläser und Teller und Blumenvasen erreichen konnte, eine nette Artigkeit. So bemerkte er dem Alten, daß ihn der Name Küßdenker sehr anmute, der sei so minnenhaft und ehrwürdig zugleich.

      »Das ist er erst mit dem kaiserlichen Willen geworden,« versetzte Ferdinand, »meine Urgroßvaterleute haben noch Küßdenkerl geheißen – Küss' den Kerl! Ich bitte! Da ist mein Großvater selig zum Kaiser gegangen und hat einen Fußfall getan, daß doch um Gottes willen das I aus unserem Familiennamen weggenommen werde. Der Kaiser hat nachforschen lassen, ob's ein ehrlicher Mann, und weil dies wohl der Fall gewesen, so hat er entschieden: Gleichwohl ein ehrlicher Mann unter jedem Wortlaute achtbar sei, habe er nichts gegen die Streichung des letzten Buchstabens. Sehen Sie, und so ist aus dem Kerl ein Denker geworden.«

      Die Sache erregte Heiterkeit.

      Als die Lichter angezündet waren und die Flaschen mit den silbernen Köpfen aufmarschierten, wollte sich Ferdinand davonstehlen. Frau Wildau erhaschte ihn noch rechtzeitig am Rockzipfel und hielt ihn fest.

      Die mattgeschliffenen Tulpengläser wurden gefüllt, eisige Schaumwellen stossen über die Ränder. Da erhob sich Herr Mildau und begann zu sprechen:

      »Meine lieben Tischgenossen!

      Seltsam mag es erscheinen, wenn der Hausherr zu Ehren des eigenen Hauses ein Fest gibt. Daß mir aber die Anmaßung verziehen ist, beweist mir die Vollzahl meiner lieben Gäste, trotzdem die Geschichte dieses Hauses vielen nicht zur Genüge bekannt sein dürfte. Denen bin ich bei der heutigen Gelegenheit verpflichtet, über diese anmutige Historie Unterricht zu erteilen.« Nach einer kleinen Pause, da sich aller Ohren in Bereitschaft gestellt hatten, fuhr Mildau fort:

      »Die Geschichte des Hauses Wildau beginnt auf der Reichenberger Straße in Böhmen, etliche Stunden vor dem Orte Gitschitz. Dort war es vor fünfunddreißig Jahren, daß ein lustiger Tuchmachergeselle des Weges zog. Er soll – heißt es – gerade ein Vagabundenlied gesungen haben, als er an einem Schotterhaufen einen Mann liegen sah. Der war nicht so lustig als der andere, der konnte nicht weiter, er war krank. Wo fehlt's, Freund? rief ihm der Tuchmacher zu. Wo's fehlt! antwortete der andere und schlägt mit der Hand an seine Füße, an seine Brust, an seine Taschen; da und da und da – und überall. Ich komme weit her von Prag, erzählt er treuherzig, meines Zeichens bin ich ein Schuster. In Gitschitz bin ich daheim. Dort liegt – so steht's im Brief, den ich in der Tasche hab' – meine Mutter auf den Tod krank. Ich will eilends hin und bin schon tagelang auf der Wander. Meine Füße sind wund, bin zum Sterben matt und kann nicht weiter. – Möcht' sie wohl noch einmal sehen! Dort haspelt der Häutewagen noch, dort. Ich hab' ihn gebeten, er möchte mich mitnehmen. Was zahlst? Ja, zahlen kann ich nichts. Da haut er in die Pferde drein und fährt davon. So muß ich – zwei Stunden vom Haus und von der sterbenden

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