Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 127
Ein scheinbar wildernder Park voll junger Bäume, der Schachen genannt, deckte gegen Mitternacht hin den Bau, während gegen Abend und Mittag die Fruchtbeete trieben und gegen Aufgang des Tages die Blumengärten prangten. Dort stand auch das Glashaus und der figurenreiche Brunnentempel, in welchem ein dreifacher Quell sprudelte. Der eine Strahl floß aus dem Schlangenrachen des Äskulap, der zweite aus dem Horn der Fortuna, der dritte sprang aus einer bemoosten Felsenspalte, gemahnend an die Ursprünglichkeit und Natürlichkeit, die Labe, die nimmer fehlen darf, wo Gesundheit und Glück den Waller erfreuen.
Hinter dem Schachen duckten sich – als bangten sie ein wenig vor dem Auge des Poeten – ein paar Wirtschaftsgebäude, in denen der alte Ferdinand vielbeschäftigt aus und ein ging. Der Alte hatte zwei Tage lang keinen Bissen genossen, als er gehört, daß man ihn von seinem Annchen trennen wolle; und Anna hatte ein heimliches Tränchen vergossen, als sie hörte, den guten, betagten Mann dürfe man nicht mehr aus seiner gewohnten Bequemlichkeit in die rauhe Landluft ziehen: doch schlichtete sich die Sache, und Ferdinand ging mit dem Paare und sollte der Hauswart sein.
Von Karnstein her führte ein mählicher, gut gebauter und mit einem lebendigen Zaune besäumter Weg, mündend in den ebenen Platz vor dem Hause, der mit weißem Sande bedeckt war.
Das Innere des Baues bot alles Gute und Schöne eines Herrenhauses, von dem Marmorbecken des Badezimmers an bis zu den Meisterwerken im Ahnensaal. Die Ahnenbilder des Poeten waren Meisterwerke. Moses und Homer, Walther von der Vogelweide und Klopstock und Goethe und Schiller und Grillparzer und Stifter und wie sie heißen mögen alle, die der Poet von heute Ahnen nennen muß, weil er von ihnen stammt und bewußt oder unbewußt auf ihren Pfaden schreitet. Gabriel konnte es nimmer leugnen, daß die Bücher Mosis in der alten Bibel seines Vaterhauses ihn das Singen und das Sagen gelehrt. – Die Gemälde des Saales waren so beschaffen, daß sie nicht allem die großen Dichter, sondern in deren Umgebung auch die Zeit, in der sie gelebt hatten, darstellten; die Bilder hatten demnach zweifach kulturhistorische Bedeutung.
Ferner unterschied sich das neue Haus bei Karnstein von anderen Herrenhäusern durch eine reiche und gewählte Büchersammlung, die, abgesehen von allem geistigen Wert, in ihren geschmackvollen Einbänden selbst für das Auge wohlgefälliger war, als die prachtvollsten Möbelstücke es sein können.
Die Wohngemächer, das Spiel- und Musikstübchen, das Arbeitszimmer des Poeten sollen näher nicht beschrieben werden; überall war die Anmut mit der Bequemlichkeit gepaart, und zu all dem Reichtum und zu all den Meisterwerken aus Menschenhänden leuchtete die ewige Pracht der Alpennatur zu den Fenstern herein.
»Für einen Poeten ist das zuviel!« rief Gabriel aus.
»Für einen Poeten ist dieses Haus zu unbedeutend, solltest du vielmehr sagen,« versetzte Mildau, »ich wünsche, daß es sich hier annähernd so gut wohnen lassen möge, wie es der Dichter als Kenner der Schönheit wohl ersinnen und beanspruchen mag. Das Beste an dem neuen Hause ist, daß es in einer so schönen Gegend steht. – Gabriel, bleibe der freie Waldvogel! Hier steht dein Bauer mit dem Weibchen – fliege nach Belieben aus und ein.«
Da versetzte Gabriel heiter: »Ich habe als Knabe einen Finken gehabt, der sang in seinem schlechten Bauer nur, wenn er hungerte.«
Mildau verstand. »Du aber, mein Schwieger,« sagte er, »wirst das Singen nicht lassen, denn du wirst niemals übersättigt und blasiert sein. Und wenn ich dir und deinem Weibe alle Wünsche erfüllen könnte, die auf Erden erfüllbar sind, so würdet ihr immer noch nach weiterem streben, hungern und – singen, nicht wahr? Wir sind einmal so, nur daß mancher seinen Hunger klagt, anstatt ihn zu singen. Und gut ist's, daß wir unersättlich sind, sonst blieben wir und die Welt mit uns stehen auf einem Fleck.«
Ein schönes Haus, Gesundheit, Jugend und ein liebes Weib – ein Narr, der mehr verlangt!
Gabriel verlangte mehr, und siehe, der Erfüllung nahte sein Wunsch, noch ehe derselbe recht laut wurde.
Ein erstes Anzeichen war eine regere Empfindsamkeit Annens. Eines Tages, als Gabriel aus seiner Arbeitsstube trat, sagte Anna, die mit etwas gerötetem Antlitz an ihrem Nähtischchen saß – anschicksam und emsig lag sie stets den schlichten häuslichen Beschäftigungen ob –, »ach,« sagte sie, »kommst gerade recht, Gabriel, jetzt mußt du mir einen tüchtigen Verweis geben. Das ist häßlich von mir gewesen.«
»Was denn?« fragte der Gatte.
»Mag's gar nicht sagen,« antwortete sie unmutig, wie er sie noch kaum gesehen hatte, »du wirst mich noch fortschicken.«
»Na, na, na!«
»Zornig bin ich dir plötzlich geworben – den ganzen Seidenstoff hätte ich mögen mitten auseinanderreißen. Und das, weil – zank' mich aber aus! – zornig, weil sich dieser Faden ein wenig verschlungen hat.«
Sie lachte jetzt, und er lachte mit ihr, und sie sagte, wenn das Laster noch einmal auftauche, so peitsche sie sich selber aus der Haut.
Gabriel küßte das junge Weib für eine solche Beichte, dachte insgeheim aber beschämt daran, wie oft er der Leidenschaft des Zornes schon unterlegen war, ohne sich deshalb auch nur ein einzigmal zu peitschen.
Mildau hatte im neuen Hause noch besonders zwei lichte Zimmer einrichten und in einem derselben einen Großvaterstuhl aufstellen lassen.
Und nun hielt Gabriel Stammer das stattliche Heim für wert genug, es den Annenhof zu heißen.
Um diese Zeit sang er das Lied »von den sechs Brettern«:
Sechs Bretter, die muß ich nun haben,
Doch laß ich mich noch nicht begraben,
Sechs Bretter zur Wiege ...
Arm in Arm mit Gott
Wenn Sonntag war, da standen gern Leute, die aus der Einöde niedergekommen waren, vor dem Hause und staunten die Herrlichkeit an und konnten sich nicht genug verwundern über das Glück, welches Heidepeters Gabriel gemacht. Und Gabriel war mit ihnen freundlich, setzte ihnen Labungen vor und hatte längst vergessen, wie sehr die Einödleute einst sein und der Seinen Leben verbittert. Wie sie ihm einst das Böse gegönnt, so gönnten sie ihm jetzt das Gute.
Für den alten Heidepeter war in dem neuen Hause eine freundliche Wohnung eingerichtet worden. Der Peter freute sich, bedankte sich unzähligemal bei Mildau und bei seiner neuen Tochter, blieb darauf auch wirklich einen Tag und eine Nacht in der guten Wohnung – dann aber hinkte er schnaufend wieder zurück gegen das alte hinfällige Haus auf der Heide.
Doch kam der Greis oftmals wieder hervor und klopfte sein den Staub von den Schuhen vor den Stufen des Einganges und klopfte höflich an die Eichentür und drückte schüchtern an der Stahlklinke und trat ein, zu schauen ein Glück, desgleichen er all sein Lebtag in den weiten Wäldern nicht gesehen. Da nahm ihn Anna wohl gern zu ihrer rechten Seite und legte ihren Arm in den seinen, und schritt langsam mit ihm die Gemächer auf und ab und fragte nach seinen Leiden und Freuden.
»Ja, die Freuden«, meinte der Alte fast schämig, »wären jetzt wohl da –« und er deutete mit dem Haupte ein wenig gegen das junge, blühende, neue Glückseligkeit erhoffende Weib.
Der Hauswart, Ferdinand Küßdenker mit Namen,