Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 237
»Das Pflaster wollt' uns nit schaden«, witzelte ein anderer, »vielleicht tät's auch dir deine Gicht und Gall' ausziehen, Luschelpeterl.«
»Selb' kunnt eh frei sein, mir wollt's taugen, selb' ist eh wahr«, kicherte der Alte.
»Ist rechtschaffen gut, daß wir schon den Rosenkranz gebetet haben«, sagte eine Magd, »nach so einem Bildl da«, sie deutete auf den Tausender, »wär's mit aller Andacht vorbei.«
»Geht's, geht's«, meinte ein altkluger Bursche, »immer einer kauft sich die Höll' mit so einem Fetzen. Die krieg' ich wohlfeiler, wenn ich sie haben will.«
»Selb' wird eh leicht namla wahr sein«, gab der buckelige Luschelpeterl lachend bei und hockte sich, während die anderen noch aus achtungsvoller Ferne die unerhörte Geldnote betrachteten, in seinen Ofenwinkel.
»Wenn der Mensch gescheit ist«, sagte jetzt eine Magd, »so denke ich, wird er sich wohl auch den Himmel damit kaufen mögen. Nit?«
»Hisch wahr, namla wohl wahr. Den Himmel auf der Welt.« So der Luschelpeterl. »Der andere Himmel – der da oben – der himmlisch' Himmel, der kostet gar nichts, als wie das Leben, hi, hi, wohl gewiß wahr.«
»Da!« schmunzelte nun der Knatschel und hieb mit Wucht, wie der Spieler einen scharfen Trumpf ausspielt, den zweiten Tausendguldenschein auf den Tisch, »da hab' ich noch einen!«
»Sapperment!« sagte der Jakob.
»Gelt!« rief der Knatschel, »gelt, Nachbar, das ist ein gutes Jahr, trutz daß es schneit am Pfingstsonntag!«
»Zwei hat er dir gegeben für dein Haus und Grund!« fragte der Jakob mit leiser Stimme.
»Du kannst drei haben für deines!« sagte der Knatschel. »Besinn' dich nit lang, Nachbar, tu' deine Wasserstiefel an und geh' eilends auf die Sandeben. Beim Fleischhacker sitzt er, der Kampelherr. Seine Geldtaschen hat einen schauderhaften Bauch, kann ich dir sagen. Als Winkelbauer gehst jetzo fort, als gemachter Herr kommst heim.«
»Heim?« fragte der Jakob kopfschüttelnd, »heim? – Wie kann der Mensch sein Haus verkaufen!«
»Knatschelvater!« sprach jetzt einer der Knechte, »geh', steck' dein Fliegenpapier nur wieder ein. Hergibst eh nix davon.«
Des wollte der Knatschel schier verdrießlich sein, daß die zwei Geldnoten, die er nun wieder bedächtig zusammenfaltete und in die Brieftasche schob, kein größeres Aufsehen gemacht hatten. Das Haus wollte in gewohnter Ordnung bleiben, gleichmäßig langsamen Ganges. Da war draußen plötzlich ein Prasseln und Krachen, daß die Holzwände ächzten, finstere Schneestaubwolken wirbelten an den Fenstern vorüber. Die Leute schauten sich an.
Bald jubelte der Wildfang Jackerl mit der Nachricht herein: Von der Linde sei ein großer Ast niedergebrochen und habe die Kapelle niedergeschlagen.
Als der Jakob dieses hörte, sprang er von seiner Bank auf.
»Die Kapelle!« rief der Knatschel, »deine Jakobikapelle da draußen hat's derschlagen? Nachbar, wenn das kein Wink vom Himmel ist!« In die Hände klatschend rief er noch lauter: »Der heilige Sankt Jakob ist hin! Reuthofer, verkauf dein Haus!«
Der Hausvater ging in Hemdärmeln, wie er war, zur Tür hinaus und durch den wogenden Sturm der verstümmelten Linde zu.
In den Lüften tanzten die Flocken und die Schwalben.
Das liebe Altenmoos
Am Vorabend zu Fronleichnam – das war neun Tage nach dem Schneesturm – leuchtete über den Bergen von Altenmoos der helle glühende Sommertag. Die frischgrünen Lärchen, die drüben am Hange in jungen Beständen prangten oder eingesprengt waren in die dämmernden Fichtenwälder, hatten – wer sie näher besah – auf ihren Zweigen purpurrote Kätzchen. Aber auch die Fichtenwälder waren zu solcher Zeit nicht so dämmernd als sonst, die weichen Triebe der Zweige und Wipfel, an denen auch manch rotes Blütenzäpfchen stand, hatten ein helleres Grün über die Wälder gehaucht. Auf den Wiesen, in deren Furchen unter Ampfer- und Lattichblättern klare Wässerlein dahingurgelten, standen in Gruppen Ahorne und Eschen, die erst auszutreiben begannen. An den Feldrainen und Gehöften schimmerte das weiße und rosige Geflocke der blühenden Kirsch- und Wildäpfelbäume, und der Duft von den weißen Blütenzapfen des Traubenkirschenstrauches erfüllte weithin die Luft mit seiner berauschenden Süße. Die Hafer- und Roggenfelder an den Lehnen schauten in ihrem schönen bläulichen Grün auf die Wiesengründe nieder. Dazwischen lagen Weideblößen, auf welchen weiße und scheckige Herden glockten; in eingezäunten Angern Schafe und Ziegen, die zu solcher Stunde schon satt waren und miteinander scherzten oder sich ein wenig faul auf dem Rasen sonnten.
Auf freien Höhungen und in traulichen Talmulden, aber auch an steinigen Lehnen, am Waldrande oder in geschützten Schluchten standen Gehöfte, größere und kleinere, teils von Kirschbäumen, Linden und Eschen schier überwuchert, teils frei mit ihren Bretterdächern wie Taubengefieder in der Sonne schimmernd, teils auch bestanden von einer Gruppe wuchtiger, in Stürmen starr und unbesiegbar gewordener Schirmtannen. An den Häusern kleine Gemüse- und Ziergärtlein, in welchen Reseden dufteten und Pfingstrosen flammten und inzwischen auch – selbst eine Blume, der Blumen pflegend – manch fröhlich Mägdlein. Von einem Gehöfte zum anderen führten Wege, die mit Büschen und Bäumen bestanden waren, über Feldlehnen hin zogen sich die weißen Fäden der Fußsteige, auf welchen jetzt zur Feierabendzeit junge Bursche zu zweien oder auch zu mehreren gesellt, langsam dahingingen und Jodler sangen.
Von dem Hügel aus, auf dem das Haus des Jakob, der Reuthof stand, konnte man in weiter Runde die Gegend übersehen. Man hörte aus der Ferne den Reigen der weidenden Herden und den halb in den Lüften verwehten Hall der Sänger. Man hörte auch aus dem engen Talgrunde herauf das traumhafte immerwährende Rauschen der Sandach. Diese Tiefgründe und dieses rauschende Wasser kamen aus hochgelegenen Wildschluchten, zogen sich hier im weiten Halbrund um den Hügel des Reuthofes, durchschlängelten die Gegend, Altenmoos genannt, um dann stundenlange Enggräben entlangzuziehen und bei dem Pfarrdorfe Sandeben in das Tal der Freising auszumünden. An der Sandach standen Getreidemühlen, an den höher gelegenen Halden duckten sich dort und da die grauen Hütten der Sommerstadeln und der Holzhauer.
Auf dem Hügel des Reuthofes stand man wie mitten in dem weiten felder- und wiesenreichen Bergkessel, und ein wellenliniges, in ferneren Höhen brauendes Waldrund schloß den Gesichtskreis. Wo sich so die Linie zog zwischen Erde und Himmel, da stand hier und dort aus jüngerem Waldwuchs das scharfe Zähnchen eines Tannenbaumes oder eines struppigen Lärchenwipfels in das Firmament auf, gleichsam wie Lanzen, die auf der Hochwacht die stille Berggemeinde Altenmoos einfriedeten. Von dem Dachfenster des Reuthofes aus konnte man eine Felsenspitze sehen, die hinter dem westlichen Höhenzug emporragte – ein Zeichen des nahen Hochgebirges.
Eine Kirche hatte die Gemeinde Altenmoos nicht, sie war eingepfarrt zu Sandeben. Für den Hausgebrauch hatten alle größeren Höfe ihre Kapellen oder Kreuzsäulen, davor die Leute, die nicht zur Pfarrkirche kommen konnten, ihre Andacht zu verrichten pflegten. Mit den Vorgegenden war die Gemeinde Altenmoos durch einen einzigen Fahrweg verbunden, der an den Hängen und Wänden der Sandachschluchten hin angelegt über zahlreiche Stege und Brücklein führte.
Wenn man vom Reuthofe aus der Sandach entlang aufwärts ging, so kam man durch Wald und Geschläge, an welchen manch rauchende Kohlenstätte stand, dann kam man in Haselnuß-