Oliver Twist. Charles Dickens
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Читать онлайн книгу Oliver Twist - Charles Dickens страница 11
»Da hört sich doch alles auf«, rief Mr. Bumble, blieb stehen und runzelte wütend die Augenbrauen. »Von all den undankbarsten verdorbensten Waisenbuben, Oliver, die mir je untergekommen sind, bist du doch der schlimmste.«
»Nein, nein, Sir«, schluchzte Oliver und klammerte sich wieder an die Hand, die den wohlbekannten Stock hielt. »Nein, nein, Sir, ich will ja brav sein, wirklich, ich will es. Ich bin ja noch so klein, Sir, und so – so -«
»Was denn – so?« forschte Mr. Bumble erstaunt.
»So einsam und verlassen, Sir, so schrecklich einsam«, schluchzte der Kleine. »Niemand kann mich leiden. Bitte, seien Sie nicht auch noch böse auf mich.«
Dabei drückte er die Hand aufs Herz und blickte seinem Begleiter ins Gesicht, während Tränen tiefsten Schmerzes seine Augen füllten.
Ein paar Sekunden lang betrachtete Mr. Bumble Olivers hilfeflehendes Gesicht voll Erstaunen, dann hüstelte er ein paarmal verlegen, murmelte ein paar Worte über das dumme Wetter und ermahnte ihn, ein guter Junge zu sein. Dann fasste er ihn wieder bei der Hand und ging schweigend mit ihm weiter.
Der Leichenbestatter hatte eben seinen Laden geschlossen und machte gerade beim Schimmer einer Talgkerze ein paar Eintragungen in sein Kontobuch, als Mr. Bumble eintrat.
»Aha«, rief er und blickte von dem Buche auf. »Sie sind es, Bumble.«
»Jawohl, ich bins«, erwiderte der Kirchspieldiener. »Hier ist er. Ich habe Ihnen den Jungen mitgebracht.«
Oliver machte einen Kratzfuß.
»Also das ist der Junge, was?« fragte der Leichenbestatter und hielt die Kerze in die Höhe, um den Kleinen besser besichtigen zu können. »Liebe Frau, sei einmal so gut und komm einen Augenblick her.«
Mrs. Sowerberry tauchte aus einem kleinen Zimmer hinter dem Laden auf, und auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass sie eine kleine hagere Person mit zänkischem Gesichtsausdruck war.
»Liebe Frau«, begann Mr. Sowerberry betreten, »das ist der Junge aus dem Armenhaus, von dem ich dir erzählt habe.« – Oliver machte abermals einen Kratzfuß.
»Gott im Himmel«, rief die Frau, »ist der aber klein!«
»Freilich, ein wenig klein ist er«, gab Mr. Bumble zu und sah Oliver mit einem strafenden Blick an, als ob dieser die Schuld daran trage, dass er nicht größer geworden sei. – »Klein ist er, das lässt sich nicht bestreiten. Aber er wird schon noch wachsen, Mrs. Sowerberry.«
»Ja, ja, auf unsre Kosten!« zankte die Frau verdrießlich. »Und bei dem, was bei uns auf den Tisch kommt. Ich kenne schon die Armenhauskinder, die fressen immer mehr, als sie wert sind. Aber die Männer wissen natürlich immer alles am besten. Marsch, die Treppe hinunter, du Häufchen Unglück!« Mit diesen Worten öffnete Mrs. Sowerberry eine kleine Tür und drängte Oliver eine steile Treppe hinab in einen feuchten finstern Keller, der den Vorraum zum Kohlenkeller bildete und die Bezeichnung Küche trug. Dort saß ein schlumpiges Dienstmädchen mit Schuhen mit schiefen Absätzen und blauen Strümpfen voll großer Löcher, die offenbar schon seit langem auf Reparatur warteten.
»Hier, Charlotte«, sagte Mrs. Sowerberry, »gib dem Jungen ein paar von den Resten, die für Trip aufgehoben worden sind. Seit morgens streunt das Biest auf der Gasse herum, da soll es sich mal hungrig zu Bett legen. Hoffentlich ist der Bursche da nicht zu heikel. He, Junge, was sagst du dazu?«
Oliver, dessen Augen, als von Essen die Rede war, aufgeleuchtet hatten, zitterte förmlich vor Gier und beteuerte, dass er durchaus nicht heikel sei; und daraufhin wurde ihm eine Schüssel Speisenabfälle vorgesetzt.
Wenn da nur so ein gewisser sattgefressener Theoretiker mit einem Herzen von Stein zugesehen hätte, wie sich Oliver Twist über das Futter hermachte, das für den Hund bestimmt war, und die Gier, mit der er die Bissen auseinanderriss – halbohnmächtig von Hunger. Noch besser, wenn ein solcher Theoretiker selbst einmal gezwungen wäre, sich über eine derartige Sorte Futter herzumachen …
»Na?« fragte die Frau Leichenbestatterin, als Oliver mit allem gründlich aufgeräumt hatte, stumm vor Entsetzen und böser Ahnung, wie das mit dem Appetit des Lehrjungen in Hinkunft weitergehen würde. »Na, bist du jetzt fertig?«
Da nichts Essbares mehr vorhanden war, antwortete Oliver mit »Ja«.
»Also, dann komm mit«, brummte Mrs. Sowerberry, nahm eine trübbrennende schmutzige Lampe und ging ihm die Treppe voraus hinauf. »Da hier unter dem Ladentisch ist ein Bett. Hoffentlich machst du dir nichts daraus in den Särgen zu schlafen, was? Aber mir kanns gleichgültig sein, ob dir’s etwas ausmacht oder nicht. Kurz und gut: hier ist dein Bett. So, jetzt mach dich fertig, ich hab’ keine Lust, die ganze Nacht hier zu stehen.«
Schüchtern und schweigend gehorchte Oliver.
5 – Oliver bekommt einen neuen Horizont und wohnt zum ersten Mal einem Leichenbegängnis bei.
In der Werkstätte des Sargtischlers sich selbst überlassen, setzte Oliver seine Lampe auf eine Werkbank, von Furcht und Grauen durchschauert. Ein fertiger Sarg auf einem schwarzen Gestell mitten im Laden erinnerte ihn so sehr an den Tod, dass ihn ein kalter Schauer überlief, so oft sich sein Blick hinverirrte, und zuweilen kam es ihm so vor, als müsse jeden Augenblick eine entsetzliche Gestalt langsam ihre Hand erheben und ihn aus dem Sarge heraus anstarren, bis er wahnsinnig vor Furcht würde. Die Wand entlang in regelmäßigen Reihen stand eine Menge Bretter aus Ulmenholz, alle ebenfalls zu Särgen bestimmt. Bei dem trüben Licht sahen sie wie hochschultrige Gespenster aus, die die Hände in die Hosentaschen gesteckt hatten. Sargplatten, Holzspäne, langköpfige Nägel und Stücke Trauerflor lagen auf dem Boden umher. Die Wand hinter dem Ladentisch war mit einem Bild geschmückt, das zwei Leichendiener mit steifen Kragen, die vor dem Portal eines Privathauses ihr Amt versahen, darstellte, während ein Leichenwagen, von vier schwarzen Pferden gezogen, aus der Ferne herangefahren kam. Der Laden war eng und heiß und die ganze Luft gesättigt von dem Geruch von Särgen. Der Verschlag unter dem Ladentisch, wo für Oliver eine Wollmatratze ausgebreitet lag, sah aus wie ein Grab.
Oliver