Oliver Twist. Charles Dickens
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»Unter keinen Umständen«, bekräftigte der Herr in der weißen Weste.
»Nein, unter keinen Umständen«, erklärten die übrigen Herren Vorstände.
Mr. Gamfield war sich bewusst, dass er bei Gericht in Verdacht stand, drei oder vier Lehrjungen im Kamin fahrlässigerweise haben ersticken lassen, und kam daher auf die Vermutung, das Vorstandskollegium könne möglicherweise in ganz unbegreiflicher Laune ein Haar in der Suppe gefunden haben. Da er das alberne Gerücht nicht weiter breitgetreten zu sehen wünschte, drehte er nur wortlos seine Mütze in den Händen und ging langsam zur Türe.
»Sie wolln ihn also net bei mir eintreten lassen?« fragte er, die Hand auf der Klinke.
»Nein«, erwiderte Mr. Limbkins fest. »Zum mindesten müssten Sie mit einer geringeren als der ausgesetzten Summe zufrieden sein, da das Schornsteinfegergewerbe denn doch ein bisschen schmutzig ist.«
Mr. Gamfields Gesicht hellte sich auf. Schnell trat er wieder an den Tisch heran und fragte:
»Also, was wollens denn geben, meine Herrn? Seins doch net so hart gegen an armen Gewerbtreibenden.«
»Ich sollte meinen, drei Pfund zehn Schilling wären mehr als genug«, gab Mr. Limbkins zur Antwort.
»Da sind noch zehn Schillinge zu viel«, warf der Gentleman in der weißen Weste hin.
»Na also«, versetzte Mr. Gamfield, »sagen mer also vier Pfund, meine Herren, und Sie sin ihm los und die Sach is in Ordnung.«
»Drei Pfund zehn Schillinge«, wiederholte Mr. Limbkins fest.
»Kommen S’, teiln mer die Differenz, meine Herrn«, drängte Mr. Gamfield. »Drei Pfund fünfzehn Schillinge.«
»Nicht einen Penny mehr«, war die Antwort.
»Sie sin verdammt hart zu mir, meine Herrn«, sagte Gamfield niedergeschlagen.
»Ach was, Unsinn«, erwiderte der Herr in der weißen Weste. »Sie machen noch ein gutes Geschäft, auch wenn Sie gar kein Geld für ihn bekämen. Seien Sie nicht dumm und nehmen Sie ihn, er ist gerade der Junge, den Sie brauchen. Geben Sie ihm hie und da den Stock zu kosten, das wird ihm nur gut tun; und die Erhaltung wird sich auch nicht sehr teuer stellen. Er ist hier nicht besonders verwöhnt worden – hahaha!«
Mr. Gamfield warf einen scharfen Blick auf die Herren ringsum, und da er sie alle lächeln sah, hellten sich langsam seine Züge auf. Der Handel wurde geschlossen und Mr. Bumble sogleich angewiesen, noch am selben Nachmittag Oliver Twist behufs amtlicher Bestätigung des Lehrvertrags vorzuführen.
Demgemäß wurde Oliver zu seinem größten Erstaunen plötzlich aus der Haft entlassen und bekam den Befehl, ein frisches Hemd anzuziehen. Kaum hatte er diese seltene gymnastische Übung hinter sich, als Mr. Bumble ihm eigenhändig einen Napf Hafergrütze nebst dem sonntäglichen Stück Brot brachte. Bei diesem fürchterlichen Anblick brach Oliver sofort in ein schreckliches Geheul aus, denn er dachte, die Herren Vorstände hätten den Beschluss gefasst, ihn zu irgendeinem gemeinnützigen Zweck schlachten zu lassen. Denn weshalb hätten sie sonst plötzlich angefangen, ihm eine Mastkur angedeihen zu lassen.
»Heul dir nicht die Augen rot, Oliver, sondern iss deine Suppe und sei dankbar«, ermahnte Mr. Bumble in würdevollem Ton. »Du kommst jetzt in die Lehre.«
»In die Lehre?« fragte der Kleine zitternd.
»Jawohl, Oliver. Die gütigen Herrn, von denen dir jeder einzelne deine Eltern ersetzt, da du keine hast, wollen dich in die Lehre geben, damit du einst im Leben auf eigenen Füßen stehen kannst; und sie wollen einen Mann aus dir machen, obgleich es der Gemeinde drei Pfund und zehn Schillinge kostet. – Oliver! Drei Pfund und zehn Schillinge! – Siebzig Schillinge hundertvierzig Sixpence! Und das alles für einen nichtsnutzigen Waisenbuben, den kein Mensch leiden kann.«
Mr. Bumble hielt einen Augenblick in seiner Rede inne, um Atem zu holen. Dem armem Oliver rollten die Tränen über die Wangen, und er schluchzte bitterlich.
»Ist schon gut, lass nur«, sagte Mr. Bumble, ein bisschen weniger würdevoll, denn die Wirkung, die seine Rede hervorgebracht, befriedigte ihn. »Komm, Oliver, wisch dir die Träne mit dem Ärmel ab und heul dir nicht in die Suppe; das ist eine große Dummheit.« Und das stimmte, denn Wasser war sowieso genug in der Hafergrütze.
Auf dem Weg zum Friedensrichter schärfte Mr. Bumble Oliver aufs dringlichste ein, er müsse sich vor allen Dingen bemühen, recht glücklich auszusehen, und wenn der alte Herr ihn frage, ob er in die Lehre gehen wolle, habe er zu antworten, er freue sich ungemein darauf. Oliver versprach sein Bestes zu tun, umso mehr, als Bumble ihm androhte, dass es ihm sonst schlecht ergehen würde.
Auf dem Amt angelangt, wurde Oliver in ein kleines Zimmer eingesperrt, und Mr. Bumble sagte ihm, er solle hier bleiben, bis er wiederkäme und ihn abholte. Eine ganze halbe Stunde blieb das arme Waisenkind mit klopfendem Herzen allein. Dann steckte Mr. Bumble seinen Kopf herein und sagte laut: »Nun, Oliver, mein Kind, komm jetzt zu dem Herrn.«
Dabei warf er Oliver einen drohenden Blick zu und fügte leise hinzu: »Vergiss nicht, was ich dir gesagt hab, infamer Lausbub.«
Oliver machte bei dieser widerspruchsvollen Anrede ein ziemlich dummes Gesicht. Aber Mr. Bumble kam jeder Frage zuvor und schleppte ihn ohne weitere Umstände ins Amtszimmer. Es war ein ziemlich geräumiges Zimmer mit einem großen Fenster. Hinter einem Pult saßen zwei alte Herren mit gepuderten Perücken, und der eine von ihnen las in der Zeitung, während der andere mit Hilfe einer Schildpattbrille ein kleines Pergamentschriftstück durchstudierte. Mr. Limbkins stand neben dem Pult und Mr. Gamfield, dessen Gesicht stellenweise reingewaschen war, in einiger Entfernung neben ihm, während zwei bis drei roh aussehende Männer in Stulpenstiefeln im Hintergrund warteten.
Der alte Herr mit der Brille nickte langsam über dem Schriftstück ein, und es verstrich eine ziemliche Weile, nachdem Oliver von Mr. Bumble vor das Pult geführt worden war.
»Dies ist der Junge, Euer