Oliver Twist. Charles Dickens
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Читать онлайн книгу Oliver Twist - Charles Dickens страница 21
So hatten sie es ein paarmal getrieben, da traten ein paar junge Damen ein, die die beiden jungen Herren zu sprechen wünschten. Die eine hieß Bet, die andere Nancy. Sie hatten beide sehr reiches Haar, das hinten nicht gerade sehr sorgfältig in einen Knoten gewickelt war, und Schuhe und Strümpfe an, die ebenfalls nicht sehr proper aussahen. Immerhin waren sie recht hübsch, lebhaft gefärbt und drall. Da sie in ihrem Benehmen sehr ungezwungen und freundlich waren, hielt sie Oliver für sehr nette liebenswürdige Mädchen. Was sie ohne Zweifel auch waren.
Ihr Besuch dauerte ziemlich lange. Und als eine der jungen Damen über Kälte klagte, wurde sogleich Schnaps geholt, und die Unterhaltung nahm einen recht angeregten Verlauf. Schließlich sagte Charley Bates, es sei höchste Zeit, sich auf die Socken zu machen. Gleich darauf gingen der Baldowerer, er und die beiden jungen Damen weg, nachdem sie vorher von dem liebenswürdigen alten Juden reichlich mit Kleingeld versehen worden waren, das sie offenbar ganz nach Belieben ausgeben durften.
»Da siehste, mei Jung«, sagte Fagin, »lebt sichs nicht fein bei mir? Den ganzen übrigen Tag haben sie jetzt frei.«
»Sind sie denn schon fertig mit der Arbeit, Sir?« fragte Oliver.
»Gewiss«, sagte der Jude, »das heißt: falls sie nicht zufällig etwas erwischen können. Aber dann werdens sie sichs schon nehmen, Kleiner, verlass dich drauf. Nimm se dir zum Vorbild, mei Jung, nimm se dir zum Vorbild«, wiederholte er gütig und klopfte, um seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu geben, mit der Kohlenschaufel auf den Herd. »Tu alles, was se dir raten, und folg ihnen in allen Dingen – besonders, wenn der Baldowerer dir en Rat gibt. Ich sag dir, er wird noch eines Tages ä großer Mann sein und wird auch aus dir en großen Mann machen, wenn de dir an ihm e Beispiel nimmst; – sag mal, hängt mir nich mei Taschentuch zur Tasche eraus, mei Jung?« fragte er, plötzlich das Thema wechselnd.
»Ja, Sir«, erwiderte Oliver.
»Versuch mal, ob de es mir kannst erausziehen, ohne das ich was merk. Du weißt: so wie wir vorhin gespielt haben zusammen.«
Oliver hielt, wie er es vorhin vom Baldowerer gesehen, die Tasche mit der einen Hand fest und zog mit der anderen leise das Taschentuch heraus.
»Ist es schon draußen?« fragte der Jude.
»Hier, Sir«, sagte Oliver und hielt ihm das Tuch hin.
»Gott über de Welt! E so e geschickter kleiner Jung!« sagte der spaßhafte alte Herr und tätschelte Oliver beifällig auf den Kopf. »Noch nie hab ich gesehen e so en geschickten kleinen Jungen. Da is e Shillin für dich. Wenn de ä so weiter machst, wirst de noch der größte Mann deiner Zeit werden. Aber jetzt komm emol her. Ich will dir zeigen, wie mer erausmacht die Monogrammerlich aus den Taschentüchern.«
Oliver zerbrach sich nicht wenig den Kopf, wieso er bloß deswegen, weil es ihm gelungen, einem alten Herrn ein Tuch aus der Tasche zu ziehen, Aussichten haben sollte, der größte Mann seiner Zeit zu werden, aber er nahm an, der Jude müsse, wo er ihm so bedeutend an Jahren überlegen sei, derlei wohl am besten wissen. Er folgte ihm daher an den Arbeitstisch und war bald eifrig in seine neue Beschäftigung vertieft.
10 – Oliver gewinnt Einblick in die Charaktereigenschaften seiner neuen Kollegen, bezahlt aber seine Erfahrung sehr teuer.
Für viele Tage lang blieb Oliver bei dem Juden und zupfte die Monogramme aus Taschentüchern, die in großer Zahl einliefen, und nahm auch zuweilen an dem bereits erwähnten sonderbaren Spiel, das die beiden Jungen und der Jude Tag für Tag wiederholten, teil. Endlich aber konnte er es vor Sehnsucht nach frischer Luft nicht mehr aushalten und bat den menschenfreundlichen alten Gentleman, ihn doch einmal mit den beiden Jungen ausgehen zu lassen.
Eines Morgens wurde ihm die Erlaubnis dazu erteilt, vermutlich weil keine Taschentücher mehr da waren, an denen er hätte arbeiten können. Überdies waren der Baldowerer und Charley Bates bereits des öfteren abends mit leeren Händen nach Hause gekommen, und das hatte jedes Mal den alten Herrn veranlasst, ihnen mit großem Nachdruck das Verwerfliche eines müßigen Lebenswandels vor Augen zu halten. Gelegentlich ging der Jude sogar so weit, die beiden so lange durchzuprügeln, bis sie wieder die Treppe hinunterflohen.
Oliver machte sich also mit seinen beiden Gefährten auf den Weg. Der Baldowerer hatte die Rockärmel wieder aufgekrempelt und balanzierte, wie es seine Gewohnheit war, seinen Hut auf dem Kopf, während Charley Bates, die Hände in den Taschen, langsam mitschlenderte, sodass Oliver zu der Ansicht neigte, die beiden müssten den gütigen alten Herrn offenbar hintergehen und sich von der Arbeit drücken. Überdies hatte der Baldowerer die garstige Angewohnheit, kleinen Jungen die Mützen vom Kopf zu reißen oder sie in den Rinnstein zu stoßen, und auch Charley Bates benahm sich sehr sonderbar und schien besonders sehr eigentümliche Begriffe von Mein und Dein zu haben, denn wo er nur konnte, stibitzte er Äpfel und Zwiebeln in den Höchlerbuden und ließ sie in seinen geräumigen Taschen verschwinden. Das alles missfiel Oliver derart, dass er den beiden schon sagen wollte, es wäre wohl das beste, er ginge wieder allein nach Hause, als er in seinem Vorhaben durch eine plötzliche geheimnisvolle Wandlung, die im Benehmen des Baldowerers vor sich ging, abgelenkt wurde.
Sie traten eben aus einem sehr engen Hof in Clerkenwell, der noch heutzutage seltsamerweise die grüne Wiese heißt, als der Baldowerer plötzlich stehen blieb, den Finger auf die Lippen legte und seine beiden Gefährten vorsichtig zurückdrängte.
»Was gibt es denn?« fragte Oliver.
»Still«, flüsterte der Baldowerer. »Siehst du den alten Schöpfen drüben an der Bücherbude, Charley?«
»Den alten Herrn drüben?« fragte Oliver. »Ja, den sehe ich.«
»Das