Oliver Twist. Charles Dickens

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Oliver Twist - Charles Dickens Klassiker bei Null Papier

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ehr­wür­dig aus, trug eine Perücke, gol­de­ne Bril­le, einen fla­schen­grü­nen Rock mit schwar­zem Samt­kra­gen, wei­ße Ho­sen und ein schickes Bam­bus­stäb­chen un­ter dem Arm. Er hat­te ge­ra­de ein Buch zur Hand ge­nom­men und las eif­rig dar­in. Er schi­en für nichts an­de­res einen Blick zu ha­ben und blät­ter­te ver­tieft in dem Buch. Ent­setzt be­merk­te Oli­ver plötz­lich, dass der Bal­do­we­rer sei­ne Hand in der Ta­sche des al­ten Herrn ver­schwin­den ließ und sie gleich dar­auf mit ei­nem Ta­schen­tuch wie­der her­aus­zog, das er dann Char­ley übergab, wor­auf bei­de um die Ecke her­um Reiß­aus nah­men. Im Nu war ihm das Ge­heim­nis klar, von wo die Ta­schen­tü­cher, Uhren und Pre­tio­sen des Ju­den ka­men. Eine Se­kun­de lang stand er wie ge­lähmt da. Dann lief er er­schreckt da­von, so schnell ihn sei­ne Füße tra­gen woll­ten.

Bild: 043_Oliver_Twist_007.jpg

      Das al­les dau­er­te kaum eine Mi­nu­te. Im sel­ben Au­gen­blick, als Oli­ver zu lau­fen an­fing, griff der alte Herr in sei­ne Ta­sche und dreh­te sich, da er sein Schnupf­tuch ver­miss­te, um. Er sah Oli­ver da­von­lau­fen, hielt ihn na­tür­lich für den Dieb und schrie: »Hal­tet den Dieb« und lief ihm mit dem Buch in der Hand nach. Kaum hör­ten der Bal­do­we­rer und Char­ley Ba­tes sei­nen Ruf, als auch sie aus ih­rer Ecke wie­der her­vor­ka­men und, um den Ver­dacht von sich ab­zu­len­ken, laut in das be­reits all­ge­mein wer­den­de Ge­schrei der Stra­ße: »Hal­tet den Dieb« ein­stimm­ten. So ein Ruf »Hal­tet den Dieb, hal­tet den Dieb« hat eine ma­gi­sche Wir­kung. Der Kauf­mann springt hin­ter dem La­den­tisch her­vor, der Fuhr­mann vom Wa­gen her­un­ter, der Flei­scher wirft sei­ne Mul­de weg und der Bä­cker sei­nen Brot­korb, der Milch­mann lässt sei­nen Ei­mer ste­hen, der Lauf­bur­sche ver­liert sein Pa­ket. Je­der wirft weg, was ihn am Lau­fen hin­dert. Der Schul­jun­ge sei­ne Mar­meln, der Mau­rer sei­ne Kel­le, das Kind sei­nen Gum­mi­ball, und to­bend, krei­schend und brül­lend geht die wil­de Jagd um die Ecke. Die Hun­de bel­len und ja­gen ein­her und ver­scheu­chen die Hüh­ner, und Stra­ßen und Plät­ze und Höfe wi­der­hal­len von dem Ruf: »Hal­tet den Dieb, hal­tet den Dieb.« Bei je­der Stra­ßen­bie­gung wächst die Men­ge an. Da­hin lau­fen sie und pat­schen durch Pfüt­zen und Rinn­stei­ne. Fens­ter flie­gen auf, und vor­wärts, im­mer vor­wärts stürzt der Knäu­el. Al­les kreischt vor Freu­de: »Hal­tet den Dieb.« Wenn sie den Ar­men end­lich ha­ben, zu Bo­den ge­wor­fen liegt er da, und die Men­ge um­drängt ihn. Und je­der trach­tet, ihm noch einen Hieb zu ver­set­zen. Weg da, Platz da! Wo ist der Herr? Da kommt er jetzt die Stra­ße her­un­ter, Platz für den Herrn. »Ist das der Dieb, Sir?«

      »Ja.«

      Von Schmutz be­deckt und blut­über­strömt lag Oli­ver da und starr­te in den Hau­fen der ihn um­rin­gen­den Ge­sich­ter. Da dräng­te man den al­ten Herrn vor ihn hin.

      »Ja«, sag­te der Herr, »ich fürch­te, es ist der Jun­ge.«

      »Wa­rum denn – fürch­ten«, mur­mel­ten ei­ni­ge. »Um den ist nicht scha­de.«

      »Ar­mer Jun­ge«, sag­te der Herr, »er hat sich wohl weh ge­tan?«

      »Ich hab’ ihm eine ver­setzt«, mel­de­te sich ein baum­lan­ger Strolch, »i bin ihm mit der Faust übers Maul g’fah­ren; i war’s, der wo ihn auf­g’hal­ten hat, Herr.«

      Und grin­send griff der Lüm­mel an sei­nen Hut, ein Trink­geld er­war­tend. Aber der alte Herr warf ihm nur einen bit­ter­bö­sen Blick zu und sah sich ängst­lich um, als lie­fe er selbst am liebs­ten da­von, und er wür­de es wahr­schein­lich auch ge­tan und da­durch eine neue Hetz­jagd ver­an­lasst ha­ben, wenn sich nicht ein Po­li­zei­mann – wie im­mer in sol­chen Fäl­len – als al­ler­letz­ter ein­ge­fun­den und Oli­ver am Kra­gen ge­packt hät­te.

      »Heda, auf­ge­stan­den«, sag­te der Po­li­zist grob.

      »Ich bin es doch nicht ge­we­sen, Sir; wirk­lich, ich war es nicht. Es wa­ren zwei an­de­re Jun­gens«, rief Oli­ver ent­setzt, die Hän­de fal­tend und ver­stört um sich bli­ckend. »Ir­gend­wo hier her­um müs­sen sie sich ver­steckt ha­ben.«

      »Na, hier her­um g’wiss nicht«, sag­te der Po­li­zei­mann, und wenn er sei­ne Wor­te auch iro­nisch mein­te, so hat­te er doch im All­ge­mei­nen recht, denn der Bal­do­we­rer so­wie Char­ley Ba­tes hat­ten sich längst ab­sen­tiert. »Auf­ge­stan­den jetzt!«

      »Tun Sie ihm nichts zu lei­de«, sag­te der alte Herr mit­lei­dig.

      »Na na, da­von kann ka Red sein«, ant­wor­te­te der Po­li­zei­mann und riss Oli­ver fast die Ja­cke vom Leib. »Marsch vor­wärts, dich kenn’ ich schon. Wirst gleich auf­ste­hen, Diebs­lüm­mel.«

      Müh­sam er­hob sich Oli­ver vom Bo­den und wur­de am Kra­gen im schnells­ten Tem­po durch die Stra­ße ge­schleift. Der alte Herr ging ne­ben dem Po­li­zis­ten her, und ju­belnd be­glei­te­te sie die Gas­sen­ju­gend zum Kom­missa­ri­at.

      Als der Zug auf der Wa­che an­lang­te, wur­de Oli­ver vor­läu­fig in eine Art Kel­ler ein­ge­sperrt, der nur so starr­te vor Schmutz. Ein vier­schrö­ti­ger Kerl mit ei­nem Ba­cken­bart und ei­nem Bün­del Schlüs­sel in der Hand trat vor. »Was gib­t’s denn schon wie­der?« frag­te er mür­risch.

      »Ein jun­ger Ta­schen­dieb«, ant­wor­te­te der Po­li­zist, der Oli­ver am Kra­gen hielt.

      »Sind Sie der Be­stoh­le­ne, Sir?« frag­te der Mann mit den Schlüs­seln.

      »Ja«, sag­te der alte Herr. »Aber ich kann nicht ge­nau an­ge­ben, ob es auch wirk­lich der Jun­ge war, der mir das Ta­schen­tuch ge­stoh­len hat. Ich – hm – möch­te am liebs­ten den Fall nicht wei­ter ver­fol­gen.«

      »Dös müs­sen S’ dem Herrn Kom­mis­sär sa­gen«, brumm­te der Mann. »Der Herr Kom­mis­sär wird gleich frei sein. Na, kumm amal her, klei­ner Gal­gen­vo­gel.«

      Da­mit pack­te der Mann Oli­ver am Kra­gen und sperr­te ihn in den er­wähn­ten Kel­ler. Es war dies eine Art Schacht, der nur so strotz­te von Un­rat und Schmutz.

      Der alte Herr sah eben­so be­küm­mert aus wie Oli­ver selbst, als der Schlüs­sel im Schlos­se kreisch­te, und warf mit ei­nem Seuf­zer einen Blick auf das Buch, das die un­schul­di­ge Ver­an­las­sung zu dem gan­zen Un­heil ge­we­sen war.

      »Es liegt et­was in dem Ge­sicht des Jun­gen«, mur­mel­te der alte Herr und rieb sich nach­denk­lich mit dem Buch­de­ckel das Kinn, »et­was, was mich tief er­greift und rührt. Er ist viel­leicht ganz un­schul­dig. Aus­se­hen tut er da­nach. – Üb­ri­gens«, rief der alte Herr plötz­lich und sah nach­denk­lich zum Him­mel em­por, »an wen er­in­nern mich doch nur sei­ne Züge?«

      Eine Berüh­rung an der Schul­ter weck­te ihn aus sei­nen Be­trach­tun­gen. Gleich dar­auf er­such­te ihn der Mann mit den Schlüs­seln ihm in die Wacht­stu­be zu fol­gen. Has­tig klapp­te der alte Herr das Buch zu und stand in der nächs­ten

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