Oliver Twist. Charles Dickens

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Oliver Twist - Charles Dickens Klassiker bei Null Papier

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eil­te.

      »War­ten Sie, bit­te, war­ten Sie, füh­ren Sie ihn nicht ab, um Got­tes wil­len, war­ten Sie einen Au­gen­blick«, rief der neu­an­ge­kom­me­ne Herr vor Eile noch ganz atem­los.

      Der Kom­mis­sär war nicht we­nig em­pört, schon wie­der einen un­ge­be­te­nen Gast und noch dazu in so un­ehr­er­bie­ti­ger Wei­se ein­tre­ten zu se­hen.

      »Was soll das hei­ßen?« rief er. »Werft den Kerl hin­aus. Ich will hier mei­ne Ruhe ha­ben.«

      »Ich will aber spre­chen«, rief der Mann, »und las­se mich nicht ab­wei­sen. Ich habe al­les mit­an­ge­se­hen. Ich bin der Be­sit­zer des Buch­la­dens. Ich bit­te mich zu ver­ei­di­gen. Ich muss hier spre­chen. Mr. Fang, Sie müs­sen mich an­hö­ren. Sie dür­fen mir die Aus­sa­ge nicht ver­wei­gern, Mr. Fang.«

      Der Buch­händ­ler war voll­stän­dig im Recht, und sein Be­geh­ren konn­te nicht ab­ge­schla­gen wer­den. Die Sa­che fing an, zu ernst­haft zu schei­nen, um ein­fach übers Knie ge­bro­chen zu wer­den.

      »Also ver­ei­di­gen Sie den Men­schen«, brumm­te der Kom­mis­sär un­gnä­dig. »Nun, was ha­ben Sie vor­zu­brin­gen?«

      »Fol­gen­des«, be­gann der Buch­händ­ler. »Also ich sah drei Jun­gen, zwei an­de­re und die­sen hier, und sie schlen­der­ten mei­nem La­den ge­gen­über auf der an­de­ren Sei­te der Stra­ße ent­lang, wäh­rend die­ser Gent­le­man hier ein Buch durch­blät­ter­te. Die bei­den an­de­ren Bur­schen ha­ben den Dieb­stahl be­gan­gen. Ich habe ge­se­hen, wie sie ihn aus­führ­ten, und habe auch be­merkt, dass die­ser Jun­ge hier dar­über ganz ent­setzt war.«

      »Wa­rum sind Sie nicht frü­her her­ge­kom­men?« frag­te der Kom­mis­sär nach ei­ner Pau­se.

      »Ich hat­te nie­mand, der in­zwi­schen auf mei­nen La­den auf­ge­passt hät­te«, ent­schul­dig­te sich der Buch­händ­ler. »Alle Leu­te sind doch wie be­ses­sen die­sem Jun­gen hier nach­ge­lau­fen, um ihn ein­zu­fan­gen. Erst vor fünf Mi­nu­ten konnt ich je­mand auf­trei­ben, und den gan­zen Weg bis hier­her bin ich in ei­nem­fort ge­lau­fen.«

      »Die­ser Herr hier las in ei­nem Buch, nicht wahr?« frag­te Mr. Fang nach ei­ner zwei­ten Pau­se.

      »Ja«, er­wi­der­te der Buch­händ­ler, »in dem­sel­ben, das er jetzt hier in der Hand hat.«

      »Was? In dem Buch?« frag­te der Kom­mis­sär. »Ist das Buch schon be­zahlt?«

      »Nein, noch nicht«, ant­wor­te­te der Buch­händ­ler lä­chelnd.

      »O Gott, das hab ich ja ganz und gar ver­ges­sen«, rief der alte Herr harm­los.

      »Ein net­ter Mensch, der einen ar­men Jun­gen des Dieb­stahls an­klagt«, sag­te Mr. Fang und be­müh­te sich, höh­nisch ein men­schen­freund­li­ches Ge­sicht auf­zu­set­zen. »Ich nei­ge der An­sicht zu, Sir, Sie ha­ben un­ter höchst ver­däch­ti­gen Um­stän­den sich die­ses Buch an­ge­eig­net. Sei­en Sie froh, dass der Ei­gen­tü­mer des­sel­ben nicht ge­gen Sie An­kla­ge er­hebt. Schrei­ben Sie sich das hin­ter die Ohren, mein Lie­ber, sonst kanns Ih­nen das nächs­te Mal schlimm ge­hen. Der Jun­ge ist frei­ge­spro­chen. Ge­richts­die­ner, räu­men Sie die Kanz­lei.«

      »Ja zum Teu­fel noch mal«, rief der alte Herr, des­sen lang un­ter­drück­ter Zorn jetzt her­vor­brach. »Don­ner und Do­ria, ich will Ih­nen -«

      »Räu­men Sie die Kanz­lei«, rief der Kom­mis­sär. »Ge­richts­die­ner, die Kanz­lei ge­räumt.«

      Ehe noch Mr. Brow­n­low et­was sa­gen konn­te, wur­de er, das Buch in der einen, das Bam­bus­stöck­chen in der an­de­ren Hand und ganz au­ßer sich vor Em­pö­rung, hin­aus­ge­scho­ben. Drau­ßen im Hof je­doch ver­flog sein Zorn im Nu: der klei­ne Oli­ver Twist lag mit dem Rücken auf dem Pflas­ter, man hat­te ihm das Hemd auf­ge­knöpft und bei­de Schlä­fen mit Was­ser be­gos­sen. Sein Ge­sicht war to­ten­blass, und ein kal­ter Schau­der schüt­tel­te sei­nen gan­zen Kör­per.

      »Ar­mer Jun­ge, ar­mer Jun­ge«, rief Mr. Brow­n­low und neig­te sich über ihn. »Bit­te, ho­len Sie doch eine Drosch­ke, bit­te, bit­te gleich.«

      Im Au­gen­blick fuhr ein Wa­gen vor, und nach­dem man Oli­ver sorg­sam auf den Rück­sitz ge­legt, stieg der alte Herr ein und setz­te sich ihm ge­gen­über.

      »Darf ich Sie be­glei­ten?« frag­te der Buch­händ­ler mit ei­nem Blick in den Wa­gen.

      »Selbst­ver­ständ­lich, lie­ber Herr«, sag­te Mr. Brow­n­low. »Ich habe ganz auf Sie ver­ges­sen. O Gott, o Gott, im­mer noch habe ich das un­glück­se­li­ge Buch in der Hand. So stei­gen Sie doch ein! Der arme Jun­ge, der arme Jun­ge, wir dür­fen kei­ne Zeit ver­lie­ren.«

      Der Buch­händ­ler stieg in den Wa­gen, und die Drosch­ke fuhr da­von.

      Der Wa­gen ras­sel­te da­von, fast auf dem­sel­ben Weg, den Oli­ver durch­wan­dert hat­te, als er in der Ge­sell­schaft des Bal­do­we­rers zum ers­ten Mal Lon­don be­tre­ten, er­reich­te dann den »En­gel« in Is­ling­ton und hielt schließ­lich vor ei­nem hüb­schen sau­bern Haus in ei­ner stil­len schat­ti­gen Stra­ße in der Nähe von Pen­ton­ville. Hier brach­te Mr. Brow­n­low sei­nen jun­gen Schütz­ling so­fort zu Bett und ließ ihm eine Pfle­ge und Be­hand­lung an­ge­dei­hen, – so lieb­voll, wie die­ser sie noch nie im Le­ben ge­habt hat­te.

      Eine gan­ze Wo­che ver­ging, und im­mer noch lag Oli­ver fie­bernd und fan­ta­sie­rend auf sei­nem La­ger. Schwach, ab­ge­ma­gert und bleich er­wach­te er end­lich aus ei­nem Schlaf, der ein lan­ger quä­len­der Traum ge­we­sen zu sein schi­en. Matt er­hob er sich in sei­nem Bett und sah sich ängst­lich um.

      »Wo bin ich? Wo hat man mich hin­ge­bracht?« frag­te er. »Das ist doch nicht der Ort, wo ich um­ge­fal­len bin.«

      Ei­lig wur­de der Vor­hang am Kop­fen­de des Bet­tes zu­rück­ge­zo­gen, und eine müt­ter­lich aus­se­hen­de alte Dame stand auf und beug­te sich über ihn.

      »Still, still, Kind«, flüs­ter­te sie. »Du musst dich ru­hig ver­hal­ten, sonst wirst du wie­der krank. Du warst schon nahe am Tode, denk bloß. Leg dich nur wie­der hin – komm, sei ein lie­bes Kind.«

      Mit die­sen Wor­ten leg­te die alte Dame Oli­vers Kopf zu­rück, strich ihm das Haar aus der Stirn und sah ihm so men­schen­freund­lich ins Ge­sicht, dass er sei­ne ab­ge­zehr­te Hand in die ihre le­gen und ih­ren Arm um sei­nen Hals schlin­gen muss­te.

      »O du lie­ber Him­mel«, rief die alte Dame mit trä­nen­den Au­gen, »was das für ein dank­ba­res klei­nes We­sen ist. Was wür­de wohl sei­ne Mut­ter füh­len, wenn sie so ne­ben ihm säße, wie ich jetzt, und ihn se­hen

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