Oliver Twist. Charles Dickens

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Oliver Twist - Charles Dickens Klassiker bei Null Papier

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wem?«

      »Das kann ich dir wirk­lich nicht sa­gen, Kind«, ant­wor­te­te die alte Dame gut ge­launt. »Es hat wohl mit nie­mand Ähn­lich­keit, den ich oder du ken­nen. Es scheint dich zu in­ter­es­sie­ren, Klei­ner?«

      »Es ist so wun­der­schön.«

      »Du fürch­test dich doch nicht am Ende da­vor?« frag­te die alte Dame, als sie be­merk­te, dass et­was wie Leid oder Schmerz im Blick Oli­vers lag.

      »O, nein, nein«, be­teu­er­te Oli­ver rasch. »Aber ihre Au­gen se­hen so be­trübt drein, und wo im­mer ich hin­schaue, im­mer schei­nen sie auf mich ge­rich­tet zu sein. Das Herz schlägt mir da­bei«, setz­te er mit lei­ser Stim­me hin­zu. »Gera­de, als ob die Dame noch am Le­ben wäre und mit mir spre­chen woll­te, aber nicht könn­te.«

      »Gott im Him­mel«, rief die alte Dame er­staunt, »was sprichst du denn da, Kind? Du bist noch sehr an­ge­grif­fen von dei­ner Krank­heit. Ich will dir den Stuhl auf die an­de­re Sei­te rol­len, dann siehst du es nicht im­mer. – So«, sag­te sie und ließ ih­ren Wor­ten die Tat fol­gen, »jetzt kannst dus nicht mehr se­hen.«

      Aber im­mer noch sah Oli­ver im Geis­te das Bild vor sich, schwieg je­doch dar­über, um der al­ten Dame kei­nen Kum­mer zu be­rei­ten, son­dern mach­te ein freund­li­ches glück­li­ches Ge­sicht. Mrs. Bed­win, die sich dar­über sehr freu­te, schüt­te­te in die Sup­pe Salz, brock­te ge­rös­te­te Sem­mel­schnit­ten hin­ein und reich­te sie dann Oli­ver, der sie heiß­hung­rig ver­schlang. Er hat­te kaum den letz­ten Löf­fel ge­schlürft, als es lei­se an die Türe klopf­te und Mr. Brow­n­low ein­trat.

      Wie ge­wöhn­lich hat­te der alte Herr die Bril­le auf die Stirn ge­scho­ben und die Hän­de in den Schö­ßen sei­nes Schlafrockes ver­bor­gen. Er warf jetzt einen be­däch­ti­gen lan­gen Blick auf Oli­ver und mach­te so­fort ein höchst be­stürz­tes Ge­sicht, denn Oli­ver sah eher aus wie ein Schat­ten, als wie ein le­ben­der Jun­ge, und bei sei­nem Ver­such, sei­nen Wohl­tä­ter zu be­grü­ßen, sank er vor Schwä­che wie­der in sei­nen Stuhl zu­rück. Mr. Brow­n­low, des­sen Herz so weit war, dass es für min­des­tens sechs alte phil­an­thro­pisch ge­sinn­te Her­ren aus­ge­reicht hät­te, tra­ten so­fort die Trä­nen in die Au­gen.

      »Ar­mer Jun­ge, ar­mer Jun­ge«, mur­mel­te er und räus­per­te sich, um sei­ne Rüh­rung zu ver­ber­gen. »Ich bin wie­der schreck­lich hei­ser heu­te Mor­gen, Mrs. Bed­win. Ich fürch­te, ich habe mich er­käl­tet.«

      »Ich will doch nicht hof­fen, Sir«, sag­te Mrs. Bed­win. »Ich habe mich selbst über­zeugt, dass Ihre Klei­der, be­vor Sie sie an­zo­gen, ganz tro­cken wa­ren.«

      »Ich weiß, ich weiß, Mrs. Bed­win«, be­schwich­tig­te Mr. Brow­n­low. »Aber ich fürch­te, die Ser­vi­et­te ges­tern Mit­tag muss ein we­nig feucht ge­we­sen. Doch las­sen wir das. Wie geht es dir, Klei­ner?«

      »O, ich bin so glück­lich, Sir«, ant­wor­te­te Oli­ver, »und bin Ih­nen so von Her­zen dank­bar für all das Gute, das Sie mir er­wie­sen ha­ben, Sir.«

      »Bra­ver Jun­ge«, sag­te Mr. Brow­n­low stolz und wür­dig. »Ha­ben Sie ihm denn auch et­was Gu­tes zu es­sen ge­ge­ben, Mrs. Bed­win? Doch nicht etwa Was­ser­sup­pe?«

      »So­eben einen Tel­ler schö­ne kräf­ti­ge Fleisch­brü­he, Sir«, ant­wor­te­te Mrs. Bed­win ein we­nig ge­kränkt, dass man ihr zu­mu­te­te, sie wer­de dem Pa­ti­en­ten Was­ser­sup­pe rei­chen.

      »Brrrr«, sag­te Mr. Brow­n­low mit ei­nem leich­ten Schau­der, »ein paar Glä­ser Port­wein wä­ren noch viel bes­ser ge­we­sen, was meinst du, Tom Whi­te?«

      »Ich hei­ße Oli­ver, Sir«, ant­wor­te­te der klei­ne Pa­ti­ent und sah Mr. Brow­n­low er­staunt an.

      »Oli­ver?« wie­der­hol­te Mr. Brow­n­low. »Oli­ver? Oli­ver Whi­te also.«

      »Nein, Sir. Twist, Oli­ver Twist.«

      »Ku­rio­ser Name«, rief der alte Herr. »Wes­halb hast du denn dem Kom­mis­sär ge­sagt, du hießest Whi­te?«

      »Das habe ich ihm nicht ge­sagt, Sir«, ant­wor­te­te Oli­ver er­staunt.

      Das klang so of­fen­kun­dig wie eine Lüge, dass der alte Herr Oli­ver er­staunt an­blick­te, aber das Ge­sicht des klei­nen Pa­ti­en­ten trug so of­fen den Stem­pel der Wahr­heit, dass Mr. Brow­n­low so­fort je­den Zwei­fel fal­len ließ.

      »Also ein Irr­tum«, brumm­te er. Dann plötz­lich sah er den Klei­nen wie­der starr an, der Ge­dan­ke an eine Ähn­lich­keit mit ei­nem Ge­sicht, das er ir­gend­wo ge­se­hen, dräng­te sich ihm über­mäch­tig auf.

      »Sie sind doch nicht böse auf mich, Sir?« frag­te Oli­ver schüch­tern?

      »Nein, nein«, rief der alte Herr schnell. »Gott, was sehe ich«, setz­te er schnell hin­zu. »Bed­win, schau­en Sie doch nur!«

      Da­bei deu­te­te er has­tig auf das Por­trät, das über Oli­vers Kopf hing, dann auf des­sen Ge­sicht. Eins war die Ko­pie des an­de­ren: Au­gen, Kopf, Mund, kurz je­der Zug: der­sel­be. Die Ähn­lich­keit war so frap­pant, dass man wirk­lich ver­dutzt sein muss­te.

      Oli­ver konn­te sich den Grund der plötz­li­chen Er­re­gung des al­ten Herrn nicht er­klä­ren, es braus­te ihm vor den Ohren, al­les dreh­te sich um ihn, und schwach, wie er von der über­stan­de­nen Krank­heit war, sank er plötz­lich in Ohn­macht.

      *

      Als der Bal­do­we­rer und Mas­ter Char­ley Ba­tes sich un­ter dem Ruf »Hal­tet den Dieb« sich der Hetz­jagd an­ge­schlos­sen, bo­gen sie plötz­lich in ein Ge­wirr von en­gen Gas­sen und Hö­fen ab und blie­ben schließ­lich atem­los in ei­ner nied­ri­gen fins­te­ren Tor­flur ste­hen. Dann platz­te Char­ley Ba­tes mit ei­nem brül­len­den Ge­läch­ter her­aus, ließ sich auf eine Tür­stu­fe fal­len und wälz­te sich au­ßer sich vor Ver­gnü­gen hin und her.

      »So hör doch schon auf, dum­mes Lu­der«, brumm­te der Bal­do­we­rer und blick­te sich scheu um.

      »Ich kann mich nicht hal­ten, ho­ho­ho«, brüll­te Char­ley. »Wie er so da­hin­ges­aust ist und alle Au­gen­bli­cke an­ge­prallt ist ge­gen einen La­ter­nen­pfahl, grad als ob er auch aus Ei­sen wär – ho­ho­ho – und ich mit dem Rie­ger­lap­pen im Sack – ho­ho­ho -« und wie­der wälz­te sich Mas­ter Ba­tes vor La­chen auf der Tür­schwel­le.

      »Was meinst du wohl, was wird Fa­gin sa­gen?« frag­te der Bal­do­we­rer.

      »Na, was soll er denn sa­gen?«

      »Ja eben, das ists doch.«

      »Meinst du, er wird was sa­gen?« frag­te Mas­ter Char­ley und hielt in sei­ner Hei­ter­keit plötz­lich inne, denn das Be­neh­men sei­nes Kol­le­gen wirk­te be­ängs­ti­gend auf ihn.

      Mr.

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