Cooldown. Markus Vath

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Cooldown - Markus  Vath Dein Leben

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neuerer und ausgefeilterer Technik das Überlastungsproblem und die Informationsflut lösen zu können: mit E-Mail-Filtern, »intelligenten« To-do-Listen und Zeitplänen, angepasster Software etc. Diese Instrumente sind grundsätzlich sinnvoll. Aber sie sind und bleiben vor allem eins: Krücken. Kanäle, die zwischen mir und der Information stehen. Sinnvolles Informationsmanagement lässt sich nun mal nicht ausschließlich mit der »1 oder 0«-Entscheidung einer Software lösen. Ebenso wichtig sind Augenmaß und disziplinierte Gelassenheit. Eigenschaften, die der Mensch mitbringen muss und die ihm kein Smartphone abnehmen kann.

      Im besten Fall kombinieren wir für uns sinnvolle Informationen mit kompetenter Techniknutzung und der persönlichen Fähigkeit zum Auswählen und Aussortieren. Gelingt uns das, können wir unseren eigenen Informations- und Kommunikationsstil entwickeln. Im Arbeitsleben zeigt sich eine derartige Reifung durch individuelle, automatisierte Arbeitsabläufe.

      Wir wissen dann sofort, wie wir welche Informationen zu behandeln haben, schalten Informationsquellen bewusst an oder aus, sortieren und kategorisieren schnell und können ebenso schnell wieder zu unserer eigentlichen Aufgabe zurückkehren.

       Durch routiniertes Handeln vermeiden wir Selbstüberforderung

      So wie jeder Mensch einen individuellen Fingerabdruck hat oder einen ganz eigenen Gang, wird auch sein Informationsverhalten ganz individuell sein. Individuell nicht nur in einem natürlichen Sinn (das ist es ohnehin), sondern individuell in einem professionellen Sinn. Nicht mehr wie ein Amateurmusiker, der sich noch auf das Instrument in seiner Hand oder die Akkorde konzentrieren muss, sondern wie ein Profi, der bei jeder Note das ganze Stück im Kopf behält und weiß, welcher Sound entstehen soll. Wir brauchen Übung und Routine, die dafür sorgt, dass wir den Kopf frei haben für andere Dinge.

      Dieses Automatisieren ist ein wichtiger Schritt, für unser persönliches Wohlbefinden und für unsere Arbeitsfähigkeit. Im Lauf der letzten 200 Jahre haben wir als Menschheit einen unglaublichen technologischen, wirtschaftlichen, politischen und mentalen Entwicklungsschub gemacht. Es gab Sternstunden und Katastrophen, doch im Prinzip geht es aufwärts. Weil wir die Fähigkeit haben, uns anzupassen, uns weiterzuentwickeln. Diese Fähigkeit ist innerhalb der Dritten Transformation erneut gefragt, diesmal auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung und der Vernetzung. Dass uns das als Menschheit und Gesellschaft gelingen wird, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Und wenn man die Tatsache der »globalen Lernkurve« auf den Einzelnen und sein Arbeitsleben herunterbricht, sollten wir Dinge wie persönliche Einstellung, Informationskompetenz oder Verarbeitungsabläufe in den Mittelpunkt stellen und entsprechend Veränderungen starten.

      Was bedeutet die massenhafte digitale Vernetzung und die rasant gestiegene Kommunikation eigentlich für die Qualität von Information? Subjektiv kann durch die massenhafte Kommunikation das Gefühl entstehen, die Qualität von Information nehme ab. Anders formuliert: Man kann sich nicht nur über Philosophie unterhalten. Das RTL-Dschungelcamp braucht auch seinen Platz. Kommunikation im Alltag ist selbstverständlich dadurch gekennzeichnet, dass viele Informationen weder wahr noch gehaltvoll oder notwendig sind. Trotzdem sollte man sein eigenes Kommunikationsverhalten daraufhin prüfen, es durch verschiedene »Siebe« rinnen lassen, bevor man damit seine Umwelt beglückt. Das Modell der »drei Siebe« wird – fälschlicherweise – dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben. Obwohl es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von ihm stammt, macht das Modell ausschließlich unter dem Titel »Die drei Siebe des Sokrates« die Runde: Durch die drei Siebe (Fragen, die man sich selbst stellt) sollte ein Gedanke erst hindurchfallen, bevor man ihn ausspricht. Ein lohnenswerter Impuls – egal, aus welcher Quelle er nun stammt:

      

Das erste Sieb: Ist es wahr? Grundsätzlich darf man nur wahre Dinge sagen. Klingt hart, oder? Psychologen haben festgestellt, dass Menschen Dutzende Male am Tag lügen. Oft sind das keine großen Lügen. Manchmal lügt man aus Höflichkeit, aus Takt. Vielleicht hat die Lüge sogar ihre Berechtigung. Man will den anderen nicht verletzen. Aber es gibt auch niedere Motive: den eigenen Vorteil, Intrigen, Hass. Die Alltäglichkeit der Lüge hat sich sogar im Sprachgebrauch festgebrannt. Politiker bezichtigen sich gegenseitig nicht der »Lüge«, sondern der »Unwahrheit«. Folgt man der Regel des Modells, darf man nie lügen. Unwahrscheinlich schwer, doch es gibt ja noch die beiden anderen Siebe. Will sagen: Bevor ich lüge, habe ich nicht nur die Option, die manchmal schwere Wahrheit zu sagen, sondern – überhaupt nichts.

      

Das zweite Sieb: Hat es Güte? Wir sind über das erste Sieb hinaus. Das, was wir sagen wollen, stimmt. Jedenfalls in unserer Weltsicht. Wirkt es sich aber auch positiv aus, wenn ich es sage? Ist es konstruktiv, im besten Sinne gehaltvoll? Ist es von Respekt und Liebe dem anderen gegenüber getragen? Oder dient meine Aussage nur dazu, mich auf Kosten meines Gesprächspartners besser zu fühlen, ihn zu erniedrigen, während ich mich erhöhe? Das zweite Sieb fordert, meine Haltung gegenüber anderen Menschen zu erforschen und ehrlich zu mir selbst zu sein. Wenn ich mit meinen Aussagen Zwietracht säe, ist es nach dem Modell besser, zu schweigen – auch wenn sie wahr sind.

      

Das dritte Sieb: Ist es notwendig? Hier bedeutet »notwendig« buchstäblich »die Not wenden«. Ist meine Aussage sinnvoll für eine Verbesserung der Lage? Hilft sie dem anderen weiter? Schafft sie eine tragfähigere, positivere Beziehung zwischen dem anderen und mir? Man beachte, dass das, was ich sagen will, bereits durch das Sieb der Güte gefallen ist. Einen kritischen Punkt haben Sie bereits gemeistert. Jetzt kommt es auf Ihre Beurteilung an. Auch wenn ich jemanden respektiere, ja liebe, und ich ihm auch etwas Wahres sagen will: Kann er das im Moment brauchen? Oder stülpe ich ihm vielleicht meine Weltsicht über? Dies muss man entscheiden.

      Selbstverständlich beschreibt das Modell einen Idealzustand – von dem wir in aller Regel weit entfernt sind. Viele Menschen haben heute das Gefühl, weniger zu sagen, obwohl sie mehr kommunizieren. Auch das ist eine Folge der gefühlt gesunkenen Informationsqualität. Wichtig ist der Gedanke der Informations- und Kommunikationsqualität vor allem im Bereich der Arbeit. Dort reden und verhalten wir uns zielgerichtet. Wir wollen Aufgaben lösen, zusammenarbeiten etc.

       Wir müssen fragen: Welche Qualität hat Information?

      Auch wenn wir im Privatbereich durchaus »schlechte« oder »gehaltlose« Informationen konsumieren können und daher die Frage nach einer entsprechenden Qualität unnötig oder theoretisch erscheint, spielt Informationsqualität im Berufsleben eine große Rolle.

      Die Frage lautet: Kann man Kommunikationsqualität überhaupt messen? Ist Kommunikation nicht zu vielfältig, zu individuell? Eine berechtigte Frage, zu der das Fraunhofer-Institut für Informationsund Datenverarbeitung IITB in Karlsruhe ein interessantes Papier veröffentlicht hat. Unter dem Titel »Messbarkeit der Kommunikationsqualität – Ein neues Paradigma?« entwirft Professor Hartwig Steusloff Kriterien für das Messen von »Qualitätskommunikation«.23 So sind beispielsweise qualitative informationsgebende Mitteilungen Aussagen, »bei denen der jeweilige Sprecher eindeutig kennzeichnet, dass es sich bei seiner Mitteilung um seine individuelle Meinung, seinen Wunsch, seine Gefühle, seine Einstellung etc. handelt. […] Individualisierte informationsgebende Mitteilungen hoher Qualität sollen begründet sein. Der Mitteilende fördert durch Hintergrundinformation das Verstehen seiner Mitteilung, erhöht die Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz seiner Mitteilung und minimiert Missverständnisse auf Grund abweichender Interpretationen durch den / die Zuhörenden. […] Individualisierte informationsgebende Mitteilungen hoher Qualität sollen präzise Zeitangaben, eindeutige Mengenangaben und gegebenenfalls die Angabe von Fremdquellen enthalten.«24 Auch wenn das Papier noch sehr in Theorie und Abstraktion wurzelt, macht es einen Versuch, an Kommunikation objektivierbare Maßstäbe anzulegen. In fünfzehn

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