Das Narrenschiff. Sebastian Brant

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Das Narrenschiff - Sebastian Brant Klassiker der Weltliteratur

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id="ulink_b5d09325-4acf-537c-ad7a-00cb7cb54600">22. Die Lehre der Weisheit – Sucht nicht das Geld!

      imageeisheit ruft mit heller Stimm’:

      »Menschlich Geschlecht, mein Wort vernimm!

      Erfahrung achte stets, mein Kind!

      Aufmerket all, die töricht sind!

      Sucht die Belehrung, nicht das Geld!

      Weisheit ist besser als die Welt

      und alles, was man wünschen mag!

      Nach Weisheit trachte Nacht und Tag!

      Nichts ist, was ihr gleicht auf der Erd’;

      Weisheit im Rate ist gar wert;

      all Stärk’ und all Fürsichtigkeit

      ist einzig mein«, so spricht Weisheit.

      »Dem König die Krone aufs Haupt ich setze,

      ich schaff’ mit Recht alle Gesetze;

      durch mich die Fürsten haben ihr Land,

      durch mich die Macht ihr Recht erfand.

      Wer mich liebhat, den lieb’ auch ich;

      wer früh mich sucht, der findet mich.

      Bei mir ist Reichtum, Gut und Ehr’,

      mich hat besessen Gott der Herr

      von Anbeginn in Ewigkeit.

      Durch mich macht Gott all Ding bereit,

      und ohn’ mich ist gar nichts gemacht.

      Wohl dem, der mich stets hat in Acht.

      Drum, meine Söhne, seid nicht träge,

      selig, wer geht auf meinem Wege!

      Wer mich findet, hat Glück und Heil,

      wer mich haßt, dem wird Verderben zuteil!«

      Übel wird es den Narren gehn,

      sie werden den Glanz der Weisheit sehn

      und den Lohn, so jener ist bereit

      und währen wird in Ewigkeit,

      daß Schmerz sie greift; – sie werden sich

      in Jammer nagen ewiglich.

      Wer meint, vollkommen sei sein Heil

      und stetes Glück allein sein Teil,

      den trifft zuletzt der Donnerkeil.

image

      imageas ist ein Narr, der Rühmens macht,

      daß ihn das Glück stets angelacht

      und er Glück hab’ in jeder Sache:

      Der harrt des Schlägels76 auf dem Dache.

      Denn der Vergänglichkeit Glücksal

      ein Zeichen ist und ein Merkmal,

      daß Gott des Menschen ganz vergißt,

      der nicht zur Zeit geprüfet ist.

      Im Sprichwort man gemeinlich spricht:

      »Ein Freund den andern oft besicht77

      Ein Vater tadelt oft die Söhne,

      daß er an Rechttun sie gewöhne;

      ein Arzt gibt sauern und bittern Trank,

      daß desto eh genes’ der Krank’;

      ein Bader sondiert und schneidet die Wunde,

      damit der Sieche bald gesunde,

      und weh dem Kranken, wann verzagt

      der Arzt und nicht mehr mahnt noch sagt:

      »Das sollte der Sieche nicht haben getan

      und des nicht haben sich unterfahn!«

      Vielmehr spricht: »Gebt ihm nur recht hin

      das, was er will und was lüstet ihn!«

      Wen also der Teufel bescheißen will,

      dem gibt er Glück und Reichtum viel.

      Geduld ist besser in Armut

      denn aller Welt Glück, Reichtum, Gut.

      Auf Glück soll niemand Stolz empfinden,

      denn wenn Gott will, so wird es schwinden.

      Ein Narr schreit jeden Augenblick:

      »O Glück, was läßt du mich, o Glück?

      Wes zeihst du mich? Gib mir recht viel,

      weil ich ein Narr noch bleiben will!«

      Drum, größre Narren wurden nie

      denn die Glück hatten allzeit hie!

      Wer aller Welt Sorg’ auf sich ladet,

      nicht denkt, ob es ihm nützt ob schadet,

      hab auch Geduld, wenn man ihn badet.

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