Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Letzte Fahrt - Robert Falcon Scott страница 6

Letzte Fahrt - Robert Falcon  Scott Edition Erdmann

Скачать книгу

das die normale Stromrichtung hier oder die Wirkung vorherrschender Westwinde? Vielleicht ist diese Tatsache für den Zeitpunkt unserer Befreiung von größter Wichtigkeit. Jedenfalls aber ist nichts nervenaufregender und anspannender als dieser stündliche Wechsel aller Möglichkeiten.

      Einstweilen können wir nicht vorwärts und nicht rückwärts, und die großen Eisfelder scheinen sich aneinanderschließen zu wollen. Geduld! Inzwischen können wir Lotungen und manche biologische Arbeit ausführen.

      Mittwoch, 14. Dezember. Vom »Krähennest« (der Ausgucktonne) aus ist an mehreren Seiten offenes Wasser zu sehen, im Übrigen aber ist die Szene unverändert: ödes, hügeliges Packeis. Das Schiff dreht sich mit dem Wind und die Eisfelder ringsum sind in ständiger Bewegung; sie wechseln ihre Lage in langsamer, verstohlener, schleichender Weise. Die Lufttemperatur ist 2 Grad Celsius über null, die des Wassers ungefähr 1 Grad unter null.

      Das Packeis ist in der Regel ein sonnenloser Ort; nach einigen Stunden Sonnenschein gestern Morgen bewölkte sich der Himmel und es schneite trostlos. In solchen Stunden vergegenwärtigt man sich die entsetzliche Eintönigkeit langer Gefangenschaft im Packeis, wie Nansen und andere sie kennengelernt haben, und die Fantasie dehnt solche Tage zu endlosen Monaten und Jahren aus. Heute aber haben wir prächtigsten Sonnenschein, und wir waren alle mit Schneeschuhen auf dem Eisfeld, an dem wir uns heute Morgen verankerten. Es war so heiß, dass ein Kleidungsstück nach dem anderen abgelegt wurde und Oates und Atkinson einige Zeit nackt bis zum Gürtel umherliefen.

      Wenn unsere Gefangenschaft nicht zu lange dauert, ist sie uns ganz willkommen; sie übt uns in der Anwendung unserer Tiefseeausrüstung und wir brennen alle darauf, von dem Norweger Gran Schneeschuhlaufen zu lernen. Von Ungeduld ist daher noch nichts zu spüren. Die Dünung ist heute bedeutend stärker geworden, aber aus welcher Richtung sie kommt, ist unbestimmt.

      Donnerstag, 15. Dezember. Meares brachte heute zweimal sieben Hunde mit einem Schlitten auf das Eis, und zwar die, die am schlechtesten aussahen. Sie atmeten schwer und es ist ganz unverständlich, wie sie so fett werden konnten, denn sie bekommen täglich höchstens zweieinhalb Hundekuchen.

      Wir treiben beständig nordwärts, was recht ärgerlich ist, aber doch wenigstens nicht nach Osten. Unsere Beobachtungen ergaben bisher, dass die Eisfelder bei Nordwest- und Westwind sich zusammendrängen und bei Windstille auseinandergehen. Wir hoffen nun, dass sie sich bei Ost- oder Südostwind öffnen werden. Rennick lotete heute 3370 Meter Tiefe.

      Sonnabend, 17. Dezember. Gestern Morgen setzte der Wind aus Nordosten ein und brachte Schnee, leichten Hagel und Regen, der bis heute Morgen währte. Es ist, glaube ich, das erste Mal, dass ich jenseits des Südpolarkreises Regen erlebe. Das Eisfeld, auf dem wir Schneeschuh liefen, hat sich zerteilt; wir zogen daher gestern die Eisanker wieder ein, und mithilfe der Segel drängte sich das Schiff langsam durch die umfangreichen Eisfelder. Im Ganzen kamen wir etwa 6 Kilometer vorwärts, mussten aber schließlich wieder an einem ungeheueren Eisfeld anlegen, wo das Schiff unter Segel nicht durchkam, und heute haben wir uns den ganzen Tag kaum von der Stelle gerührt. Aber Eisberge, die uns im Lauf der Woche schon alte Freunde wurden, setzen sich in Bewegung; einer hat sich genähert und uns fast umkreist. Sie bewegen sich sehr unregelmäßig, müssen aber, genauso wie wir, in den letzten zwei Tagen etwas ostwärts gewandert sein.

      Sonntag, 18. Dezember. Was ist das doch für ein aufregendes Spiel! Nichts lässt sich für eine halbe, ja für eine Viertelstunde voraussagen! Eben sieht noch alles günstig aus – im nächsten Augenblick schon möchte man wieder verzweifeln!

      Um 3 Uhr früh wurde gemeldet, dass das Eis auseinandergehe, und daraufhin sofort angeheizt. Anfangs sah es schlimm aus, es dauerte mehr als eine halbe Stunde, ehe wir in Gang kamen, um uns nach einem großen Eisfeld hinzuarbeiten, das das Schiff unter Dampf voraussichtlich zerbrechen konnte. Dann aber weigerte es sich zu meinem Entsetzen, den Kampf mit dem Eisfeld aufzunehmen, und wir mussten unter endlosen Schwierigkeiten eine Rinne aufsuchen, die das Feld durchsetzte. Ein neues Feld stellte sich uns entgegen, es wurde umfahren und nun waren wir von 6 Uhr an ziemlich imstande, unseren Kurs zu halten. Um 8 Uhr erreichten wir sogar eine lange Durchfahrt offenen Wassers und frohlockten schon, aber dann stießen wir wieder auf mächtiges Buchteis. Unzweifelhaft verursacht dieses Buchteis die offenen Rinnen.

      Schneeböen sind in Pausen vorübergezogen, der Wind bleibt nordwestlich und es ist verhältnismäßig warm. Heute Abend sahen wir den ersten Kaiserpinguin.

      Montag, 19. Dezember. In der Nacht drängten wir uns durch einige der ungeheuersten Eisfelder, die ich je gesehen habe. Die Presseisrücken überragten die Oberfläche um 7 Meter, das Eis musste also mindestens 9 Meter in die Tiefe gehen, und die Stöße, die wir erhielten, machten den Eindruck unwiderstehlicher Festigkeit. Später kamen wir in lange Wasserkanäle und dünnes loses Packeis und machten Fortschritte. Aber der Ausblick heute Morgen ist der schlimmste, den wir bisher hatten. Ringsum mächtiges, aufgepresstes Packeis, so weit das Auge reicht, und überall gleich beunruhigend! Dabei fürchte ich, dass wir unser Steuer überanstrengt haben; nach einer Richtung hin funktioniert es nicht mehr! Wohl oder übel habe ich mich jetzt entschlossen, nach Westen vorzudringen – bloß heraus aus diesen fürchterlichen Eisfeldern! Es ist wirklich Pech!

      Mittags. 67° 54 ½’ südlicher Breite, 178° 28’ westlicher Länge. Schon wieder alles verändert! Ich weiß nicht, ob zum Guten oder Bösen! Das alte Eis ist weniger geworden, aber die Jungeisfelder, die ohne Zweifel alte Schollen umschließen, sind ungeheuer an Umfang gewachsen. Eines, das wir gerade passiert haben, muss fast 2 Kilometer breit sein; also ist die Dünung gleich null und das offene Wasser sehr fern!

      Nachmittags 5 Uhr 30. Wir fuhren an zwei ungeheueren Eisbergen vorüber, die lange Furchen offenen Wassers im Packeis hinterließen. Durch diese Furchen kamen wir mit fast 6 Kilometer Geschwindigkeit vorwärts, aber leider nach Südosten, und mit schwerem Herzen beobachtete ich das Anwachsen der Eisfelder auf beiden Seiten unserer Kanäle zu riesigen Dimensionen. Nur eins überraschte mich angenehm: Sie nahmen an Dicke ab. Gegen ½ 5 Uhr kamen wir an einem halben Dutzend tafelförmiger Eisberge von 5 bis 6 Metern Höhe vorüber.

      Jenseits dieser Berge, wurde dann gemeldet, gäbe es kein offenes Wasser mehr! Was nun? Mich packte die heftigste Unruhe. Ich sah uns schon auf endlose Wochen im Eis gefangen und nordwärts treiben und schließlich in weit vorgeschrittener Jahreszeit erst wieder frei werden. Umso erfreulicher war dann der Kontrast dieser trübseligen Vorstellungen mit der Wirklichkeit. Das Eis ringsumher erwies sich als kaum einen Meter dick, Wassertümpel standen darauf und allenthalben öffneten sich Durchfahrten mit leichtem und losem Packeis. Welch eine Erleichterung! Es schien uns fast wie eine Erlösung aus langer, grauenhafter Gefangenschaft. Evans riet zweimal dringend haltzumachen, und dreimal schwankte ich selbst! Welch ein Glück, dass ich mich nicht habe umstimmen lassen! Wenigstens liegt jetzt wieder eine gewaltige Fläche gefügigen Eises hinter uns!

      Wir sahen heute Morgen einen jungen Kaiserpinguin; als wir ihn zu fangen versuchten, tauchte ein Walfisch mit einer über einen Meter hohen, säbelförmigen Rückenflosse dicht neben dem Schiff auf; Wilson hält ihn für eine neue Art. Am Abend sahen wir zwei Seeleoparden; der eine machte kurze, lässige Tauchversuche unter den Eisfeldern und hatte schöne schlängelnde Bewegungen. Ein hübscher Anblick ist es auch, wenn die Schneesturmschwalbe und der Eissturmvogel in ihrer geduckten Haltung auf umgeschlagenen, überfluteten Schollen tauchen.

      Dienstag, 22. Dezember. Wir scheinen uns wieder in Geduld üben zu müssen. Das Eis hat sich abermals geschlossen und wir haben das Feuer ausgehen lassen müssen! Die Anzeichen von Pressungen haben sich wieder vermehrt. Eisberge waren die vorige Nacht nur wenige sichtbar, aber heute erscheinen sie wieder. Der Wind weht aus Westsüdwest mit Stärke 6; wenn er sich legt, wird sich das Eis wohl wieder öffnen!

      Mittwoch, 21. Dezember. Wilson ging über das Eisfeld, um einige Pinguine zu fangen. Er legte sich der Länge nach auf den Boden und begann zu singen,

Скачать книгу