Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott

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Letzte Fahrt - Robert Falcon  Scott Edition Erdmann

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die Segel mithelfen können und der Offizier auf Wache leichter beobachten kann, wenn ihm die Sonne nicht in die Augen scheint. Während ich dies schreibe, sieht das Packeis etwas loser aus. Wenn es sich nur nicht wieder zusammenschließt – nach Süden hin ist leider kein Zeichen offenen Wassers zu sehen!

      Donnerstag, 29. Dezember. Endlich ist der lang ersehnte Umschwung eingetreten! Wir dampfen zwischen Eisfeldern von geringem Umfang, die augenscheinlich infolge der Dünung geborsten sind und deren Ränder sich durch Reibung abgeschliffen haben. Der Übergang vollzog sich urplötzlich. Einmal hatten wir in der Nacht eine Stunde lang gar kein Eis, sodass wir trefflich vorwärtskamen. Heute Morgen durchbrachen wir große, zusammenhängende Eisfelder und jetzt werden die Eisschichten immer dünner. Sie sind in ziemlich regelmäßige Figuren zerborsten, von denen keine mehr als 30 Meter Durchmesser hat – der beste Beweis für die Nähe offenen Wassers. Der Wind bleibt nördlich und hilft uns vorwärts, der Himmel ist bewölkt, und leichter Graupelregen fällt; die Sonne versuchte ein- oder zweimal vergeblich, die Wolken zu durchbrechen. In der letzten Nacht hatten wir Glatteis; das Schiff war überall, auf jeder Planke und auf jedem Tau, von einer dünnen Eisschicht überzogen infolge des gefrierenden Regens.

      Es ist kein Zweifel mehr: Unsere Gefangenschaft geht zu Ende! Alles in allem haben wir zwanzig Tage und einige Stunden gebraucht, um durch das Packeis hindurchzukommen, und in gerader Linie mehr als 680 Kilometer zurückgelegt, 34 Kilometer am Tag. Aber wir haben auch 61 Tonnen Kohlen verbraucht, um uns diesen Weg zu bahnen, also auf 11 Kilometern durchschnittlich eine Tonne. Von zwanzig Tagen waren wir neun unter Dampf. Diese Zahlen sind nicht gerade sehr günstig, aber wenn man die außergewöhnlichen Verhältnisse erwägt, in die wir hineingeraten sind, darf man wohl sagen, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können.

      Auf der Suche nach einem Winterquartier

      Freitag, 30. Dezember. 72° 17’ südlicher Breite, 177° 9’ östlicher Länge. Endlich sind wir aus dem Packeis heraus! Diese Nacht um 1 Uhr steuerte Bowers die »Terra Nova« durch den letzten Eisstrom, und heute früh um 6 schwammen wir in offener See. Der gestrige Schneefall hatte aufgehört, aber der Himmel war noch grau und wolkig und hier und dort lagen Nebelstreifen. Um Mittag brach die Sonne durch Wolken und Nebel. Der Schneesturm der letzten Tage hatte alles Tauwerk mit einer Eisschicht bedeckt – jetzt blätterte sie ab und fiel klirrend auf das Deck, wo in der warmen Luft der feuchte Eisschlamm schnell verdunstete. Nach dem gestrigen Abend, wo alles triefte und man überall auf schlüpfrigen Schnee trat, war jedes trockene Fleckchen heute ein freudiges Ereignis.

      Vom Packeis befreit waren wir während des Tages tüchtig vorwärtsgekommen und ich berechnete schon, dass wir am Neujahrstag auf der Höhe von Kap Crozier, unserem voraussichtlichen Winterquartier, sein müssten – da erhob sich um 3 Uhr nachmittags eine scharfe Brise aus Südsüdwest, die uns gerade entgegenwehte und sich zu einem regelrechten Südsturm entwickelte. Abends um 8 schlichen wir nur noch mit 3 ½ Kilometer Geschwindigkeit vorwärts! Schon wieder ist das Glück uns entgegen! Der kurze, scharfe Seegang ist für die Ponys das reine Gift und auch für uns nicht gerade ermunternd. Der Gefangenschaft des Packeises endlich entronnen zu sein, ist gewiss ein herrlicher Gedanke – aber an die Eingriffe, die der Kampf der letzten vierzehn Tage in unsere Kohlenvorräte gemacht hat, darf ich gar nicht denken!

      Heute früh passierten wir einen kleinen Eisberg, auf dessen einer Seite sich ein Schwarm Eissturmvögel niedergelassen hatte, auf der anderen saßen Schneeschwalben. Augenscheinlich sind diese Vögel auf die Nahrung angewiesen, die ihnen See und Dünung auf die Eisränder hinaufwirft; nur wenige finden ihren Unterhalt im Packeis selbst, wo er zwar auch reichlich vorhanden, aber schwer zu erlangen ist. Eine Schar Eissturmvögel begleitete unser Schiff eine Strecke weit, indem sie es unermüdlich umkreisten! Die nördlicher lebenden Seevögel pflegen im Kielwasser zu folgen.

      Sonnabend, 31. Dezember, Silvesterabend. Die vorige Nacht war entsetzlich! Wir hatten Vorder- und Achtersegel gesetzt und damit unsere Geschwindigkeit, aber nicht unsere Behaglichkeit vergrößert. Schlafen konnte ich nicht, denn ich musste immer an die schauderhafte Lage der armen Ponys denken, und so schleppte sich die Nacht endlos hin. Während der Morgenwache nahmen Wind und Seegang noch zu und um 6 wurde wieder Eis vor uns gesichtet. Unter gewöhnlichen Umständen wäre nichts sicherer gewesen, als schnell ostwärts zu steuern, aber uns musste alles daran liegen, der Ponys wegen glatteres Wasser zu erreichen – also vorwärts durch den Eisstrom, über dem Wasser stark brandete! Bei so hohem Seegang zwischen losem Eis zu fahren, war überaus gefährlich; aber bald kamen wir an ein kompakteres Eisfeld, und als wir es glücklich hinter uns hatten, fanden wir zu unserer Überraschung verhältnismäßig glatte See.

      So weit war alles gut. Der Gefahr waren wir entronnen, aber nun erhob sich die Frage: Was wird länger dauern: der Sturm oder unser zeitweiliges Obdach, das uns zu dauerndem unnützen Kohlenverbrauch zwang?

      Im Laufe des Tages wurde unsere Zuflucht unsicherer. Aus Süden und Westen kamen Anzeichen von Packeis, und um 8 Uhr abends mussten wir westwärts dampfen, um anderswo Schutz zu suchen, in dem böigen Wind ein bedenkliches Unternehmen. Aber jetzt nahm der Wind von Minute zu Minute ab und legte sich schließlich ganz, und als sich um 10 Uhr die Wolken im Westen verzogen hatten, bot sich uns ein zwar ferner, aber herrlicher Anblick: Alle Berge des Südviktorialandes lagen im prächtigsten Sonnenschein! Mount Sabine und Mount Whewell traten am deutlichsten hervor, Letzterer von hier aus als ein schönes, scharfes Horn, eine ebenso auffallende Landmarke wie Mount Sabine, der 204 Kilometer entfernt war, als wir ihn sahen; aber die Luft war so klar, dass er auch in 270 Kilometer Entfernung ebenso gut sichtbar gewesen wäre.

      Der Sturm scheint nun endlich vorüber und das neue Jahr uns holder zu sein als das alte. Dann schreibe ich mit Vergnügen: Finis 1910!

      Sonntag, 1. Januar 1911. 73° 5’ südlicher Breite, 174° 11’ östlicher Länge. Um 4 Uhr morgens dampften wir langsam nach Südwesten, und um 8 waren wir aus dem Eis heraus und steuerten unter Fock- und Achtersegel südwärts. Um diese Zeit klärte sich der Himmel auf und wir hatten den ganzen Tag über strahlenden Sonnenschein; noch jetzt, um 11 Uhr abends, sonnen sich die Leute bei gänzlicher Windstille und sitzen lesend auf Deck. Das Land ist völlig klar: Die Coulmaninsel ist 140 Kilometer im Westen sichtbar.

      Die Dünung hat nachgelassen, aber nicht so schnell, wie ich erwartete. Doch sollen die Ponys sich gut gehalten haben, wie Oates meldet.

      Montag, 2. Januar. Eine herrliche Nacht! Und ein herrlicher Vormittag! Die Sonne schien fast unausgesetzt und einige von uns zogen Eimer voll Seewasser herauf, um auf Deck ein Bad mit Salzwasserseife zu nehmen. Das Wasser war natürlich eiskalt, aber sich hinterher von der Sonne trocknen zu lassen, war ein Genuss. Seit wir den Südpolarkreis überschritten haben, ist die Gewohnheit, auf Deck zu baden, eingeschlafen; nur Bowers ist ihr bei jedem Wetter treu geblieben.

      Abends 8 Uhr 30 sichteten wir den Mount Erebus in etwa 210 Kilometer Entfernung. Der Himmel ist mit leichten Haufenwolken bedeckt und der Wind weht aus Osten mit Stärke 2 bis 3. Da alle Segel gesetzt sind, kommen wir tüchtig vorwärts.

      Dienstag, 3. Januar. Meine nächste Hoffnung ist bereits zuschanden geworden: Kap Crozier mit all seinen Anziehungspunkten bleibt uns versagt!

      Schon am Morgen, als wir bei schönstem Wetter nur 45 Kilometer vom Kap entfernt waren und das Land immer deutlicher vor uns aufstieg, während der Erebus sich hinter Wolken verbarg, ahnte ich nichts Gutes: Wind und Dünung hatten zwar auf das fahrende Schiff wenig Einfluss, versprachen aber für die Landung die größten Schwierigkeiten. Bald nach Mittag kamen wir 9 Kilometer östlich von Kap Crozier an die Eisbarriere heran, die sich von dieser Ecke der Ross-Insel aus weithin nach Osten bis König-Eduard-Land erstreckt. Sie war nicht höher als 18 Meter und vom »Krähennest« aus gut zu überblicken; nach dem Rand zu senkte sich ein wenigstens 2 Kilometer langer sanfter Abhang, und dahinter war deutlich erkennbar, wie das Land der Schwarzen

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