Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott
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Etwa fünf oder sechs Schwertwale, alte und junge, streiften in der Nähe des Schiffes herum; sie schienen in großer Aufregung, tauchten hastig auf und nieder, streckten die Mäuler aus dem Wasser hervor und kamen bis dicht an das Eisfeld heran. Ich hatte zwar allerhand unheimliche Geschichten von diesen Tieren gehört, ihnen aber niemals etwas sonderlich Schlimmes zugetraut. Unmittelbar am Rand des Eisfeldes lag das Hecktau des Schiffes und an diesem Drahtseil waren die beiden Eskimohunde festgebunden. Aber ich verfiel gar nicht darauf, dass sie etwa die Aufregung der Schwertwale könnten verursacht haben, und rief nur eilig nach Ponting, weil die Tiere gar zu schön nahe waren. Ponting rannte mit seiner Kamera herbei, bereit, sie beim nächsten Auftauchen auf die Platte zu bringen; soeben waren sie verschwunden, aber im nächsten Augenblick wölbte sich das Eisfeld unter ihm und den Hunden und zerbarst in Stücke! Man hörte deutlich das dröhnende Geräusch, als die Walfische sich unter dem Eis aufrichteten und mit dem Rücken dagegen prallten. Dann tauchten sie einer nach dem anderen in den Spalten, die sie gebrochen hatten, hervor und streckten ihre hässlichen Riesenköpfe zwei, drei Meter über das Wasser, wobei ihre braungelbe Kopfzeichnung, ihre kleinen, funkelnden Augen und ihr schreckliches Gebiss – bei Weitem das größte und furchtbarste auf der Welt – deutlich zu sehen waren. Die Bestien sahen sich offenbar mit größtem Interesse danach um, was aus Ponting und den Hunden geworden war.
Ponting war glücklicherweise auf den Füßen geblieben und hatte sich mit ein paar Sprüngen auf festes Eis retten können, und auch von den beiden Hunden war keiner ins Wasser gefallen, da das Eis zufällig um sie herum und zwischen ihnen geborsten war, aber sie winselten und heulten nicht schlecht, als der Kopf eines Schwertwales keine zwei Meter vor ihnen auftauchte. Ob dann den Räubern das Spiel zu unbedeutend vorkam, weil ihnen Ponting dabei fehlte oder was sonst der Grund sein mochte: Sie verschwanden nach anderen Jagdgründen hin und wir konnten die Hunde, und was fast noch wichtiger war, mehrere Tonnen Petroleum, die auf einem nicht mit abgesplitterten Eisstück lagen, in Sicherheit bringen. Dass die Wale jeden, der etwa das Unglück hatte, ins Wasser zu stürzen, wegschnappen würden, darauf waren wir natürlich gefasst, aber dass sie mit so überlegter List handeln, gemeinsam vorgehen und Eis von fast einem Meter Dicke zertrümmern könnten, war uns etwas völlig Neues.
Ich kann also nur bestätigen, was die naturwissenschaftlichen Handbücher vom Schwertwal oder Mörder (Orca gladiator) vermelden, dass er an Kraft, Wildheit und Gefräßigkeit alle anderen Walarten übertrifft. Die ausgewachsenen Männchen sind durchschnittlich 6, die Weibchen 4 ½ Meter lang, doch soll man in Greenwich einen von 9 ½ Metern erlegt haben. Ihre Zähne – elf oder zwölf auf jeder Seite – sind 8 Zentimeter lang und stehen 6 Zentimeter über den Kinnbacken; sie sind überaus stark und scharf und die kegelförmigen Spitzen greifen ineinander. Man hat den Schwertwal beobachtet, wie er mit einem Seehund zwischen den Kinnbacken über der Oberfläche auftauchte, sein Opfer schüttelte, mit Leichtigkeit zermalmte und mit Behagen verschluckte. Im Magen eines dieser Raubtiere fand man die Überreste von dreizehn Delfinen und vierzehn Robben. Drei oder vier Schwertwale zusammen besinnen sich keinen Augenblick, die größten Bartenwale anzugreifen, die, vor Schreck gelähmt, oft gar keinen Versuch machen zu entrinnen; ja, sie verbinden sich zu Genossenschaften, um ganze Herden Wale zu jagen, in eine Bucht zu treiben und buchstäblich in Stücke zu zerreißen. Es sind Fälle vorgekommen, dass eine Schar Schwertwale über erbeutete Walfische herfiel, die an Fangschiffen vertäut waren; obwohl man sie mit Lanzen angriff und mit Schiffshaken verwundete, schleppten sie dennoch ihre Beute fort. An Intelligenz sind sie allen übrigen Walarten überlegen, und nach der heutigen Probe haben sie auch uns Achtung und Vorsicht eingeflößt; wir wissen jetzt, was wir von ihnen zu halten – und wessen wir uns zu versehen haben.
Heute besuchte ich einen gestrandeten Eisberg, in dem Ponting gestern eine wunderbare Grotte entdeckt hatte; durch ihre Rückwand leuchtete der Himmel wie durch einen Lichtschirm aus herrlichen Eiszapfen, und zwar mit einer königlichen Purpurfarbe, die durch den Kontrast mit dem Blau der Grotte oder durch optische Täuschung entstanden sein mag. Durch eine größere Öffnung konnte man, teils auch durch Eiszapfen hindurch, das Schiff, die Westberge und einen violetten Himmel erblicken – ein hinreißendes Bild, von dem Ponting mehrere prächtige Aufnahmen gemacht hat.
Im Übrigen ging die Arbeit heute trefflich vonstatten, wenn auch eine bessere Organisation und größere Vertrautheit mit den verschiedenen Aufgaben noch günstigere Resultate liefern werden. Der Bau der Hütte ist schon fast beendet; sie steht etwa 3 Meter über dem Wasser, ist also vor Spritzwellen geschützt, auch wenn wir bei eisfreier See Nordsturm haben sollten. Petroleum und das übrige Öl, Haferschrot für die Ponys und tausend andere Dinge sind schon an Land, und morgen sollen die Ponys mit der Arbeit beginnen. Den Hunden wird das Ziehen am warmen Tag sehr schwer; Meares will sie jetzt nachts arbeiten lassen. Die Motorschlitten fuhren heute unablässig hin und her, und Day und Nelson sind voller Optimismus, dass sie Wunderdinge damit verrichten werden. Ich fürchte nur, dass sie so schwere Lasten, wie ich mir gedacht hatte, doch nicht bewältigen können.
Freitag, 6. Januar. Ich ging heute zu Fuß über unsere Halbinsel, um ihre Südseite auszukundschaften. Hunderte von Skuamöwen nisten dort und griffen mich, wenn ich vorüberging, in ihrer gewöhnlichen Weise an: Unter wildem Geschrei flogen sie im Kreis umher und sausten dann aus einer bestimmten Höhe mit großem Ungestüm herunter, bis etwa ein paar Handbreit von meinem Kopf; dann schwangen sie sich wieder empor; die am kecksten waren, schlugen mich sogar mit den Flügeln. Im Anfang ist das eine etwas aufregende Sache; aber weiter geht der Angriff der Tiere nie.
Sonnabend, 7. Januar. Mit der Zeit werden die Ponys wohl Leben in die Bude bringen, besonders wenn sie erst wieder kräftiger werden. Schon jetzt gefallen sie sich in allerhand Kapriolen; die Glätte des Eises und der Schlitten hinter ihnen, den sie nicht loswerden können, macht sie nervös, störrisch und unlenksam. Ich hatte heute sieben Ponyfuhren und kam mit einer Beule und etlichen Schrammen davon. Das Pony Debenhams riss mit seinem Schlitten aus, aber gerade in die Station hinein – sehr unklug von dem Tier, denn Oates nahm es gleich wieder zu einer neuen Fuhre mit. Mehrere andere rannten den Hügel hinauf, als sie angeschirrt werden sollten, und so passierte allerlei, was Tiere und Menschen gefährden konnte; doch ging noch alles ohne ernsten Unfall ab. Auch ein Hundegespann brannte durch, und ein Hund, der sich überschlug, wurde einen Kilometer weit im Galopp mitgeschleift; es scheint ihm aber nicht weiter geschadet zu haben. Wenn ich nur wüsste, wo wir die Ponys im Winter unterbringen!
Auch sonst haben sich allerhand kleine Plagen eingefunden. Die Sonne strahlte heute heller als je mit blendendem Glanz, infolgedessen haben die Fälle von Schneeblindheit sehr zugenommen und an aufgesprungenen Gesichtern und Lippen, Blasen an den Füßen, Schnittwunden und Abschürfungen ist kein Mangel; fast jeder hat etwas abgekommen. Aber derlei gehört schließlich zum »Geschäft«.
Gleichwohl bekommt die Station schon das Aussehen eines geordneten Lagers und wir finden immer neue Vorteile ihrer Lage heraus. Der lange flache Strand ermöglicht es Bowers, unserem Proviantmeister, seine Vorratskisten übersichtlich aufzustellen, sodass alles gleich zur Hand ist. An der Hütte wird schon die Bretterverschalung aufgenagelt. Es soll hübsch warm und gemütlich bei uns werden; abgesehen davon, dass der Zwischenraum der Isolierung mit trockenem Seegras in abgesteppter Sackleinwand gefüllt ist, will ich auch noch alles Futter für die Ponys ringsum aufschichten lassen.
Nur eine Schattenseite hat unsere augenblickliche Lage. Das Eis in den Spalten und auch hier und dort auf den Feldern selbst wird schon dünn und schlammig; die Ponys treten oft mit den Füßen durch. Sie machen sich zwar nichts daraus und waren offenbar schon daran gewöhnt, aber Eile scheint mir doch dringend geboten und der morgige Sonntag kann kein Ruhetag sein. Ponting hatte schon ein sehr bedenkliches Erlebnis. Immer darauf erpicht, von eigenartigen Eisbildungen und überraschenden Wasserspiegelungen künstlerische Bilder zu bekommen, war er, seine Apparate auf seinem kleinen Schlitten hinter sich herziehend, wieder dem gestrandeten Eisberg zugewandert. Gerade war seine Schneebrille angelaufen, als er plötzlich das Eis unter sich nachgeben fühlt. Niemand ist in der Nähe, der ihm hätte beispringen können. Instinktiv eilt er vorwärts, bei jedem Schritt glaubt er durchzubrechen,