Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Читать онлайн книгу Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans Fallada страница 18
In der Jablonskistraße ist dann alles schön glattgegangen. Es wird ungefähr halb elf gewesen sein, als sie die Haustür aufgeschlossen haben mit einem richtigen, legalen Hausschlüssel. Dann haben sie ins Treppenhaus gelauscht, und als sich dort nichts rührte, das Treppenlicht angeknipst und sich bei seinem Schein die Schuhe ausgezogen, denn: »Wir müssen doch auf die Nachtruhe der anderen Mieter Rücksicht nehmen«, hat Barkhausen gegrinst.
Als das Licht wieder aus war, sind sie leise und rasch die Treppe hochgepinschert, und es ist alles glatt und ruhig gegangen. Sie haben keinen von den Anfängerfehlern gemacht, dass sie mit Krach gegen was angerannt sind oder dass ihnen ein Schuh hingepoltert ist, nein, in aller Stille sind sie die vier Stockwerke hochgepinschert. Also, sie haben ein feines Stück Treppenarbeit geleistet, obwohl sie doch beide keine richtigen Ganoven sind und obwohl sie sich beide in ziemlicher Aufregung befinden, der eine besonders wegen des gefüllten Gänsehalses, der andere wegen der Beute und der Persickes.
Das mit der Tür von der Rosenthal hat sich der Barkhausen hundertmal schwieriger vorgestellt, nur ins Schloss gezogen ist sie, ganz einfach aufzumachen, nicht mal abgeschlossen. Was das für ’ne leichtsinnige Frau ist, wo sie doch als Jüdin besonders vorsichtig sein müsste! So sind die beiden in die Wohnung gekommen, sie wissen eigentlich nicht mal, wie, so schnell ging das.
Dann hat der Barkhausen ganz ungeniert auf dem Flur Licht gemacht; er ist jetzt ganz ungeniert gewesen, und: »Wenn die olle Judensau quiekt, hau ich ihr einfach eines vor den Deez!«, hat er verkündet, genau wie er’s am Vormittag dem Baldur Persicke angekündigt hat. Sie hat aber nicht gequiekt. So haben sie sich zuerst mal in aller Ruhe auf dem kleinen Flur umgesehen, der ziemlich vollgestanden hat mit Möbeln und Koffern und Kisten. Nun ja, die Rosenthals haben ja eine große Wohnung bei ihrem Laden gehabt, und wenn man da so plötzlich raus muss und kriegt nur zwei Stuben mit Kammer und Küche, so quillt das ziemlich über, nicht wahr? Das muss man verstehen.
Es hat ihnen in den Fingern gezuckt, schon jetzt mit Stöbern und Nachsuchen und Packen anzufangen, aber der Barkhausen fand es dann doch richtiger, sich erst einmal nach der Rosenthal umzusehen und der ein Tuch vor den Mund zu binden, damit es keine Schwierigkeiten gibt. In der Stube hat’s so vollgestanden, dass man sich kaum hat rühren können, und sie haben schon begriffen, was hier steht, schaffen sie beide auch in zehn Nächten nicht weg, sie können sich nur das Beste aussuchen. In der anderen Stube hat’s nicht anders ausgesehen und in der Kammer auch so. Nur keine Rosenthal haben sie gefunden, das Bett ist unberührt gewesen. Der Ordnung halber hat der Barkhausen noch in der Küche und auf der Toilette nachgesehen, aber die Frau ist nicht da gewesen, und das ist das, was man Massel nennt, denn es spart Scherereien und erleichtert die Arbeit gewaltig.
Der Barkhausen ist in die erste Stube zurückgegangen und hat mit Kramen angefangen. Er hat gar nicht gemerkt, dass ihm sein Kumpel, der Enno, verlorengegangen ist. Der hat in der Speisekammer gestanden und ist bitterlich enttäuscht gewesen, dass es da keinen gefüllten Gänsehals gegeben hat, sondern nur ein paar Bollen und ein halbes Brot. Aber er hat doch mit Essen angefangen, hat sich die Bollen in Scheiben geschnitten und hat sie aufs Brot gepackt, und auch das hat ihm nach seiner Hungerei gut geschmeckt.
Wie Enno Kluge da aber so rumgekaut hat, ist sein Blick aufs untere Abteil des Regals gefallen, und er hat plötzlich gesehen, die Rosenthals, wenn sie auch nichts mehr zu beißen haben, zu trinken haben sie doch noch. Denn da unten im Regal haben Flaschen über Flaschen gestanden, Wein und auch Schnaps. Der Enno, der in allem immer ein mäßiger Mensch war, wenn’s nicht grade um Pferdewetten ging, hat sich eine Flasche Süßwein geschnappt und zuerst dann und wann seine Zwiebelstullen mit Süßwein angefeuchtet. Aber weiß der Himmel, wie das gekommen ist, plötzlich ist ihm das labbrige Gesöff zuwider gewesen, ihm, dem Enno, der sonst drei Stunden hinter demselben Glas Bier hocken konnte. Jetzt hat er sich eine Flasche Kognak aufgemacht und rasch hintereinander ein paar Schlucke genommen, die halbe Flasche hat er in fünf Minuten leer gemacht. Vielleicht ist’s der Hunger gewesen oder die Aufregung, was ihn so verändert hat. Das Essen hat er ganz aufgegeben.
Dann hat ihn auch der Schnaps nicht mehr interessiert, und er ist den Barkhausen suchen gegangen. Der hat noch immer in der großen Stube gestöbert, hat die Schränke und die Koffer aufgemacht, und was drin verpackt war, auf die Erde geschmissen, immer auf der Suche nach etwas noch Besserem.
»Junge, Junge, die haben wohl ihren ganzen Wäscheladen mitgenommen!«, hat Enno ganz überwältigt gesagt.
»Red nicht, hilf lieber!«, ist des Barkhausen Antwort gewesen. »Bestimmt ist hier noch Schmuck versteckt und Geld – das sind doch reiche Leute gewesen, die Rosenthals, Millionäre sind die gewesen –, und du hast von faulen Fischen geredet, Ochse, der du bist!«
Eine Weile haben die beiden schweigend gearbeitet, das heißt, sie haben immer mehr auf die Erde gerissen, und die hat mit Kleidern und Wäsche und Gerät schon so voll gelegen, dass sie mit ihren Schuhen drauf rumgetreten sind. Dann hat Enno, der vom Schnaps ganz benommen war, gesagt: »Ich seh nichts mehr. Ich muss mir erst ’nen klaren Kopf trinken. Hol mal ein bisschen Kognak aus der Speisekammer, Emil!«
Der Barkhausen ist ohne Widerrede gegangen und mit zwei Flaschen Schnaps zurückgekommen, und da haben sie sich denn einträchtig zusammen auf die Wäsche gesetzt, haben einen Schluck um den anderen getrunken und den ganzen Fall ernsthaft und gründlich diskutiert.
»Das ist ja klar, Barkhausen, den ganzen Kram kriegen wir so schnell nicht weg, und zu lange wollen wir hier auch nicht sitzen. Ich denke, jeder von uns nimmt sich zwei Koffer, und damit hauen wir erst mal ab. Ich denke, morgen Abend kommt wieder ’ne andere Nacht!«
»Recht haste, Enno, zu lange will ich hier nicht sitzen, schon wegen der Persickes.«
»Wer ist denn das?«
»Ach, so Leute … Aber wenn ich denke, ich haue mit zwei Koffern voll Wäsche ab und lasse hier einen Koffer mit Geld und Schmuck stehen, dann möchte ich mir selbst den Kopf abbeißen. Ein bisschen musste mich noch suchen lassen. Prost, Enno!«
»Prost, Emil! Warum sollste nich noch ein bisschen suchen? Die Nacht ist lang, und wir bezahlen die Lichtrechnung doch nicht. Aber was ich dich fragen wollte: Wo willst du denn mit deinen Koffern hin?«
»Wieso?