Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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reibt er die Hän­de mit ei­nem be­hag­li­chen »Soso!« an­ein­an­der, geht zum Gas­herd und schnup­pert in den Töp­fen. »Fein!«, sagt er. »Brüh­kar­tof­feln mit Rind­fleisch – fein­fein!«

      Er macht eine Pau­se, die Frau sitzt be­we­gungs­los, dreht ihm den Rücken. Er legt lei­se wie­der den De­ckel auf den Topf, stellt sich ne­ben sie, so­dass er auf sie hin­un­ter re­det: »Nun sitz bloß nicht so da, Eva, als wenn du so ’ne Mar­mor­fi­gur wärst! Was ist denn schon los? Du hast für ein paar Tage wie­der ’nen Mann in der Woh­nung, ich werd dir schon kei­ne Sche­re­rei­en ma­chen. Und was ich dir ver­spro­chen habe, das hal­te ich. Ich will auch nichts von den Brüh­kar­tof­feln – höchs­tens, wenn ein klei­ner Rest bleibt. Und auch den nur, wenn du ihn mir frei­wil­lig gibst – ich bit­te dich nicht dar­um.«

      Die Frau ant­wor­tet ihm mit kei­nem Wort. Sie stellt den Stopf­korb in den Schrank zu­rück, setzt einen tie­fen Tel­ler auf den Tisch, füllt sich aus den Töp­fen auf und fängt lang­sam zu es­sen an. Der Mann hat sich an das an­de­re Ende des Ti­sches ge­setzt, ein paar Sport­zei­tun­gen aus der Ta­sche ge­zo­gen und macht sich No­ti­zen in ein dickes, schmie­ri­ges No­tiz­buch. Da­bei wirft er von Zeit zu Zeit einen ra­schen Blick auf die es­sen­de Frau. Sie isst sehr lang­sam, aber sie hat sich schon zwei­mal nach­ge­füllt, viel wird be­stimmt nicht über­blei­ben für ihn, und er hat Hun­ger wie ein Wolf. Den gan­zen Tag, nein, seit dem Abend vor­her hat er nichts ge­ges­sen. Der Mann von der Lot­te, der auf Ur­laub aus dem Fel­de kam, hat ihn ohne jede Rück­sicht auf sein Früh­stück mit Schlä­gen aus dem Bet­te ge­jagt.

      Aber er wagt es nicht, Eva von sei­nem Hun­ger zu spre­chen, er hat Angst vor der schwei­gen­den Frau. Ehe er sich hier erst rich­tig wie­der zu Hau­se füh­len kann, muss noch al­ler­lei ge­sche­hen. Dass die­ser Mo­ment kom­men wird, dar­an zwei­felt er nicht einen Au­gen­blick: man kriegt jede Frau rum, nur be­harr­lich muss man sein und sich viel ge­fal­len las­sen. Schließ­lich, ganz plötz­lich meist, ge­ben sie nach, ein­fach weil ih­nen das Weh­ren über ist.

      Eva Klu­ge kratzt die Res­te aus den Töp­fen aus. Sie hat es ge­schafft, sie hat das Es­sen für zwei Tage an ei­nem Abend ge­schafft, aber nun kann er sie doch nicht um die Res­te an­bet­teln! Dann er­le­digt sie rasch das biss­chen Ab­wasch, und nun fängt sie eine große Um­räu­me­rei an. Di­rekt vor sei­nen Au­gen bringt sie al­les, was ihr ein biss­chen wert ist, in die Kam­mer. Die Kam­mer hat ein fes­tes Schloss, in die Kam­mer ist er noch nie rein­ge­kom­men. Sie schleppt die Ess­vor­rä­te, ihre gu­ten Klei­der und Män­tel, das Schuh­werk, die Kis­sen vom Kana­pee, ja, so­gar das Bild mit den bei­den Jun­gen in die Kam­mer – al­les vor sei­nen Au­gen. Es ist ihr ganz egal, was er denkt oder sagt. In die Woh­nung ist er mit List ge­kom­men, aber viel soll er da­von nicht ha­ben.

      Dann schließt sie die Kam­mer­tür ab und holt sich das Schreib­zeug an den Tisch. Sie ist tod­mü­de, sie läge am liebs­ten im Bett, aber sie hat sich nun ein­mal vor­ge­nom­men, heu­te Abend an den Kar­le­mann zu schrei­ben, so tut sie’s. Sie kann nicht nur hart ge­gen ih­ren Mann, sie kann auch hart ge­gen sich sein.

      Sie hat erst ein paar Sät­ze ge­schrie­ben, da beugt sich der Mann über den Tisch und fragt: »An wen schreibs­te denn, Ev­chen?«

      Un­will­kür­lich ant­wor­tet sie ihm, trotz­dem sie sich fest vor­ge­nom­men hat, nicht mehr mit ihm zu spre­chen. »An Kar­le­mann …«

      »So«, sagt er und legt die Zei­tun­gen aus der Hand. »So, also an den schreibs­te und schickst ihm wo­mög­lich auch noch Päck­chen, aber für sei­nen Va­ter has­te nicht mal ’ne Kar­tof­fel und ’n Hap­pen Fleisch üb­rig, hung­rig wie der ist!«

      Sei­ne Stim­me hat et­was von ih­rem gleich­gül­ti­gen Klang ver­lo­ren, sie klingt, als sei der Mann jetzt ernst­lich be­lei­digt und in sei­nem Recht ge­kränkt, weil sie dem Soh­ne et­was gibt, das sie dem Va­ter vor­ent­hält.

      »Lass man, Enno«, sagt sie ru­hig. »Das ist mei­ne Sa­che, der Kar­le­mann ist ein ganz gu­ter Jun­ge …«

      »So!«, sagt er. »So! Und das hast du na­tür­lich ganz ver­ges­sen, wie er zu sei­nen El­tern war, als sie ihn erst zum Schar­füh­rer ge­macht hat­ten? Wie du ihm nichts mehr recht ma­chen konn­test und er uns als alte, dum­me Bür­ger aus­ge­lacht hat – al­les ver­ges­sen, wa, Ev­chen? Ein gu­ter Jun­ge, wahr­haf­tig, der Kar­le­mann!«

      »Mich hat er nie aus­ge­lacht!«, ver­tei­digt sie ihn mit schwa­cher Stim­me.

      »Nee, na­tür­lich nicht!«, spot­tet er. »Und das hast du na­tür­lich auch ver­ges­sen, dass er sei­ne ei­ge­ne Mut­ter nicht ge­kannt hat, wenn sie mit der schwe­ren Post­ta­sche die Prenz­lau­er Al­lee lang­kam? Wie er da mit sei­nem Mäd­chen weg­ge­guckt hat, der fei­ne Kno­chen, der!«

      »So was kann man ’nem jun­gen Men­schen nicht übel­neh­men«, sagt sie. »Die wol­len alle mög­lichst fein vor ih­ren Da­men da­ste­hen, so sind sie alle. Das gibt sich spä­ter wie­der, der kommt zu­rück zu sei­ner Mut­ter, die ihn an der Brust ge­habt hat.«

      Ei­nen Au­gen­blick sieht er sie zö­gernd an, ob er auch das noch sa­gen soll. Er ist sonst wirk­lich nicht nach­tra­gend, aber dies­mal hat sie ihn zu sehr ge­kränkt, erst, weil sie ihm kein Es­sen gab, dann, als sie vor sei­nen Au­gen of­fen­sicht­lich alle gu­ten Sa­chen in die Kam­mer trug. So sagt er denn: »Ich, wenn ich ’ne Mut­ter wäre, ich möch­te so ’nen Sohn nie wie­der in mei­ne Arme neh­men, solch Schwein, wie der ge­wor­den ist!« Er sieht in ihre von der Angst ver­grö­ßer­ten Au­gen, er sagt es ihr er­bar­mungs­los in das wäch­ser­ne Ge­sicht hin­ein. »Auf dem letz­ten Ur­laub, da hat er mir ein Foto von sich ge­zeigt, das hat ein Ka­me­rad von ihm auf­ge­nom­men. Noch ge­prahlt hat er mit dem Bild. Da ist dein Kar­le­mann drauf zu se­hen, wie er so ’n Ju­den­kind von viel­leicht drei Jah­ren beim Bein hält, und mit dem Kopf haut er’s ge­gen die Stoß­stan­ge vom Auto …«

      »Nein! Nein!«, schreit sie. »Das hast du ge­lo­gen! Das hast du dir aus Ra­che aus­ge­dacht, weil ich dir kein Es­sen ge­ge­ben habe! So was tut Kar­le­mann nicht!«

      »Wie kann ich mir das denn aus­ge­dacht ha­ben?«, fragt er, schon wie­der ru­hi­ger, nach­dem er ihr die­sen Stoß ver­setzt hat. »Mir so was aus­zu­den­ken, habe ich gar nicht den Kopf! Und üb­ri­gens, wenn du mir nicht glaubst, dann kannst du ja in die De­stil­le von Senf­ten­berg ge­hen, da hat er das Foto al­len ge­zeigt. Der di­cke Senf­ten­berg und dem sei­ne Olle, die ha­ben es auch ge­se­hen …«

      Er hört auf zu re­den. Es ist sinn­los, jetzt mit die­ser Frau wei­ter­zu­re­den, sie sitzt da, den Kopf auf dem Tisch, und heult. Das hat sie da­von, und üb­ri­gens ist sie doch auch in der Par­tei und hat im­mer auf den Füh­rer und al­les, was er tat, ge­schwo­ren. Da kann sie sich doch nicht wun­dern, dass der Kar­le­mann so ge­wor­den ist.

      Ei­nen Au­gen­blick steht Enno Klu­ge und sieht zwei­felnd nach dem Kana­pee hin­über – kei­ne De­cke und kei­ne Kis­sen! Das kann ’ne schö­ne Nacht wer­den! Aber viel­leicht ist das gra­de jetzt der rich­ti­ge Au­gen­blick, was zu ris­kie­ren? Er steht zwei­felnd, sieht nach der ver­schlos­se­nen Kam­mer­tür hin, dann ent­schließt er sich. Er greift ein­fach in die Schür­zen­ta­sche der hem­mungs­los wei­nen­den Frau und holt den Schlüs­sel

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