Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans Fallada страница 10

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

was er­rei­chen wir da­mit, Tru­del?«, fragt Otto Quan­gel lei­se. »Ich sehe nicht, was wir da­mit er­rei­chen.«

      »Va­ter«, ant­wor­tet sie. »Ich hab’s im An­fang auch nicht ver­stan­den, und ganz rich­tig ver­steh ich’s noch im­mer nicht. Aber, weißt du, wir ha­ben hier so im Ge­hei­men eine kom­mu­nis­ti­sche Zel­le im Be­trieb ge­bil­det, ganz klein erst, drei Män­ner und ich. Da ist ei­ner bei uns, der hat’s mir zu er­klä­ren ver­sucht. Wir sind, hat er ge­sagt, wie der gute Same in ei­nem Acker voll Un­kraut. Wenn der gute Same nicht wäre, stün­de der gan­ze Acker vol­ler Un­kraut. Und der gute Same kann sich aus­brei­ten …«

      Sie hält inne, als sei sie über et­was zu­tiefst er­schro­cken.

      »Was ist, Tru­del?«, fragt er. »Das mit dem gu­ten Sa­men, das ist kein schlech­ter Ge­dan­ke. Ich wer­de dar­über nach­den­ken, ich habe so viel nach­zu­den­ken in nächs­ter Zeit.«

      Aber sie sagt voll Scham und Reue: »Nun habe ich das mit der Zel­le doch aus­ge­plap­pert, und ich habe doch hei­lig ge­schwo­ren, es kei­nem ein­zi­gen Men­schen zu ver­ra­ten!«

      »Dar­über mach dir kei­ne Ge­dan­ken, Tru­del«, sagt Otto Quan­gel, und sei­ne Ruhe über­trägt sich un­will­kür­lich auf das ge­quäl­te Ding. »Bei dem Otto Quan­gel geht so was zum einen Ohr rein und zum an­de­ren raus. Ich weiß von nichts mehr.« Mit ei­ner grim­mi­gen Ent­schlos­sen­heit starrt er jetzt auf das Pla­kat. »Da könn­te die gan­ze Ge­sta­po kom­men, ich weiß eben von nichts mehr. Und«, setzt er hin­zu, »und wenn du willst, und es macht dich ru­hi­ger, so kennst du uns eben von die­ser Stun­de an nicht mehr. Du brauchst auch heu­te Abend nicht mehr zu Anna zu kom­men, ich mach’s ihr schon ir­gend­wie mund­ge­recht, ohne ihr et­was zu sa­gen.«

      »Nein«, ant­wor­tet sie dar­auf, si­cher ge­wor­den. »Nein. Zur Mut­ter gehe ich heu­te Abend noch. Aber ich wer­de es den an­de­ren sa­gen müs­sen, dass ich mich ver­plap­pert habe, und viel­leicht wird dich ei­ner ver­neh­men, um zu se­hen, ob du auch zu­ver­läs­sig bist.«

      »Die sol­len mir nur kom­men!«, sagt Otto Quan­gel dro­hend. »Ich weiß von nichts. Ich hab mit Po­li­tik noch nie was zu tun ge­habt, mein gan­zes Le­ben lang nicht. Auf Wie­der­se­hen, Tru­del. Ich wer­de dich wohl heu­te nicht mehr se­hen, vor zwöl­fe kom­me ich fast nie von der Ar­beit zu­rück.«

      Sie gibt ihm die Hand und geht dann den Gang zu­rück, in das In­ne­re der Fa­brik hin­ein. Sie steckt nicht mehr so voll von sprü­hen­dem Le­ben, aber sie ist im­mer noch vol­ler Kraft. Gu­tes Mä­del!, denkt Quan­gel. Tap­fe­rer Kerl!

      Dann steht Quan­gel al­lein auf dem Gang mit sei­nen Pla­ka­ten, die in dem ewi­gen Zug lei­se ra­scheln. Er schickt sich an zu ge­hen. Aber vor­her tut er noch et­was, das ihn selbst über­rascht: Er nickt dem Pla­kat, an dem Tru­del wein­te, zu – mit ei­ner grim­mi­gen Ent­schlos­sen­heit.

      Im nächs­ten Au­gen­blick schämt er sich sei­nes Tuns. Das ist ja blö­de Fatz­ke­rei! Dann macht er, dass er nach Hau­se kommt. Es ist die al­ler­höchs­te Zeit, er muss so­gar eine Elek­tri­sche neh­men, was sei­nem Spar­sinn, der manch­mal fast an Geiz grenzt, ver­hasst ist.

      1 Die Hit­ler­ju­gend oder Hit­ler-Ju­gend (ab­ge­kürzt HJ) war die Ju­gend- und Nach­wuchs­or­ga­ni­sa­ti­on der Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Ar­bei­ter­par­tei (NSDAP). <<<

      5. Enno Kluges Heimkehr

      Um zwei Uhr nach­mit­tags war die Brief­trä­ge­rin Eva Klu­ge mit ih­rem Be­stell­gang fer­tig ge­wor­den. Bis ge­gen vier Uhr hat­te sie noch mit der Abrech­nung ih­rer Zahl­kar­ten und An­wei­sun­gen zu tun ge­habt: War sie sehr müde, ver­wirr­ten sich ihr die Zah­len, und sie ver­rech­ne­te sich im­mer wie­der. Mit bren­nen­den Fü­ßen und ei­ner schmer­zen­den Öde im Kopf mach­te sie sich auf den Heim­weg; sie moch­te gar nicht dar­an den­ken, was sie noch al­les zu tun hat­te, bis sie end­lich ins Bett ge­hen konn­te. Auf dem Heim­weg er­le­dig­te sie noch ihre Be­sor­gun­gen auf Kar­ten; beim Flei­scher muss­te sie ziem­lich lan­ge an­ste­hen, und so war es fast sechs Uhr ge­wor­den, als sie lang­sam die Stu­fen ih­rer Woh­nung am Fried­richs­hain em­por­stieg.

      Auf der Trep­pen­stu­fe vor ih­rer Tür stand ein klei­ner Mann in hel­lem Man­tel und mit Sport­müt­ze auf. Er hat­te ein farb­lo­ses Ge­sicht ohne al­len Aus­druck, die Li­der wa­ren ein we­nig ent­zün­det, die Au­gen blass, solch ein Ge­sicht, das man so­fort wie­der ver­gisst.

      »Du, Enno?«, rief sie er­schro­cken und nahm die Woh­nungs­schlüs­sel un­will­kür­lich fes­ter in die Hand. »Was willst du denn bei mir? Ich habe kein Geld und auch kein Es­sen, und in die Woh­nung las­se ich dich auch nicht!«

      Der klei­ne Mann mach­te eine be­ru­hi­gen­de Be­we­gung. »Wa­rum denn gleich so auf­ge­regt, Eva? Wie­so denn gleich so bös­ar­tig? Ich will dir doch bloß mal gu­ten Tag sa­gen, Eva. Gu­ten Tag, Eva!«

      »Gu­ten Tag, Enno!«, sag­te sie, aber nur wi­der­wil­lig, denn sie kann­te ih­ren Mann seit vie­len Jah­ren. Sie war­te­te eine Wei­le, dann lach­te sie kurz und böse auf. »Jetzt ha­ben wir uns gu­ten Tag ge­sagt, wie du woll­test, Enno, und du kannst ge­hen. Aber wie ich seh, gehst du nicht, was willst du also wirk­lich?«

      »Siehs­te, Ev­chen«, sag­te er, ihr im­mer gut zu­re­dend. »Du bist ’ne ver­nünf­ti­ge Frau, und mit dir kann man ’n Wort re­den …« Er fing an, ihr um­ständ­lich aus­ein­an­der­zu­set­zen, dass die Kran­ken­kas­se nicht mehr län­ger zahl­te, weil er sei­ne sechs­und­zwan­zig Wo­chen Krank­sein rum hat­te. Er muss­te wie­der ar­bei­ten ge­hen, sonst schick­ten sie ihn zu­rück zur Wehr­macht, die ihn sei­ner Fa­brik zur Ver­fü­gung ge­stellt hat­te, weil er Fein­me­cha­ni­ker war, und die wa­ren knapp. »Die Sa­che ist nun die und der Um­stand der«, schloss er sei­ne Er­klä­run­gen, »dass ich die nächs­ten Tage einen fes­ten Wohn­sitz ha­ben muss. Und da habe ich ge­dacht …«

      Sie schüt­tel­te ener­gisch den Kopf. Sie war zum Um­sin­ken müde und sehn­te sich da­nach, in die Woh­nung zu kom­men, wo so viel Ar­beit auf sie war­te­te. Aber sie ließ ihn nicht ein, ihn nicht, und wenn sie die hal­be Nacht hier ste­hen muss­te.

      Er sag­te ei­lig, aber es klang im­mer gleich farb­los: »Sag noch nicht nein, Ev­chen, ich bin noch nicht zu Ende mit mei­nen Wor­ten. Ich schwö­re dir, ich will gar nichts von dir, kein Geld, kein Es­sen. Lass mich bloß auf dem Kana­pee schla­fen. Ich brauch auch kei­ne Bett­wä­sche. Du sollst nicht Ar­beit von mir ha­ben.«

      Wie­der schüt­tel­te sie den Kopf. Wenn er bloß auf­hö­ren woll­te mit re­den, er soll­te doch wis­sen, dass sie ihm nicht ein Wort glaub­te. Er hat­te noch nie ge­hal­ten, was er ver­spro­chen hat­te.

      Sie frag­te: »Wa­rum machst du das nicht bei ei­ner von dei­nen Freun­din­nen ab? Die sind dir doch sonst gut ge­nug für so was!«

      Er schüt­tel­te den Kopf: »Mit den Wei­bern bin ich durch, Ev­chen, mit de­nen be­fass ich mich nicht mehr, mit de­nen

Скачать книгу