Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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hat er fünf Bla­gen von ihr, das heißt, die meis­ten sind wohl kaum von ihm, und sie kann schimp­fen wie ’n Fisch­weib in der Markt­hal­le. Schla­gen tut das Aas auch, zwi­schen die Kin­der, und wenn’s ihn trifft, so gibt es eben ’ne klei­ne Klop­pe­rei, bei der sie im­mer das meis­te be­zieht, aber das macht sie nicht klug.

      Nein, er kann nicht ohne Geld zur Otti kom­men. Plötz­lich fällt ihm die alte Ro­sen­thal ein, die da jetzt ganz al­lein, ohne al­len Schutz im vier­ten Stock Ja­blons­ki­stra­ße 55 wohnt. Dass ihm die olle Jü­din nicht eher ein­ge­fal­len ist, die ist doch ein loh­nen­de­res Ge­schäft als der alte Gei­er, der Quan­gel! Sie ist ’ne gut­mü­ti­ge Frau, er weiß es noch von frü­her, als sie noch ihr Wä­sche­ge­schäft hat­ten, und zu­erst wird er es auch auf die sanf­te Tour ver­su­chen. Will sie aber nicht, so gibt er ihr ein­fach einen vor den Deez! Ir­gend­was wird er schon fin­den, ein Schmuck­stück oder Geld oder was zu es­sen, ir­gend­ei­ne Sa­che, durch die Otti be­sänf­tigt wird.

      Wäh­rend Bark­hau­sen so über­legt und sich im­mer wie­der aus­malt, was er wohl fin­den wird – denn die Ju­den ha­ben noch al­les, sie ver­ste­cken’s bloß vor den Deut­schen, de­nen sie’s ge­stoh­len ha­ben –, wäh­rend sol­cher Ge­dan­ken geht Bark­hau­sen im­mer schnel­ler in die Ja­blons­ki­stra­ße zu­rück. Als er un­ten im Trep­pen­haus an­ge­kom­men ist, lauscht er lan­ge hin­auf. Er möch­te doch nicht ger­ne, dass ihn je­mand hier im Vor­der­haus sähe, er selbst wohnt im Hin­ter­haus, was sich Gar­ten­haus schimpft, im Sou­ter­rain, hat also zu gut deutsch eine Kel­ler­woh­nung. Ihn selbst stört das nicht, nur we­gen der Leu­te ist es ihm manch­mal pein­lich.

      Es rührt sich nichts im Trep­pen­haus, und Bark­hau­sen fängt an, ei­lig, aber lei­se die Stu­fen hoch­zu­stei­gen. Aus der Woh­nung der Per­sickes schallt wüs­ter Lärm, Ge­joh­le und Ge­läch­ter, die fei­ern schon mal wie­der. An so ’ne wie die Per­sickes müss­te er mal An­schluss be­kom­men, die ha­ben die rich­ti­gen Ver­bin­dun­gen, dann gin­ge es auch mit ihm vor­an. Aber sol­che se­hen einen Ge­le­gen­heits­s­pit­zel, wie er ist, na­tür­lich gar nicht an; be­son­ders die Jun­gen in der SS und der Bal­dur sind un­glaub­lich hoch­nä­sig. Der Alte ist schon bes­ser, schenkt ihm manch­mal fünf Mark, wenn er an­ge­sof­fen ist …

      In der Woh­nung der Quan­gels ist al­les still, und eine Trep­pe hö­her bei der Ro­sen­thal hört er auch kei­nen Laut, so lan­ge er auch das Ohr ge­gen die Tür legt. So klin­gelt er rasch und ge­schäfts­mä­ßig, wie es etwa der Brief­bo­te täte, der es ei­lig hat, wei­ter­zu­kom­men.

      Aber nichts rührt sich, und nach ein, zwei Mi­nu­ten War­ten ent­schließt sich Bark­hau­sen zu ei­nem zwei­ten und spä­ter zu ei­nem drit­ten Klin­geln. Da­zwi­schen lauscht er, hört nichts, flüs­tert aber doch durch das Schlüs­sel­loch: »Frau Ro­sen­thal, ma­chen Sie doch auf! Ich bring Ih­nen Nach­richt von Ihrem Mann! Schnell, ehe mich ei­ner sieht! Frau Ro­sen­thal, ich hör Sie doch, ma­chen Sie schon auf!«

      Da­zwi­schen klin­gelt er im­mer wie­der, aber al­les ganz er­folg­los. Schließ­lich packt ihn die Wut. Er kann doch nicht auch hier wie­der ganz er­folg­los ab­zie­hen, mit der Otti gibt es einen Hei­den­stunk. Die olle Jüd­sche soll raus­ge­ben, was sie ihm ge­stoh­len hat! Er klin­gelt ra­send, und da­zwi­schen schreit er am Schlüs­sel­loch: »Mach uff, du olle Ju­densau, oder ich la­ckier dir die Fres­se, dass du nich mehr aus den Au­gen kie­ken kannst! Ich bring dich heu­te noch ins KZ, wenn du nicht auf­machst, ver­damm­te Jüd­sche!«

      Wenn er jetzt bloß Ben­zin bei sich hät­te, er steck­te dem Aas auf der Stel­le die Türe an!

      Aber plötz­lich wird Bark­hau­sen ganz still. Er hat tiefer un­ten eine Woh­nungs­tür ge­hen ge­hört, er drückt sich eng an die Wand. Kei­ner darf ihn hier se­hen. Na­tür­lich wol­len die auf die Stra­ße, er muss jetzt bloß stil­le sein.

      Doch der Schritt geht trepp­auf, un­auf­halt­sam, wenn auch lang­sam und stol­pernd. Es ist na­tür­lich ei­ner von den Per­sickes, und ein be­sof­fe­ner Per­si­cke, das ist gra­de, was dem Bark­hau­sen jetzt ge­fehlt hat. Na­tür­lich will der auf den Bo­den, aber der Bo­den ist durch eine ver­schlos­se­ne Ei­sen­tür ge­si­chert, da gib­t’s kein Ver­steck. Nun ist nur noch die ein­zi­ge Hoff­nung, dass der Be­trun­ke­ne, ohne ihn zu mer­ken, an ihm vor­über­geht; wenn’s der alte Per­si­cke ist, kann’s pas­sie­ren.

      Und er hebt den Fuß mit dem ge­na­gel­ten Schuh, setzt ihn aber gleich wie­der hin: zum Fuß­tritt­ge­ben steht er zu wack­lig auf den Fü­ßen.

      Ei­nem Ton wie dem eben ist der Bark­hau­sen ein­fach nicht ge­wach­sen. Wenn er so an­ge­schnauzt wird, kriecht er ganz in sich zu­sam­men, hat bloß Angst. Er flüs­tert de­mü­tig: »Ent­schul­di­gen Sie bloß, Herr Per­si­cke! Woll­te mir nur mal ’nen klei­nen Spaß mit der ol­len Jüd­schen ma­chen!«

      Der Bal­dur legt vor an­ge­streng­tem Nach­den­ken die Stir­ne in Fal­ten. Nach ei­ner Wei­le sagt er: »Klau­en wollts­te, du Aas, das ist dein Spaß mit der ol­len Jüd­schen. Na, geh vor­an!«

      So grob die Wor­te auch wa­ren, so klan­gen sie doch zwei­fels­frei wohl­wol­len­der; für so was hat­te Bark­hau­sen ein fei­nes Ohr. So sagt er denn mit ei­nem für den Witz um Ent­schul­di­gung bit­ten­den Lä­cheln: »Ick klau doch nicht, Herr Per­si­cke, ick or­ga­ni­sier bloß manch­mal ein biss­chen!«

      Bal­dur Per­si­cke er­wi­dert das Lä­cheln nicht. Mit sol­chen Leu­ten macht er sich nicht ge­mein, wenn sie auch manch­mal nütz­lich sein kön­nen. Er klet­tert nur vor­sich­tig hin­ter Bark­hau­sen die Trep­pe hin­un­ter.

      Bei­de Män­ner sind so mit ih­ren Ge­dan­ken be­schäf­tigt, dass sie dar­auf nicht acht­ha­ben, dass die Fl­ur­tür bei den Quan­gels jetzt nur an­ge­lehnt ist. Und sie wird so­fort wie­der ge­öff­net, als die bei­den Män­ner vor­über sind. Anna Quan­gel huscht ans Trep­pen­ge­län­der und lauscht hin­un­ter.

      Vor der Fl­ur­tür der Per­sickes hebt Bark­hau­sen stramm die Hand zum deut­schen Gruß: »Heil Hit­ler, Herr Per­si­cke! Und ich dan­ke Ih­nen auch schön!«

      Wo­für er ei­gent­lich dankt, weiß er selbst nicht so ge­nau. Vi­el­leicht, weil er nicht mit dem Fuß in den Hin­tern ge­tre­ten und die Trep­pe hin­un­ter­ge­wor­fen ist. Er hät­te sich das ja auch ge­fal­len las­sen müs­sen, solch klei­ner Pin­scher wie er ist.

      Bal­dur Per­si­cke er­wi­dert den Gruß nicht. Er starrt den an­de­ren mit sei­nen gla­si­gen Au­gen an und er­reicht, dass der nach kur­z­em zu blin­zeln an­fängt und den Blick zur

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