Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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im Sand, wie er da Mit­leid mit den ar­men Hot­tos hat­te – ob sie krank sei­en? Sie muss­te ihn be­ru­hi­gen, die Hot­tos schlie­fen nur.

      Und nun ging er hin und tat den Kin­dern an­de­rer Müt­ter dies an! Nicht einen Au­gen­blick zwei­fel­te Frau Eva Klu­ge dar­an, dass das mit dem Bil­de stimm­te, Enno war wirk­lich nicht fä­hig, sich so was aus­zu­den­ken. Nein, sie hat­te nun auch den Sohn ver­lo­ren. Es war viel schlim­mer, als wenn er ge­stor­ben wäre, dann hät­te sie we­nigs­tens über ihn trau­ern kön­nen. Jetzt konn­te sie ihn nie mehr in die Arme neh­men, auch vor ihm muss­te sie ihr Heim ver­schlos­sen hal­ten.

      Der su­chen­de Mann in der Kam­mer hat un­ter­des das ge­fun­den, was er längst im Be­sitz sei­ner Frau ver­mu­te­te: ein Post­spar­kas­sen­buch. 632 Mark drauf, ’ne tüch­ti­ge Frau, aber ei­gent­lich wozu so tüch­tig? Sie kriegt doch mal ei­nes Ta­ges ihre Ren­te, und was sie sonst ge­spart hat … Er wird mor­gen erst mal je­den­falls 20 Mark auf Ade­bar set­zen und viel­leicht 10 auf Ha­mil­kar … Er blät­tert wei­ter in dem Buch: nicht nur ’ne tüch­ti­ge Frau, auch ’ne or­dent­li­che. Al­les liegt bei­sam­men: hin­ten im Buch ist die Kon­troll­mar­ke, und die Aus­zah­lungs­zet­tel feh­len auch nicht …

      Er will das Buch gra­de in die Ta­sche ste­cken, da ist die Frau bei ihm. Sie nimmt ihm das Buch ein­fach aus der Hand und legt es aufs Bett. »Raus!«, sagt sie nur. »Raus!«

      Und er, der eben noch den gan­zen Sieg fest in sei­nen Hän­den glaub­te, geht vor ih­ren bö­sen Au­gen aus der Kam­mer. Mit zit­tern­den Hän­den, ohne auch nur ein Wort zu wa­gen, hol­te er Man­tel und Müt­ze aus dem Schrank, ohne ein Wort ging er durch die ge­öff­ne­te Tür an ihr vor­bei ins dunkle Trep­pen­haus. Die Tür wur­de ins Schloss ge­zo­gen, er knips­te die Trep­pen­be­leuch­tung an und stieg die Stu­fen hin­ab. Gott­lob hat­te je­mand die Haus­tür of­fen­ge­las­sen. Er wird in sei­ne Stamm­knei­pe ge­hen; zur Not, wenn er nie­man­den fin­det, lässt ihn der Bu­di­ker auf dem Sofa dort schla­fen. Er mar­schiert los, in sein Schick­sal er­ge­ben, ge­wohnt, Schlä­ge ein­zu­ste­cken. Die Frau oben hat er schon wie­der halb ver­ges­sen.

      Sie aber steht am Fens­ter und starrt in das abend­li­che Dun­kel hin­aus. Schön. Schlimm. Auch Kar­le­mann ist ver­lo­ren. Sie wird es noch mit Max ver­su­chen, dem jün­ge­ren Sohn. Max war im­mer farb­lo­ser, mehr der Va­ter als sein glän­zen­der Bru­der. Vi­el­leicht kann sie sich in Max einen Sohn ge­win­nen. Und wenn nicht, nun gut, dann wird sie eben für sich al­lein le­ben. Aber sie wird an­stän­dig blei­ben. Dann hat sie eben das im Le­ben er­reicht, dass sie an­stän­dig ge­blie­ben ist. Gleich mor­gen wird sie hor­chen, wie man es an­fängt, aus der Par­tei her­aus­zu­kom­men, ohne dass die sie ins KZ ste­cken. Es wird schwer fal­len, aber viel­leicht schafft sie es. Und wenn es eben gar nicht an­ders sein kann, geht sie ins KZ. Das ist dann ge­wis­ser­ma­ßen ein klein biss­chen Süh­ne für das, was Kar­le­mann ge­tan hat.

      Sie zer­knüllt den an­ge­fan­ge­nen, ver­wein­ten Brief an den Äl­te­ren. Sie legt ein neu­es Brief­blatt hin und be­ginnt zu schrei­ben:

      »Lie­ber Sohn Max!

      Ich will Dir wie­der mal ein Brief­lein schrei­ben. Mir geht es noch gut, was ich auch von Dir hof­fe. Va­ter war eben hier, aber ich habe ihm die Tür ge­wie­sen, er woll­te doch nur von mir zie­hen. Auch von Dei­nem Bru­der Karl habe ich mich los­ge­sagt, we­gen der Scheuß­lich­kei­ten, die er be­gan­gen hat. Jetzt bist Du mein ein­zi­ger Sohn. Ich bit­te Dich, blei­be im­mer an­stän­dig. Ich will auch al­les tun, was ich für Dich kann. Schrei­be mir bald auch ein­mal ein Brief­lein. Es grüßt und küsst Dich

      Dei­ne Mut­ter.«

      6. Otto Quangel gibt sein Amt auf

      Die mit etwa acht­zig Ar­bei­tern und Ar­bei­te­rin­nen be­setz­te Werk­statt der Mö­bel­fa­brik, der Otto Quan­gel als Werk­meis­ter vor­stand, hat­te bis zum Kriegs­aus­bruch nur Ein­zel­mö­bel nach Zeich­nun­gen her­ge­stellt, wäh­rend die Fa­brik sonst in al­len ih­ren an­de­ren Ab­tei­lun­gen nur Mas­sen­mö­bel an­fer­tig­te. Mit dem Kriegs­be­ginn war der gan­ze Be­trieb auf die Her­stel­lung von Hee­res­gut um­ge­stellt wor­den, und der Quan­gel’­schen Werk­statt war da­bei die Auf­ga­be zu­ge­fal­len, ge­wis­se, sehr schwe­re und große Kis­ten her­zu­stel­len, von de­nen be­haup­tet wur­de, sie dienten zum Trans­port schwe­rer Bom­ben.

      Was Otto Quan­gel an­ging, so war es ihm ganz egal, wozu die Kis­ten dienten; er fand die­se neue, geist­lo­se Ar­beit sei­ner un­wür­dig und ver­ächt­lich. Er war ein rich­ti­ger Kunst­tisch­ler ge­we­sen, den die Ma­se­rung ei­nes Hol­zes, die An­fer­ti­gung ei­nes schön ge­schnitz­ten Schran­kes mit ei­nem Ge­fühl tiefer Be­frie­di­gung er­fül­len konn­te. Er hat­te bei sol­cher Ar­beit so viel Glück emp­fun­den, wie ein Mensch sei­ner küh­len Ver­an­la­gung nur emp­fin­den kann. Jetzt war er zu ei­nem blo­ßen An­trei­ber und Auf­pas­ser hin­ab­ge­sun­ken, der nur noch dar­auf zu ach­ten hat­te, dass sei­ne Werk­statt ihr Soll und mög­lichst mehr als die­ses Soll er­füll­te. Sei­ner Art nach hat­te er aber nie ein Wort über die­se Ge­füh­le ver­lo­ren, und sein schar­fes, vo­gel­haf­tes Ge­sicht hat­te nie et­was von der Ver­ach­tung, die er für die­se er­bärm­li­che Fich­ten­holz­ar­beit emp­fand, ver­ra­ten. Hät­te ihn je­mand ge­nau­er be­ob­ach­tet, so hät­te er be­merkt, dass der we­nig re­den­de Quan­gel nun über­haupt nichts mehr sprach und dass er un­ter die­sem Zu­trei­ber­sys­tem eher ge­neigt war, die Sie­ben gra­de sein zu las­sen.

      Aber wer soll­te auf einen so tro­ckenen, un­aus­gie­bi­gen Mann wie Otto Quan­gel groß ach­ten? Er schi­en zeit sei­nes Le­bens nur ein Ar­beit­s­tier ge­we­sen zu sein, ohne ir­gend­ein an­de­res In­ter­es­se als das für die Ar­beit, die er zu ver­rich­ten hat­te. Er hat­te nie einen Freund hier be­ses­sen, nie zu je­man­dem ein freund­li­ches Wort ge­spro­chen. Ar­beit, nur Ar­beit, ganz gleich, ob Men­schen oder Ma­schi­nen, wenn sie nur ihre Ar­beit ta­ten!

      Da­bei war er nicht ein­mal un­be­liebt, trotz­dem er die Auf­sicht über die Werk­statt hat­te und zur Ar­beit an­trei­ben muss­te. Aber er schimpf­te nie, und er schwärz­te nie je­man­den bei den Her­ren vor­ne an. Schi­en ihm ir­gend­wo die Ar­beit nicht rich­tig vor­an­zu­ge­hen, so ging er dort­hin und be­sei­tig­te wort­los mit sei­nen ge­schick­ten Hän­den das Ar­beits­hin­der­nis. Oder er stell­te sich zu ein paar Schwät­zern und blieb, die dunklen Au­gen fast blick­los auf die Spre­chen­den ge­hef­tet, so lan­ge bei ih­nen ste­hen, bis ih­nen die Lust zum Wei­ter­re­den ver­gan­gen war. Stän­dig ver­brei­te­te er ein Ge­fühl von Küh­le um sich. In den kur­z­en Ru­he­pau­sen such­ten die Ar­bei­ter mög­lichst ent­fernt von ihm zu sit­zen, und so ge­noss er eine ihm ganz selbst­ver­ständ­lich ge­zoll­te Ach­tung, die ein an­de­rer mit noch so viel Re­den und An­feu­ern sich nicht ver­schafft hät­te.

      Auf der Fa­brik­lei­tung wuss­ten sie auch wohl, was sie an Otto Quan­gel hat­ten. Sei­ne Werk­statt er­ziel­te stets die höchs­ten Leis­tun­gen, es gab nie Schwie­rig­kei­ten mit den Leu­ten, und Quan­gel war wil­lig. Er wäre längst auf­ge­rückt, wenn er sich hät­te ent­schlie­ßen kön­nen, in die Par­tei ein­zu­tre­ten. Aber das lehn­te er stets ab. »Für so was habe ich kein Geld üb­rig«, sag­te er dann wohl. »Ich brauch jede

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