Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

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Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke

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warum erzog man mich im Frauenhaus,

      ein weiches reines Kleid für dich zu weben,

       darin nicht einmal die geringste Spur

       von Naht dich drückt –: so war mein ganzes Leben,

       und jetzt verkehrst du plötzlich die Natur.

       Inhaltsverzeichnis

      JETZT wird mein Elend voll, und namenlos

       erfüllt es mich. Ich starre wie des Steins

       Inneres starrt.

       Hart wie ich bin, weiß ich nur Eins :

       Du wurdest groß –

       …… und wurdest groß,

       um als zu großer Schmerz

       ganz über meines Herzens Fassung

       hinauszustehn.

       Jetzt liegst du quer durch meinen Schooß,

       jetzt kann ich dich nicht mehr

       gebären.

       Inhaltsverzeichnis

      WAS sie damals empfanden: ist es nicht

       vor allen Geheimnissen süß

       und immer noch irdisch:

       da er, ein wenig blaß noch vom Grab,

       erleichtert zu ihr trat:

       an allen Stellen erstanden.

       O zu ihr zuerst. Wie waren sie da

       unaussprechlich in Heilung.

       Ja sie heilten, das war’s. Sie hatten nicht nötig,

       sich stark zu berühren.

       Er legte ihr eine Sekunde

       kaum seine nächstens

       ewige Hand an die frauliche Schulter.

       Und sie begannen

       still wie die Bäume im Frühling,

       unendlich zugleich,

       diese Jahreszeit

       ihres äußersten Umgangs.

       Inhaltsverzeichnis

      (Drei Stücke)

       I

      DERSELBE große Engel, welcher einst

       ihr der Gebärung Botschaft niederbrachte,

       stand da, abwartend daß sie ihn beachte,

       und sprach: Jetzt wird es Zeit, daß du erscheinst.

       Und sie erschrak wie damals und erwies

       sich wieder als die Magd, ihn tief bejahend.

       Er aber strahlte und, unendlich nahend,

       schwand er wie in ihr Angesicht – und hieß

       die weithin ausgegangenen Bekehrer

       zusammenkommen in das Haus am Hang,

       das Haus des Abendmahls. Sie kamen schwerer

       und traten bange ein: Da lag, entlang

       die schmale Bettstatt, die in Untergang

       und Auserwählung rätselhaft Getauchte,

       ganz unversehrt, wie eine Ungebrauchte,

       und achtete auf englischen Gesang.

       Nun da sie alle hinter ihren Kerzen

       abwarten sah, riß sie vom Übermaß

       der Stimmen sich und schenkte noch von Herzen

       die beiden Kleider fort, die sie besaß,

       und hob ihr Antlitz auf zu dem und dem…

       (O Ursprung namenloser Tränen-Bäche).

      Sie aber legte sich in ihre Schwäche

       und zog die Himmel an Jerusalem

       so nah heran, daß ihre Seele nur,

       austretend, sich ein wenig strecken mußte:

       schon hob er sie, der alles von ihr wußte,

       hinein in ihre göttliche Natur.

       II

      WER hat bedacht, daß bis zu ihrem Kommen

       der viele Himmel unvollständig war?

       Der Auferstandne hatte Platz genommen,

       doch neben ihm, durch vierundzwanzig Jahr,

       war leer der Sitz. Und sie begannen schon

       sich an die reine Lücke zu gewöhnen,

       die wie verheilt war, denn mit seinem schönen

       Hinüberscheinen füllte sie der Sohn.

      So ging auch sie, die in die Himmel trat,

       nicht auf ihn zu, so sehr es sie verlangte;

       dort war kein Platz, nur Er war dort und prangte

       mit einer Strahlung, die ihr wehe tat.

       Doch da sie jetzt, die rührende Gestalt,

       sich zu den neuen Seligen gesellte

       und unauffällig, licht zu licht, sich stellte,

       da brach aus ihrem Sein ein Hinterhalt

       von solchem Glanz, daß der von ihr erhellte

       Engel geblendet aufschrie: Wer ist die?

       Ein Staunen war. Dann sahn sie alle,

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