Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

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Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke

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style="font-size:15px;">       dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?

       Sieh, der Gott, der über Völkern grollte,

       macht sich mild und kommt in dir zur Welt.

      Hast du dir ihn größer vorgestellt?

      Was ist Größe? Quer durch alle Maße,

       die er durchstreicht, geht sein grades Los.

       Selbst ein Stern hat keine solche Straße.

       Siehst du, diese Könige sind groß,

      und sie schleppen dir vor deinen Schooß

      Schätze, die sie für die größten halten,

       und du staunst vielleicht bei dieser Gift –:

       aber schau in deines Tuches Falten,

       wie er jetzt schon alles übertrifft.

      Aller Amber, den man weit verschifft,

      jeder Goldschmuck und das Luftgewürze,

       das sich trübend in die Sinne streut:

       alles dieses war von rascher Kürze,

       und am Ende hat man es bereut.

      Aber (du wirst sehen): Er erfreut.

       Inhaltsverzeichnis

      DIESE, die noch eben atemlos

       flohen mitten aus dem Kindermorden:

       o wie waren sie unmerklich groß

       über ihrer Wanderschaft geworden.

      Kaum noch daß im scheuen Rückwärtsschauen

       ihres Schreckens Not zergangen war,

       und schon brachten sie auf ihrem grauen

       Maultier ganze Städte in Gefahr;

      denn so wie sie, klein im großen Land,

       – fast ein Nichts – den starken Tempeln nahten,

       platzten alle Götzen wie verraten

       und verloren völlig den Verstand.

      Ist es denkbar, daß von ihrem Gange

       alles so verzweifelt sich erbost?

       und sie wurden vor sich selber bange,

       nur das Kind war namenlos getrost.

      Immerhin, sie mußten sich darüber

       eine Weile setzen. Doch da ging –

       sieh: der Baum, der still sie überhing,

       wie ein Dienender zu ihnen über:

      er verneigte sich. Derselbe Baum,

       dessen Kränze toten Pharaonen

       für das Ewige die Stirnen schonen,

       neigte sich. Er fühlte neue Kronen

       blühen. Und sie saßen wie im Traum.

       Inhaltsverzeichnis

      KONNTE sie denn anders, als auf ihn

       stolz sein, der ihr Schlichtestes verschönte?

       War nicht selbst die hohe, großgewöhnte

       Nacht wie außer sich, da er erschien?

      Ging nicht auch, daß er sich einst verloren,

       unerhört zu seiner Glorie aus?

       Hatten nicht die Weisesten die Ohren

       mit dem Mund vertauscht? Und war das Haus

      nicht wie neu von seiner Stimme? Ach

       sicher hatte sie zu hundert Malen

       ihre Freude an ihm auszustrahlen

       sich verwehrt. Sie ging ihm staunend nach.

      Aber da bei jenem Hochzeitsfeste,

       als es unversehns an Wein gebrach, –

       sah sie hin und bat um eine Geste

       und begriff nicht, daß er widersprach.

      Und dann tat er’s. Sie verstand es später,

       wie sie ihn in seinen Weg gedrängt:

       denn jetzt war er wirklich Wundertäter,

       und das ganze Opfer war verhängt,

      unaufhaltsam. Ja, es stand geschrieben.

       Aber war es damals schon bereit?

       Sie: sie hatte es herbeigetrieben

       in der Blindheit ihrer Eitelkeit.

      An dem Tisch voll Früchten und Gemüsen

       freute sie sich mit und sah nicht ein,

       daß das Wasser ihrer Tränendrüsen

       Blut geworden war mit diesem Wein.

       Inhaltsverzeichnis

      O HAST du dies gewollt, du hättest nicht

       durch eines Weibes Leib entspringen dürfen:

       Heilande muß man in den Bergen schürfen,

       wo man das Harte aus dem Harten bricht.

      Tut dirs nicht selber leid, dein liebes Tal

       so zu verwüsten? Siehe meine Schwäche;

       ich habe nichts als Milch-und Tränenbäche,

       und du warst immer in der Überzahl.

      Mit solchem Aufwand wardst du mir verheißen.

       Was tratst du nicht gleich wild aus mir hinaus?

      

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