Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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Sinn, der Geruch des Honigs, den Koltoff bei sich führte, hatte ihn aus seiner süßen Ruhe geweckt, und als er sich aufrichtend seinen Freund erkannte, versuchte er nach echt täppischer Bärenart denselben zu liebkosen. Koltoff schob ihm rasch eine große Honigscheibe in den Rachen, worauf sich der Bär artig niedersetzte und, die Augen wie ein echtes Leckermaul schließend, zu naschen begann.

      Nun war der Augenblick da, das kühne Wagnis auszuführen. Koltoff besann sich nicht lange, sondern nahm den zottigen Kumpan frisch an die Arbeit, er kämmte ihm, so gut es ging, mit Hülfe der Pomade das Kopfhaar zu einem Toupet zusammen und beeilte sich, so oft das Tier ungeduldig zu werden schien und ihm darüber brummend seine Bemerkungen machte demselben eine neue süße duftende Honigscheibe zuzuwerfen. In wenigen Augenblicken war der große Kopf des Bären dicht eingepudert, schneeweiß gleich dem eines Elegant, und Koltoff zog sich rasch auf den Fußspitzen zurück. Als sich die Thür des Zwingers hinter ihm schloß, atmete er auf. Das gefährliche Abenteuer war überstanden.

      Lubina überhäufte ihn mit schwärmerischen Lobeserhebungen, ihr Herz schien bezwungen, aber zur größten Überraschung des armen Lieutenants gab sie ihm noch denselben Abend eine neue Prüfung auf.

      »Sie haben mir einen so großen bewunderungswürdigen Beweis von Ihrer Kaltblütigkeit und Ihren, Mute gegeben,« sagte sie, »daß es Ihnen gewiß selbst erwünscht sein wird, mir nun auch eine Probe von Ihrem Geiste und Ihren Kenntnissen zu geben.«

      Koltoff erschrak, er fand keine Worte und verneigte sich stumm.

      »Ich werde Ihnen eine Ihrer würdige Aufgabe stellen,« fuhr die gelehrte Amazone fort. »Schreiben Sie ein Werk unter dem Titel ›Der Mensch und die Natur‹, weisen Sie in demselben alle Beziehungen nach, welche zwischen beiden bestehen, zeigen Sie, inwieweit der Mensch von seiner großen Mutter abhängig ist, abhängig bleiben muß, worin er sich von ihr befreien, ja sogar über sie stellen und auf sie einen Einfluß gewinnen kann. Aber ich vergesse, daß Sie ja selbst es sind, welcher uns über diese Materie ganz neue, ungeahnte Perspektiven eröffnen wird.«

      Koltoff hatte sich noch nie so unglücklich gefühlt, nie in seinem Leben, nicht einmal in jener Nacht, wo er sich erschießen wollte, als heute, wo er die schöne Fürstin Mentschikoff als zukünftiger Verfasser des Buches »Der Mensch und die Natur« verließ. Wo sollte er die Ideen, wo die Kenntnisse, ja, wo nur das leere Papier zu diesem verwünschten Werke hernehmen? Er ließ sich den ganzen folgenden Tag im Palaste Mentschikoff nicht sehen, sondern irrte trübselig in den Straßen umher, sah auf der Wache dem Kartenspiel der Kameraden zu und schlich endlich zu seiner Tanzstunde, und überall war es ihm, als ob ihn eine Stimme verfolge und ihm in das Ohr raune: »Der Mensch und die Natur!« und wie er bei der Menuette in der dritten Position stehend den ersten Geigenstrich seines Tanzmeisters Monsieur Perdrix erwartete, entfuhren ihm unwillkürlich die unseligen Worte: »Der Mensch und die Natur!«

      Der kleine Franzose, welcher eben den Bogen erhoben hatte, setzte ab und sah den Lieutenant erstaunt an.

      »Der Mensch und die Natur,« wiederholte er, »was haben Sie damit?«

      »Bemitleiden Sie mich,« erwiderte Koltoff, »ich soll ein Buch schreiben über diesen Gegenstand, ein philosophisches Werk in der Art der französischen Encyklopädisten, und habe keinen Dunst davon.«

      »Nun, so lassen Sie es bleiben,« meinte der kleine Franzose.

      »Aber es hängt mein Lebensglück, ja, vielleicht mein Leben von diesem unseligen Buche ab!« rief Koltoff.

      »Ihr Leben?« entgegnete der Tanzmeister lächelnd.

      »Ich schwöre es Ihnen, mein Leben,« rief der Russe, und dabei sah er so verzweifelt aus, daß der kleine Franzose dadurch überzeugt wurde und mit ihm auf Rettung zu sinnen begann.

      Als Koltoff ihn zum Vertrauten gemacht und in alle Umstände eingeweiht hatte, machte der kleine Franzose plötzlich einen Luftsprung und begann dann, seine alte verstimmte Geige mörderisch mit dem Bogen bearbeitend, in der Stube herumzutanzen, und zwar alle nur denkbaren Schritte und Takte durch einander, dann schlug er eine Pirouette und sagte, vor dem erstaunten Koltoff in einer graziösen Positur stehen bleibend:

      »Ich rette Sie, ich schreibe Ihnen das Werk.«

      »Wie,« schrie Koltoff, »Sie wollen, herrlicher, goldener Monsieur Perdrix?« Er umfaßte den kleinen Mann, hob ihn in die Luft und sprang mit ihm herum. »Nun, wie aber machen wir das?« sagte der Lieutenant, als er Monsieur Perdrix wieder der Erde zurückgegeben hatte; »denn ich für meinen Teil will lieber täglich zwei Mal den Bären frisieren und pudern, als eine Zeile daran schreiben.«

      »Wie? wie ich das mache, junger Leonidas?« schmunzelte der alte durchtriebene Tanzmeister. »Sie bekommen das Werk, parole d’honneur, aber Sie fragen mich nie, wie ich es gemacht habe.«

      Es vergingen einige Wochen.

      Koltoff kam gegen Abend stets nur für Augenblicke zu der Fürstin, und war auch sonst wenig zu sehen, er gab sich ganz die Miene, in seinen Studien vergraben zu sein.

      Indes war der Tanzmeister Monsieur Pertrix in der That in einem wahren Gebirge von Büchern vergraben, er hatte alles, was an philosophischer und naturhistorischer Litteratur in der Residenz Katharina’s der Zweiten aufzutreiben war, um sich angehäuft und schrieb, auf das Geratewohl in die Masse hineingreifend, und bald den, bald jenen Band, jetzt Aristoteles, jetzt Hippokrates, dann Voltaire, Quesnay, Baco, und wieder einmal Aristoteles amputierend – denn abschreiben oder bestellen ist kein Wort für die mörderische literarische Schlächterei, welche der Alte unter den Philosophen anrichtete – und schrieb und las und schrieb wieder und hatte in nicht vier Wochen ein ganz stattliches Manuskript beisammen. Allerdings gehörte davon kein Gedanke, keine Phrase, kaum eine Wendung ihm, aber er hatte mit der seinem Volke eigentümlichen Geschicklichkeit alles klar geordnet und – was nur in einer streng entwickelten, akademischen Sprache, wie die seine, dem Halbgebildeten möglich war – in gutem klarem, ja elegantem Französisch niedergeschrieben.

      Koltoff war, als er das Manuskript las, auf dessen Titelblatt in schöner Frakturschrift die Worte: »Der Mensch und die Natur, ein philosophischer Versuch von J. Koltoff, Lieutenant in der Preobraschenstischen Garde,« standen, von seinem eigenen Werke so begeistert, ja gerührt, daß er Thränen vergoß, Monsieur Perdrix seinen Lebensretter nannte, ihn umarmte, küßte, in fünf Kneipen schleppte, in jeder auf Kosten Lapinski’s glänzend bewirtete und ihm endlich, gleichfalls aus Lapinski’s Tasche, ein Honorar von zehn Rubeln, damals in der That eine stolze Summe, einhändigte.

      Lapinski, der von »dem Menschen und der Natur« kein Wort verstand, zeigte sich gleichfalls entzückt.

      Koltoff konnte also mit dem Bewußtsein einer Leuchte der Wissenschaft vor die schöne Lubina treten. Noch denselben Abend las er die Schrift des Tanzmeisters, von der er jetzt schon selbst überzeugt war, daß es seine Schrift sei, der Fürstin vor, welche ihn von Zeit zu Zeit durch ein »wie geistreich!« oder »vortrefflich!« oder »in der That ganz neu, vollkommen neu!« unterbrach, so daß er zuletzt, mit gerechtem Stolz erfüllt, ihr und sich selbst das Wort gab, bei diesem ersten Schritt, den er so bescheiden einen »Versuch« genannt hatte, nicht stehen zu bleiben, sondern zu seinem und seines Vaterlandes Ruhme auf dem so glücklich betretenen Pfade fortzuschreiten.

      »Der Mensch und die Natur« aber kam aus den Händen des schönen Majors in jene der Fürstin Daschkoff und wurde von dieser der Zarin vorgelegt. Und Katharina die Zweite, dieses geniale Weib mit dem kühnen Blicke eines großen Mannes, las es. Sie las es und sagte: »Es enthält nichts neues, aber es verrät umfassende Kenntnisse und ist sehr gut geschrieben.«

      Damit war das Glück des jungen Offiziers gemacht.

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