Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
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»Nein!,« erwiderte die Fürstin, »aber wenn Sie fortfahren, so zu schreien und zu poltern, werde ich mich erinnern, daß ich Ihr Vorgesetzter bin.«
»Auch das noch!« stammelte Koltoff, dem der Zorn den Atem benahm. »Wissen Sie, daß Sie eine Kokette sind, eine herzlose Kokette?«
»Möglich,« erwiderte Lubina und begann zu lachen.
»Verspotten Sie mich nur,« schrie der Kapitän außer sich, »Sie sind doch mein und kein Mensch soll Sie mir entreißen!« Zugleich stürzte er auf seinen schönen Vorgesetzten los und schloß ihn in seine Arme. Die Fürstin schrie um Hülfe, während Koltoff sie mit Küssen bedeckte, aber es kam ihr niemand zu Hülfe, als der kleine Affe, welcher seine Herrin in Gefahr sah, Koltoff auf den Rücken sprang und ihn so lange biß und kratzte, bis der wahnsinnige Anbeter die Fürstin losließ und auf ihren Befreier, blutend, den Degen in der Hand, Jagd machte.
Aber jetzt kam Lubina ihrem Liebling zu Hülfe.
Mit voller Majestät trat sie dem Wütenden entgegen. »Herr Kapitän,« rief sie mit Kommandoton. »Ich befehle Ihnen, sofort Ihren Degen einzustecken,« Und als Koltoff, wenn auch sichtlich betroffen, nicht gleich Folge leistete, fuhr sie, mit dem Fuße stampfend, im Zorne fort:. »Wissen Sie, was Sie begehen? Das ist Insubordination. Ich sende Sie hiermit auf die Wache!«
Koltoff wollte sich entschuldigen.
»Kein Wort!« rief der schöne Major. »Geben Sie mir Ihren Degen …«
Koltoff übergab der Geliebten seinen Degen, verneigte sich und ging.
Nachdem Koltoff volle vierundzwanzig Stunden auf der Wache gewesen, erhielt er seinen Degen zurück. Die Fürstin begleitete diesen Akt mit keinerlei Kundgebung von ihrer Seite; sie saß in ihrem Boudoir und lachte mehr als je und erwartete ihren Anbeter sofort nach seiner Freilassung als reuigen Sünder vor sich zu sehen.
Aber er kam nicht.
Es verging ein Tag. es vergingen zwei, eine Woche, Koltoff kam nicht. Der Major vom Regiment Simbirsk und der Kapitän vom Regimente Tobolsk trotzten miteinander, wie ein paar unartige Kinder. Koltoff schweifte zu Fuß und zu Pferde ruhelos in der wüsten Landschaft von Petersburg umher, er schlief nicht, er aß nicht, er fühlte sich im höchsten Grade unglücklich; aber er hatte sich geschworen, nie und nimmer den ersten Schritt zur Aussöhnung mit der Fürstin zu thun, und er blieb fest. Lubina Mentschikoff quälte ihre Kammerfrauen, ihre Soldaten, ihren Affen, ihre Hunde, vor allem sich selbst; aber sie war zu stolz, einzugestehen, daß sie zu weit gegangen war, daß sie mit Koltoff ein kokettes Spiel getrieben, und vor allem zu stolz, einzugestehen, daß sie ihn liebe; und das fühlte sie jetzt beinahe zu ihrer Beschämung täglich mehr; sie entbehrte ihn, sie sehnte sich nach ihm, sie weinte vor Zorn in ihre Kissen, aber sie brachte es doch nicht über sich, ihm zuerst die Hand zur Versöhnung zu bieten, so gern sie auch die seinige ergriffen hätte.
Da geschah es, daß eines Tages den Offizieren des Regiments Tobolsk bei der Wachtparade von ihrem Obersten Frau von Mellin ein neuer Kamerad vorgestellt wurde, der Lieutenant Sophia von Narischkin.
Dieser neugeschaffene Lieutenant war eines der reizendsten Mädchen der damaligen russischen Aristokratie. Auf dem Lande, in der idyllischen Umgebung eines russischen Dörfchens, in den patriarchalischen Sitten russischer Landedelleute aufgewachsen, war Sophia von Narischkin, wie viele Frauen und Mädchen jener Tage, von der Erscheinung Katharina’s geblendet, durch eine abenteuerliche Phantasie dem Kreise ihrer Familie, der engen weiblichen Sphäre entrückt, zur Amazone geworden, aber zu gleicher Zeit das unschuldige, gute, ehrbare Landmädchen geblieben, das mit aristokratischem Anstand und angeborenem Mutterwitz eine edle Einfalt der Gesinnung verband, welche damals an dem Hofe von Petersburg nicht weniger selten war, als an jenem von Versailles.
Man ist nie mehr geneigt, sich zu verlieben, als wenn man von einer Geliebten beleidigt, getäuscht oder verlassen worden ist
Koltoff sah in sich ein Spielzeug, das die schöne Lubina zu ihrem Zeitvertreibe benutzt und dann wegworfen hatte. Alles, was die Natur des Mannes ausmacht, empörte sich in ihm bei diesem Gedanken, und es ist natürlich, daß er im ersten Augenblicke, wo er das schöne hochgewachsene Mädchen mit den wunderbaren blauen Augen sah, es liebte und beinahe in dem nächsten schon es demselben gestand. Der Eindruck, den der junge Kapitän auf Sophia machte, war auch kaum weniger günstig. Das kameradschaftliche Verhältnis erleichterte die Annäherung, und so waren Koltoff und Fräulein von Narischkin bald unzertrennlich, und sie fanden es beide so natürlich, sich zu lieben, daß sie vollkommen darauf vergaßen, es sich zu sagen, und sich über ihre Absichten für die Zukunft zu verständigen.
Um so mehr beschäftigte sich die Welt mit denselben, und man nannte Fräulein von Narischkin längst die Braut des Kapitäns Koltoff, ja, man bezeichnete schon den Hochzeitstag, ehe die Liebenden über den ersten Kuß hinaus waren.
Das Gerücht drang natürlich auch zu der Fürstin Mentschikoff, und die schöne Frau entdeckte plötzlich, daß sie den Mann, den sie so raffiniert auf die Probe gestellt, den sie selbst von sich gestoßen, mit der heftigsten Leidenschaft liebte; sie verzehrte sich vor Eifersucht und war sofort entschlossen, alles aufzubieten, um ihn wieder zu ihren Füßen zurückzuführen. Er liebe sie noch immer, sagte sich ihre Eitelkeit, nur weil sie ihn so schlecht behandelt, habe er sich aus Verzweiflung in die Arme einer anderen geworfen. Welche Reize konnte das simple Landmädchen für ihn haben! Ein Wink von ihr, dem schönen, eleganten, geistvollen Weibe, und er war ihr Sklave wie zuvor.
Sie schrieb an ihn, indes noch immer hochmütig, wenige Zeilen nur, sie erlaube ihm zu kommen. Aber Koltoff war unartig genug, von der Erlaubnis keinen Gebrauch zu machen. Sie schrieb ein zweites mal, es klang schon wie Entschuldigung, und als Koltoff dennoch nicht kam, bat sie ihn um Vergebung und ersuchte ihn zu kommen. Koltoff gab noch immer kein Lebenszeichen. Da war der Stolz der schönen Kokette gebrochen; sie hatte den Mann, den sie liebte, dessen Besitz ihr zu ihrem Glücke unentbehrlich schien, für sich verloren und noch dazu verloren an eine andere, die ihn liebte und die er wieder liebte. Sie schrieb noch einmal, sie gestand ihre Liebe, sie verriet ihre Leidenschaft, ihre Eifersucht und sie flehte um eine Unterredung.
Koltoff erwiderte in ebenso höflicher wie entschiedener Weise, er habe der Fürstin nichts zu sagen, und nichts, was es auch sei, was sie ihm etwa mitzuteilen hätte, könne jetzt noch die Situation ändern. Wie sie über ihr Ideal längst enttäuscht sei, so sei er fern von seinen früheren Illusionen, fern davon, sie noch anzubeten. Er bitte sie also, auf die gewünschte Unterredung zu verzichten.
Eine Laune des Zufalls wollte es indes, daß Koltoff zwei Tage, nachdem die Fürstin seine Antwort empfangen hatte, ihrer Karosse in einer engen Gasse begegnen mußte, wo ein Ausweichen unmöglich war
Die Fürstin ließ halten und wartete nicht ab, bis der Lakai herabsprang; sie beeilte sich, den Schlag selbst zu öffnen und Koltoff beide Hände entgegenzustrecken.
Der Kapitän nahm sie jedoch nicht, sondern verneigte sich mit kalter Artigkeit, und nachdem er sich über das Befinden der Fürstin beruhigt hatte, entfernte er sich rasch mit einem ebenso ceremoniellen Gruße.
Die Fürstin aber warf sich in eine Ecke des goldverzierten Wagens und weinte.
Dem kurzen russischen Herbst war ein strenger Winter gefolgt; die nordische Kapitale hatte sich in ihren weißen Schneepelz gehüllt; die armen Leibeigenen, die Kleinbürger rückten in ihrem Isbi und in den Branntweinschenken zusammen, die Reichen und Großen an den Kaminen ihrer Paläste; Konzerte wechselten mit Theatervorstellungen, Gesellschaften mit Bällen ab. Die Fürstin Lubina Mentschikoff schien ihren flüchtigen