Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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macht sei­ne Ver­beu­gung, nach­dem er zu­erst den Schnauz­bart auf­ge­zwir­belt hat, und emp­fängt ge­büh­ren­den Ge­gen­gruß.

      Und hier, fährt der Her­zog fort, mein eh­ren­wer­ter Freund, der Bail­li von Di­jon, dem die wa­cke­ren Schwei­zer un­ter­ge­ben sind – (die näm­li­che Ze­re­mo­nie).

      Sie alle sind Bür­gen für die eh­ren­vol­len Be­din­gun­gen, die Euch Sei­ne Hei­lig­keit Alex­an­der VI. durch mei­nen Mund bie­tet.

      Wie­der er­schallt ein La­chen vom Tur­me.

      Herr Her­zog, der Löwe kann für den Fuchs nicht Bür­ge sein, denn er kennt sei­ne Sch­li­che nicht. Las­sen wir die Flau­sen. Ich hal­te die­se Burg als Vor­mün­de­rin mei­nes Soh­nes, des Gra­fen Ot­ta­via­no Ria­rio, Herrn von For­li und Imo­la, zu des­sen Erb­teil sie ge­hört, sie kann mir nur mit mei­nem Le­ben ent­ris­sen wer­den.

      Hohe Frau, Euer Tun ist Wahn­sinn, es gibt kei­ne Her­ren mehr in die­sem Land au­ßer Eu­rem un­ter­wür­figs­ten Die­ner, der zu Euch spricht. Sei­ne Hei­lig­keit will, dass fort­an die gan­ze Ro­ma­gna ei­nem Zep­ter ge­hor­che. Werft Euch nicht in die Rä­der des Schick­sals, sie müss­ten über Euch hin­weg­ge­hen.

      Ich bit­te Eure Ho­heit, dass Ihr mir ge­stat­tet, mich zu ent­fer­nen. Mei­ne mi­li­tä­ri­schen Pf­lich­ten ru­fen mich.

      Sie taucht un­ter und es wird stil­le. Das Mond­licht ist wei­ter­ge­wan­dert und al­les Le­ben auf die­sem Fleck er­lo­schen; die ge­web­ten Fi­gu­ren ste­hen däm­mernd und un­be­weg­lich wie zu­vor. Aber nun be­ginnt sichs auf dem nächs­ten Fel­de zu re­gen, das jetzt in Klar­heit her­austritt.

      Hier ist noch­mals die Roc­ca, aber von ei­ner an­de­ren Sicht. Die Zug­brücke ist nie­der­ge­las­sen, die Dame be­wegt sich sorg­los au­ßen auf dem be­schnei­ten Wie­sen­plan an der Sei­te des Ka­va­liers. Dies­mal kann er sich nicht über sie be­kla­gen. Die Uner­schro­cke­ne hat sich her­aus­ge­wagt im Ver­trau­en auf sein fürst­li­ches, im An­ge­sich­te des gan­zen ver­bün­de­ten Hee­res ge­ge­be­nes Wort, das er nicht durch eine Ge­walt­tat bre­chen kann. Die Be­waff­ne­ten ha­ben sich von der einen wie von der an­de­ren Sei­te zu­rück­ge­zo­gen, es ist ein bei­na­he fried­li­ches Bild. Die Hal­tung bei­der ist von ze­re­mo­ni­öser lä­cheln­der Ver­bind­lich­keit, nicht an­ders wür­den sie sich in ei­nem hö­fi­schen Prunk­saal be­we­gen. »Dame Ca­théri­ne« hat noch ein­mal, aber ohne Schroff­heit, die Über­ga­be ab­ge­lehnt. Der Her­zog be­glei­tet sie ar­tig ge­gen die Roc­ca zu­rück. Ca­te­ri­na be­tritt die nie­der­ge­las­se­ne Brücke, ihre ein­la­den­de Ge­bär­de scheint noch ein letz­tes Wort des Geg­ners zu er­war­ten. Da fällt ihm ein jun­ges Mäd­chen von selt­sa­mer Schön­heit in die Au­gen, das un­ter dem Tor zwi­schen zwei äl­te­ren Ehren­da­men auf die Ge­bie­te­rin war­tet und ihm den An­lass zu ei­ner letz­ten War­nung gibt.

      Habt Ihr auch be­dacht, wel­chem Schick­sal Ihr Eure Frau­en aus­setzt, wenn Ihr uns zwingt zu stür­men –? will er noch fra­gen, und un­über­legt setzt er den Fuß auf die Zug­brücke. Ein Knir­schen der Ei­sen, ein Zit­tern der Plan­ken, er springt noch eben zu­rück, wäh­rend mit Ket­ten­ge­ras­sel die Brücke hoch­geht und was sich dar­auf be­fin­det, Ma­da­ma und die zwei auf­ge­stell­ten Knech­te mit hin­über­reißt. Höl­le und Teu­fel! Eine Fal­le! Sie woll­te ihn fan­gen. Wahr­lich eine gute Pri­se, der Sohn des Paps­tes, der künf­ti­ge Herr­scher Ita­li­ens! Eine Gei­sel, um die es sich lohn­te! Aber nein, was Gei­sel? Es galt sein Le­ben. Sie hät­te ihn über die­se Brücke nicht le­bend zu­rück­ge­las­sen. Tö­ten woll­te sie ihn, sein Haupt den Be­la­ge­rern zu­wer­fen, wie sie es noch kürz­lich mit den Gei­seln von Imo­la ge­tan, als die­se Stadt sich sei­nen Waf­fen er­gab. Ein ab­ge­feim­ter Ver­rat, wie er selbst, der Sohn des Ab­grunds, bis­her noch kei­nen ge­übt hat, denn der Tag von Si­ni­gag­lia ruht noch im Scho­ße der Zu­kunft. An die­sem Wei­be hat er sei­nen Meis­ter ge­fun­den. Ohne sei­ne flin­ken Tän­zer­fü­ße, was ge­schä­he ihm in die­sem Au­gen­blick? Und wenn der Papst alle Blit­ze des Him­mels loslie­ße, er könn­te ihm das Le­ben nicht wie­der­ge­ben. Sein Ge­sicht ist gelb wie eine Quit­te und be­kommt den gan­zen Tag die na­tür­li­che Far­be nicht zu­rück. Aber er schweigt und schluckt sei­ne zeh­ren­de Wut, bis die Fes­te sturm­reif ist und die Ra­che be­gin­nen kann.

      Was ist das für eine ver­däch­ti­ge Ge­stalt, die aus dem Hin­ter­grund an den Her­zog her­an­schleicht? Ein Über­läu­fer, der in der Nacht die Au­ßen­mau­er über­klet­tert und den Gra­ben durch­schwom­men hat, wie es jetzt fast täg­lich wel­che gibt.

      All­er­gnä­digs­ter Herr, ge­stat­tet ein Wort in De­mut, das Euch nüt­zen kann: es geht drin­nen zu Ende, wie sehr auch Ma­da­ma trotzt und pocht. Die Mann­schaft ge­horcht nicht mehr, sie for­dern drin­gend die Über­ga­be. Nur Ma­da­ma selbst zwingt sie noch mit vor­ge­hal­te­ner Waf­fe zum Kämp­fen. Aber sie hat schon zum zwei­ten Mal den Kin­der­schrei ge­hört, da weiß sie, was die Glo­cke ge­schla­gen hat.

      Was hat das auf sich mit dem Kin­der­schrei? fragt der Her­zog.

      Ho­her Herr, mischt sich Luf­fo Num­mai, ein vor­neh­mer For­li­ve­se, in des­sen Haus der Her­zog ab­ge­stie­gen ist, ein; als Ma­da­ma, nach der Er­mor­dung ih­res ers­ten Gat­ten, des Gra­fen Ria­rio, das furcht­ba­re Blut­bad un­ter den Ver­schwo­re­nen an­stell­te, ließ sie so­gar die un­schul­di­gen Kind­lein in die Kel­ler­schäch­te wer­fen, die von Spie­ßen star­ren. Spä­ter, als sie aus dem Blut­rausch wie­der zu sich kam, be­reu­te sie’s. Und im­mer wenn ihr ein Un­glück be­vor­steht, hört sie des Nachts aus dem Kel­ler der Roc­ca das gräss­li­che Schrei­en der Kin­der.

      Hö­ren auch an­de­re das Schrei­en? fragt der Her­zog den Knecht.

      Herr, nie­mand au­ßer ihr. Sie er­wacht dar­an, springt aus dem Bett, hält sich die Ohren zu und wirft sich auf die Knie, in­dem sie die Kin­der bei Na­men ruft und sie mit tau­send Ver­spre­chun­gen an­fleht, stil­le zu sein. Es soll grau­sig sein, nie­mand kann es mit an­se­hen.

      Seit sie zum ers­ten Mal den Schrei hör­te, fügt Luf­fo hin­zu, wagt sie nicht mehr al­lein zu schla­fen.

      Als ob sie je al­lein ge­schla­fen hät­te, grinst der Her­zog.

      Die bei­den an­de­ren be­ei­len sich, ver­ständ­nis­voll mit­zu­grin­sen.

      Ihr Kas­tel­lan, Herr Jo­hann von Ca­sa­le, der jetzt die Ehre hat, kann et­was da­von er­zäh­len, die­nert Luf­fo be­flis­sen wei­ter.

      Arme Ma­da­ma, denkt bei sich der Knecht, als er die Mie­ne des Her­zogs sieht. Jetzt kommt der obers­te der Teu­fel über dich. Zwar hat er selbst sie auch ver­ra­ten, wie in den nächs­ten Stun­den noch man­cher sie ver­ra­ten wird. Aber sie er­barmt ihn doch, denn sie ist ih­ren Freun­den hold und nur den Fein­den töd­lich, den Bor­gia aber ha­ben die einen wie die an­de­ren zu fürch­ten, und alle wis­sen es.

      Der Un­heim­li­che brü­tet sei­nen stum­men sa­ta­ni­schen Hass. Was hat ihn an­ge­wan­delt, dass er ihr auf die Brücke folg­te? Vi­el­leicht je­nes Gau­kel­spiel von spa­ni­scher

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