Gesammelte Werke. Isolde Kurz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Isolde Kurz страница 131
Waffenlos wie sie ist, will sie in ihrer Wut hinunterstürzen, aber der Cremona hält sie beschwörend auf. Da besinnt sie sich. Der Gedanke, der ihr vorhin aufgedämmert, kommt schnell zur Reife. Sie ruft den Cremona, der auf seinen Posten will, zurück: Ein Wort für dich. Entgegne nichts. Wenn der Feind die letzte Schanze nimmt und sich mit dem Pack von Feiglingen zu einer Masse ballt, so begib dich in den Pulverturm und lege die Lunte an. Sobald ich dir Ione schicke mit der Botschaft: Es ist Zeit, so entzünde die Lunte und mach dich von hinnen.
Und die Griechin? fragt der Kommandant.
Zwei starre Augen geben eine tödliche Antwort, die er nicht zu verstehen wagt.
Und die Griechin? forscht er nochmals.
Sie öffnet zweimal den Mund, bevor sie herausbringt: Ione stirbt!
Dann fasst sie die plötzliche Wildheit, vor der ihre Untergebenen zittern, und schrecklich ist das leise Raunen ihrer zu Zorn gewordenen Verzweiflung: Was starrst du, Mensch? Geht es dich an, was mit Ione geschieht? Ich habe sie geliebt wie nichts auf der Welt. Ich bin’s, die sie verliert. Was ich befehlen kann, wirst du vollstrecken können. Rein wie Gott sie mir anvertraut hat, soll er sie aus meiner Hand zurückempfangen. Spute dich, Knecht. Geh auf deinen Posten. Wenn die Festung fällt, muss Ione sterben.
Im Hof sind die Gascogner und Schweizer am Werk, sie töten, vernichten, was ihnen in den Wurf kommt. Da, ein Donnern, – das Jubelgeschrei der päpstlichen Söldner, die als Letzte einziehen. Die Gräfin starrt, sie traut ihren Augen nicht: auf der Zitadelle ist die weiße Fahne hochgegangen. Der Casale hat sie ohne ihr Wissen aufgezogen, der Verräter, der hundertmal geschworen hat, mit der Rocca zu stehen und zu fallen. Trotz dem Signal der Übergabe geht das Gemetzel weiter. Die Angreifer, mit den Fliehenden verknäuelt, wälzen sich über Tote und Verwundete, über prasselnde Schuttstücke und weggeworfenes Gewaffen immer näher der Stelle, wo im verengten Raum der Cremona wartet. Inmitten der Päpstlichen, deren Überzahl die Verteidiger des Turmes erledigt, wird ein weißer Federbusch sichtbar. Er hat die Gräfin am Fenster erkannt und ruft ihr zu, sich mit ihren Frauen ihm persönlich zu ergeben, damit er für ihren Schutz sorgen könne.
Nun und nimmer! Sie eilt fliegenden Fußes nach der Kapelle:
Ione, mein Kind, lauf über den Wehrgang, der noch frei ist, lauf so schnell du kannst, sag dem Cremona, dass es Zeit sei. Er weiß meinen Befehl, er bringt dich in Sicherheit. Eile!
O meine Herrin, wohin soll ich ohne dich?
Der Cremona wird es dir sagen. Geh rasch, mein Kind, es ist not.
Ione gehorcht. Da hört sie hinter sich die Herrin tief aufstöhnen. Im Laufen kehrt das treue Kind noch einmal um, wirft sich vor Caterina nieder, umklammert ihre Knie, küsst ihre Hände:
Herrin, liebe Herrin, was wird aus dir?
Sorge nicht, mein Kind. Ruf deinen Schutzgeist an und eile dich.
Sie presst noch einmal die zarte, erst keimende Brust des Kindes an ihre eigene eisenumschnürte und treibt sie von sich in ihr Schicksal.
Aufs neue ruft es von unten mit der Stimme des Borgia. Caterina tritt ans Fenster, da legt sich ein schwerer Eisenhandschuh auf ihren Arm:
Madama, ich nehme Euch gefangen.
An der Aussprache erkannte sie den Franzosen.
Wem dienst du, mein Freund?
Dem Seigneur Yves d’Allègre, des Allerchristlichsten Königs oberstem Feldhauptmann.
Auch in diesem furchtbaren Augenblick ist Caterinas Geist völlig wach und gegenwärtig. Sie war gefasst, zu sterben. Nun sieht sie unerwartet einen Weg, der in die Freiheit führt.
Gut, mein Freund. Ich ergebe mich dem Seigneur d’Allègre und seinem Allerchristlichsten Oberherrn, dem König von Frankreich.
Da ist auch schon der Valentino in Begleitung der französischen Herren durch den vom Geschützfeuer beschädigten Eingang heraufgedrungen.
Madama, Ihr seid meine Gefangene.
Nicht die Eurige. Hier dieser wackere französische Kriegsmann hat mich gefangengenommen. Seinem Allerchristlichsten König hab ich mich ergeben. Mein Herr d’Allègre, ist es wahr, dass nach französischem Gesetz keine Frau Kriegsgefangene sein kann?
Blitz! Das ist so wahr wie meine Ehre.
So empfehle ich mich Eurer Ehre und dem französischen Kriegsgesetz und Eurem Allerchristlichsten König, dessen Ritterlichkeit mir die Freiheit verbürgt.
Madama, Ihr seid frei. Befehlt, wohin Ihr gebracht sein wollt, ich werde mir’s zur Ehre schätzen, Euch zu geleiten.
Der Valentino lächelt tückisch.
Verzeihung, mein Herr d’Allègre, wenn ich Euch erinnere, dass Eure Zeit für Frauendienst zu kostbar ist. Ein heute eingetroffener Befehl der Allerchristlichsten Majestät heißt Euch augenblicklich weitermarschieren, sobald die Rocca genommen ist. Hier die edle Gefangene nehme ich selbst in Obhut und werde ihr an Eurer Stelle alle die Ehren erweisen, an die sie Anspruch hat.
Die Gefangene schreit auf:
Herr d’Allègre –
Ein furchtbarer Knall zerreißt ihr das Wort im Munde. Die Erde bebt und die Mauern wanken von der Gewalt des Sprengschlags, der die ganze Rocca in undurchdringliche, nicht zu atmende Rauchschwaden hüllt. Der Pulverturm ist aufgeflogen. Wenn der Rauch sich verzieht, wird man Freund und Feind zu Hunderten in Stücke zerrissen am Boden sehen. Als wenn der Schlag sie selber getroffen hätte, ist die Heldin von Forli getaumelt und wäre zum Erstaunen der Herren zu Boden geschlagen wie irgendein schwaches Weib, hätte nicht Herr Yves d’Allègre sie aufgefangen.
Ione, Geliebte, du bist gerettet, denkt ihre Verzweiflung. Wäre auch ich’s!
So endete die Verteidigung