Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Wenn es hinter mir flüsterte: Das ist die Geliebte des Collaltin, so sprang mein Herz hoch auf vor Stolz, denn welch höheren Ehrentitel konnte es für mich geben, mochten sie es auch anders meinen. Eine Gemahlin wird oft aus weltlichen Rücksichten gewählt, die Geliebte trägt die Krone, sie wird geliebt.
Lass mich noch in den besonnten Erinnerungen weiter suchen. Bald nach jener ersten Begegnung lud er mich samt dem näheren Freundeskreis, in dem er mich kennengelernt hatte, auf sein Schloss an der Piave. Ich wusste, die Einladung galt nur mir, die andern wussten es auch. Sie waren gefällig und zerstreuten sich oft in dem weiten Park, wir beide blieben allein unter den Bäumen auf der Wiese. Damals sprach er mir zum ersten Mal von Liebe. In ein Lorbeerstämmchen schnitt er meinen Namen Anassilla ein. Wurde die süße Zwiesprache von Mund zu Mund gestört, so setzte sie sich in Sonetten fort, sie strömten uns beiden, denn auch er war Dichter und war bestrebt, mich zu feiern und zu erheben. Für die ganze Dauer meiner Erdenfahrt stand das Schloss am rauschenden Bergstrom, das den geliebtesten aller Menschen beherbergte, als nie wieder erreichtes Wunschziel vor den Augen meines Geistes.
Und du hast nie gehofft, als Herrin dort zu wohnen?
Wenn mir in einer schwachen Stunde vielleicht einmal solche Lockungen vorschwebten, so war es kein Rechnen mit der Wirklichkeit, sondern ein liebes Spiel der Einbildungskraft. Mein höheres, mein unbewusstes Ich, das durch den Mund meiner Dichtung sprach, hat es ja immer anders gekannt und anders gewollt. Das weiß ich jetzt erst mit voller Klarheit. Es wollte den Collaltino nicht für die kurze Lebensspanne, es wollte ihn für alle Zeiten. Es wollte ihn hereinziehen, ihn einspinnen in das unzerreißliche Gespinst meiner Liebeslieder. Und wie sich auch mein Leibliches aufbäumte mit den glücksdurstigen Sinnen, jene unfassbare Macht, die doch ich selber war, wollte es anders. Sie ließ mich alle die Missgriffe begehen, die mit dem Übermaß des Gefühls – Angst, Argwohn, Eifersucht – das immerwährende Feuer meiner Dichtung nährten, aber seine Liebe vorzeitig abkühlten. Collaltino war ein Kind der Welt. Er lebte auf der Erde mit ihrem Gesetz der Anziehung und Abstoßung. Ich lebte im Himmel und in der Hölle der Poesie. Ich lernte nicht das berechnete Liebesspiel des abwechselnd gelockerten und angespannten Fadens. Ich wollte nur immer lieben, immer geliebt sein. Ich fühlte ja wohl den Fehler, den ich beging, und dass er mit diesem Sturmlauf der Leidenschaft nicht Schritt halten konnte. Ach, es waren die Fehler der echten Liebe, die sich nicht künstlich betragen kann. Ich musste sein, wie ich war, ich konnte nicht anders.
Ja, Gasparina, der Dichter – denn auch ich bin einer – versteht, dass sich das Dichterherz die Schmerzen der Liebe zuziehen muss, die noch schöner sind als ihre Freuden, mag auch der irdische Leib daran zugrunde gehen. Dein Genius, der auch dein Dämon war, hat es so gefügt. Er ließ dich die Fehler begehen, die deinem Glück verhängnisvoll waren, weil er dir ein höheres aufbewahrte. Hätte Collaltino dich zur Edeldame und zur Schlossherrin von Collalto gemacht, so wäre dein Ruhm verblasst und dein Lorbeer wäre verwelkt. Ein dauernderer Schmuck war dir zugedacht und er ist dir geworden.
Dennoch, Freund Peregrinus, hat diese törichte Gaspara durch zwei volle Jahre – Jahre des Glücks und der steten Furcht, es zu verlieren – den liebenswertesten und flatterhaftesten aller Sterblichen ungeteilt besessen. Und wenn er mich auch grausam quälte durch seine Launen, es kamen doch die Tage der reuigen Rückkehr, es kamen die Zaubernächte, wo ich, ungesehen an seine Schulter geschmiegt, mich über die verliebten Toren lustig machte, die aus den Gondeln zu mir heraufsangen und schmachteten. Ich glaubte auf die ganze Welt heruntersehen zu dürfen, wenn ich meinen Collaltino im Arme hielt. Es war grausam von mir, und der Gott der Liebe hat mich grausam dafür geschlagen. Du weißt, wie er dann zu König Heinrich II. nach Frankreich zog, um Kriegsruhm zu erwerben, und mich als eine im Leid Vergehende zurückließ. Wie er nie eine Zeile schrieb, auf keine Bitten, keine Klagen Antwort gab. Wie ich in flehenden Sonetten seinen Bruder Vinciguerra anrief, dass er mir sein Erbarmen zuwende, und wie auch die Fürbitte des Edlen für die arme Anassilla vergeblich blieb. Wie er endlich zurückkam und nach einer kurzen, launenhaften Wiederannäherung mich auf immer verließ. Du weißt es, denn es ist der Inhalt meiner Lieder. O, es sei nicht davon die Rede, um ihn anzuklagen, denn ich habe dir schon gesagt, er ist mein Herr für immer.
Und doch sagen sie, du habest ein zweitesmal und ebenso feurig geliebt, deine Strophen selber gestehen es. Belehre mich, wie auf eine solche Liebe eine zweite folgen kann. Hat nicht die erste dein ganzes Herz zur Schlacke gebrannt? Und wenn es so war, dass du noch einmal liebtest, so sage mir, wenn das zu fragen erlaubt ist, welche Liebe stärker war, die erste oder die zweite.
Diesmal, mein lieber Wanderer, zielt deine Frage nicht ins Schwarze. Es gibt keine erste und zweite Liebe, denn alle Liebe ist uranfänglich und eine. Wenn das Werben eines andern die verglimmenden Kohlen meines Lebens und meiner Lieder wieder anblies, dass sie neu auf flammten, so war es doch ein und derselbe Brand. In Bartholomeo Zen fuhr ich fort Collaltino di Collalto zu lieben. Meine zweite Liebe hielt die erste noch als Leiche im Arm und hörte nicht auf sie mit Tränen zu begießen. Immer wieder stieg mir die Gestalt des Collaltino als Phönix aus der Asche und füllte aufs neue meine Dichtung. Welcher neue Werber hätte das ertragen! Ich konnte ja nicht unwahr sein, meine Dichtung konnte es nicht, denn die Dichtung ist von der Wahrheit unzertrennlich. So zerrann mir auch die zweite Liebe wie ein Schemen im Arm. Ich blieb bis zum Ende allein, und ich starb in der Blüte mit dem Namen des Collaltino auf den Lippen.
Arme Gaspara. Aber von dem Nachspiel schweigst du, dem rührenden, niedagewesenen? Ich meine die späte Sühne, die dir aus dem Hause Collalto selber kam.
Wovon sprichst du?
Von der unerhörten Fügung, dass dir in einem Ururenkel des ungetreuen Collaltino ein neuer edlerer Liebender geboren wurde, der gleichfalls den Namen eines Grafen Collalto trug. Zweihundert Jahre waren über dein Grab gegangen, das keiner mehr kannte. Dein Name war fast verweht, deine Lieder verschollen. Das Heft deiner Sonette – du hattest sie dem Fühllosen als Ganzes nachgesandt, weil ihn die einzelnen Tropfen deines Herzbluts nicht rührten, ob vielleicht der volle Strom sein Herz noch erreiche und dir gütig stimme, – dieses Heft lag vergessen und vergilbt