Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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ja, nur ein ech­tes Wohl­wol­len von Frau zu Frau zu den sel­tens­ten Aus­nah­men. So blieb nicht nur der Geist der Frau völ­lig un­ent­wi­ckelt und in einen um­lau­fen­den Kreis von Klei­nig­kei­ten ge­bannt, ohne Aus­sicht auf das Gro­ße und Gan­ze, auch ihr See­len­le­ben war ent­wür­digt und entadelt. Schlim­mer noch als der tat­säch­li­che Zu­stand war es, dass die­ses öde, ver­küm­mer­te Ge­bil­de als Ideal­bild der deut­schen Frau die bür­ger­li­che Ge­sell­schaft be­herrsch­te. Gehe ich fehl, wenn ich die Ge­stalt des Gret­chen da­für mit­ver­ant­wort­lich ma­che? Es ist ein selt­sa­mes Ver­häng­nis, dass ge­ra­de der Dich­ter, der dem We­sen der Frau am nächs­ten kam und es in viel­fa­chen Spie­ge­lun­gen am ech­tes­ten dar­ge­stellt hat, die Ge­stalt er­schuf und mit dem Schmelz der höchs­ten Poe­sie um­klei­de­te, die die deut­sche Frau um Jahr­hun­der­te zu­rück­wer­fen half. Der Gret­chen­kult war ein all­zu be­que­mer, man konn­te ihr in Hem­d­är­meln die­nen, sie stell­te kei­ne kul­tu­rel­le For­de­rung an den männ­li­chen Part­ner und er­höh­te sein Selbst­ge­fühl durch ihre tie­fe Un­ter­wor­fen­heit. Noch tönt mir aus Ju­gend­ta­gen das viel­ge­sun­ge­ne Braut­lied in die Ohren: »Mein ho­her Herr, du willst her­ab dich las­sen / be­se­li­gend zu dei­ner ar­men Magd.« Hei­ne da­ge­gen sang fri­vol: »Den Leib möcht ich noch ha­ben, / den Leib so zart und jung, / die See­le könnt ihr be­gra­ben, / hab sel­ber See­le ge­nung.« De­mü­ti­ge Magd oder Weib­chen – Leib ohne See­le – das mach­te der männ­li­che For­mungs­wil­le aus dem hand­li­chen Pla­sti­lin. Und das Pla­sti­lin kam ihm wil­lig ent­ge­gen, es war stolz auf sei­ne Hö­rig­keit die kei­ne Mühe kos­te­te, es trug sei­ne geis­ti­ge Ar­mut wie einen Schmuck, worin der Lie­bes­zau­ber steckt. Man­che gab sich so­gar aus Ge­fall­sucht är­mer und schwä­cher als sie war. Sie durf­te ja gar kei­nen geis­ti­gen Be­sitz mit in die Ehe brin­gen, sie hat­te das wei­ße Blatt zu sein, auf das der Mann sei­ne Schrift ein­trug. Eine Schrift, die auch wie­der zu lö­schen war im Fall ei­ner zwei­ten Ehe, denn sie pfleg­te nicht all­zu­tief ein­zu­drin­gen. Ih­rer Wiß­be­gier, wenn sie sol­che hat­te, wur­den alle Ge­gen­stän­de zer­klei­nert wie ei­nem Vö­gel­chen in den Schna­bel ge­steckt. Ich ken­ne eine Da­men­bü­che­rei aus dem vo­ri­gen Jahr­hun­dert, wo sich noch ein Ku­rio­sum be­fin­det, eine »Stern­kun­de für Da­men«! Alle Ge­brei­ten des Le­bens ge­hör­ten aus­schließ­lich und un­wei­ger­lich dem Man­ne, die Frau galt in der Ge­sell­schaft nur als sein An­häng­sel, auch wenn sie zu­fäl­lig die Be­deu­ten­de­re war; ver­wit­wet fiel sie in ihr Nichts zu­rück. Als Un­ver­mähl­te blieb sie le­bens­läng­lich miss­ach­tet und auf die Sei­te ge­scho­ben. Nur sel­ten ge­lang es ei­ner, durch große künst­le­ri­sche Leis­tung auf ir­gend­ei­nem Ge­bie­te die­sen Bann zu bre­chen. Sonst war es ein Kle­ben im Pech, mit lee­rem Kopf und un­ter­drück­ten Le­bens­in­stink­ten, im Her­zen nur die Angst, den rech­ten Zeit­punkt zu ver­pas­sen. Wie viel ein­fa­cher und na­tür­li­cher leb­te sichs doch im Vol­ke; bei Töch­tern aus gu­ten Häu­sern wa­ren Schwer­mut und Wahn­sinn kei­ne sel­te­ne Er­schei­nung. Da kam dann frei­lich der Mann als Er­lö­ser und konn­te nicht lan­ge dar­auf­hin an­ge­se­hen wer­den, ob er der Rech­te sei: die Sa­che war ei­lig, nach zwan­zig hör­te schon meist die Ju­gend auf, denn der Durch­schnitts­käu­fer ver­lang­te die fri­sche­s­te Ware. So blieb die Frau ein un­er­lös­ter Mensch und ein durch und durch ge­fälsch­tes Er­zeug­nis ei­ner falschen Zi­vi­li­sa­ti­on; ihr wah­res We­sen kann­te nie­mand, auch sie sel­ber nicht. – Von Schil­ler stammt der Auss­pruch, dass die Frau nicht nur kein geis­ti­ges Ei­gen­le­ben be­sit­ze, son­dern dass der Mann auch in ih­rem Geist kei­ne dau­ern­de Pflan­zung an­le­gen kön­ne. Goe­the hat ihr we­nigs­tens das Recht zu­ge­bil­ligt, da­bei zu sein, »wenn klu­ge Män­ner re­den«. Ver­ga­ßen die Dich­ter, dass am Auf­gang der Dich­tung ein Frau­en­na­me steht, vor dem das klas­si­sche Al­ter­tum sich neig­te, der ewi­ge Name Sapp­ho? Wo von der Ein­zi­gen eine Stro­phe laut wird, da ver­sin­ken die Jahr­tau­sen­de zwi­schen ihr und uns. Sie nennt ih­ren Quit­ten­baum, und wir hö­ren den lau­en Re­gen Io­ni­ens durch sei­ne Zwei­ge rau­schen; steht er nicht un­ten in un­se­rem Gar­ten? Die Grie­chen strit­ten nicht, ob sol­che Höhe der Frau er­reich­bar sei, sie lie­ßen die Wahr­heit der Er­schei­nung gel­ten. – In Athen war die Frau durch Ge­setz und Sit­te un­ter­drückt, aber die Dich­tung des So­pho­kles hob sie auf die höchs­te, mensch­li­cher Na­tur er­reich­ba­re Stu­fe. Auch hin­der­te die öf­fent­li­che Mei­nung Aspa­sia nicht, über Pe­ri­kles und durch Pe­ri­kles über Athen zu herr­schen. Eben­so­we­nig konn­te die Stim­me der All­ge­mein­heit jene Pries­te­rin der eleu­si­ni­schen De­me­ter schre­cken, die sich al­lein dem von der gan­zen Pries­ter­schaft ge­gen den Al­ki­bia­des ge­schleu­der­ten Bann­fluch zu wi­der­set­zen wag­te. –

      Mit wel­cher Herr­lich­keit tre­ten auch die Sha­ke­s­pea­re­schen Frau­en, die Töch­ter des Geis­tes der Re­naissance ein­her! Wie ge­bie­tend die kö­nig­li­che He­tä­re Kleo­pa­tra und das »Über­weib« Lady Mac­beth. Wie viel Geist, Ent­schlos­sen­heit und Tat­kraft in dem hol­den Mut­wil­len ei­ner Por­zia, ei­ner Bea­tri­ce, in der hin­ge­ben­den Lie­bes- und Treue­pflicht ei­ner Imo­gen. Nir­gends eine in De­mut aus­ge­lösch­te Per­sön­lich­keit. Sol­che We­sens­zü­ge strö­men aus der Dich­tung ins Le­ben über und bau­en das Wunsch­bild, die­ses hilft die Wirk­lich­keit bau­en. Auch Gott­fried Kel­lers Schwei­ze­rin­nen ste­hen kraft­voll und hoch­wüch­sig auf der müt­ter­li­chen Erde. Wie aber stand es in der Li­te­ra­tur des vo­ri­gen Jahr­hun­derts um das Bild der deut­schen Frau? Man blät­te­re in den Wer­ken des fei­nen Paul Hey­se, des da­ma­li­gen Lieb­lings der Le­ser­welt, den man den Frau­en­lob je­ner Tage nen­nen könn­te; wie zer­bla­sen sein Frauen­ide­al und wie spie­le­risch fast durch­weg in sei­ner Dich­tung das tra­gi­sche Rin­gen der Ge­schlech­ter. Da gibt es meist nur einen hol­den mäd­chen­haf­ten Ei­gen­sinn zu über­win­den, der sich ge­gen den über­le­ge­nen Wil­len des Man­nes auf­bäumt, um schnell zer­knirscht mit sü­ßen Reu­e­trä­nen zu sei­nen Fü­ßen zu sin­ken, wo­mit das Pro­blem Mann und Weib ge­löst ist. Kein heu­ti­ger Mann, und wäre er der rück­stän­digs­te, wür­de an der Frau, wie jene Tage sie for­der­ten, sein Ge­nü­ge fin­den. Die Lan­ge­wei­le, die von der un­geis­ti­gen Frau aus­ging, trieb den geis­ti­gen Mann vom Fa­mi­li­en­tisch fort ins Wirts­haus zu Sei­nes­glei­chen. Der Grund, warum der Trunk in deut­schen Lan­den zu­rück­ge­gan­gen ist, liegt nicht al­lein in der schlech­teren Wirt­schafts­la­ge, son­dern auch dar­in, dass der ge­bil­de­te Mann jetzt bei der ge­bil­de­ten Frau zu Hau­se geis­ti­ge Nah­rung fin­det. Denn auch dem Man­ne war mit der Ent­wer­tung der Frau per­sön­lich nicht ge­dient. Der Feh­ler, der in der Rech­nung lag, verd­arb viel­fach auch ihm das Da­sein. Im Zu­sam­men­le­ben mit ei­ner klein­li­chen, hin­ter­grün­di­gen, über Um­we­gen und Hin­ter­trep­pen herr­schen­den Hälf­te san­ken auch ihm die Flü­gel, wenn er sol­che hat­te, nie­der.

      Was große Ge­lehr­te wie Ja­kob Grimm und J. J. Ba­cho­fen über den chtho­ni­schen Ur­grund des Wei­bes und ihr aus der Erd­ver­bun­den­heit her­vor­ge­gan­ge­nes Über­ge­wicht über das männ­li­che Prin­zip in der Vor­zeit sa­gen, das fin­det man auch heu­te noch in den meis­ten al­ten Ehen. Der Mann ist der Ero­be­rer der Na­tur, ihre Fül­len und Gna­den aber hat die Frau zu ver­spen­den. Hat er in sei­ner Voll­kraft sich die Na­tur dienst­bar ge­macht, so be­ginnt er im Al­tern sein all­mäh­li­ches Er­lie­gen vor ihr zu ah­nen, und nun klam­mert er sich an die Frau als an die der Na­tur im­mer ver­traut Ge­blie­be­ne,

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