Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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Er klag­te das Schick­sal an, dass es zwei Jahr­hun­der­te zwi­schen dich und ihn ge­scho­ben, denn er, nicht sein kalt­her­zi­ger Vor­fahr hät­te müs­sen der dir zu­ge­dach­te Col­lal­to sein. Nicht um sei­nen Waf­fen­ruhm noch um die hö­fi­schen Ehren, die je­ner sich er­wor­ben, be­nei­de­te ihn der En­kel, son­dern ein­zig um die Lie­der der Anas­sil­la. Und er stell­te sich rit­ter­lich vor dich, um den Schmutz post­hu­mer Ver­läs­te­rung von dir ab­zu­weh­ren.

      Ja, so war es, ant­wor­te­te das Bild. Das al­les tat der edle Ram­bal­do für mich. Ich dan­ke dir, Wan­de­rer, dass du mich er­in­nert hast. Er war es, der mein An­ge­sicht in Kup­fer ste­chen, in Sei­de wir­ken ließ, auch was du vor dir siehst, ent­sprang ei­nem Auf­trag sei­ner groß­mü­ti­gen Güte. Aber glau­be du nicht, die­ses rund­li­che Ju­gend­ant­litz sei das der Mär­ty­re­rin der Lie­be. Sie sah an­ders aus, als ihr un­ter dem frü­hen Lor­beer die Dor­nen wuch­sen, die ihre Schlä­fen zer­fleisch­ten.

      Ver­nimm noch eins, Gas­pa­ra oder Anas­sil­la, wie du ge­nannt sein willst. Aber lie­ber nen­ne ich dich Gas­pa­ra, denn dein Tän­del­na­me will sich mir zu dem töd­li­chen Ernst dei­nes Lie­bens nicht schi­cken: Noch ein­mal und ein hal­b­es Mal dreh­te das Jahr­hun­dert sei­ne Spei­chen, da kam über die Al­pen ein deut­scher Dich­ter. Auch ihn er­griff dein Lo­dern, er ver­stand dich, wie du ver­bren­nend leb­test und nichts woll­test als bren­nen, er fühl­te in dir die süd­li­che Schwes­ter uns­res nor­di­schen Wer­ters. Er nahm dei­ne Lie­der an sein großes Herz und mach­te dei­nen Na­men hell bei ei­nem an­dern Volk, in­dem er dich als Sinn­bild auf­stell­te un­ter den großen Lie­ben­den al­ler Zei­ten.

      Hab noch­mals Dank, gü­ti­ger Wan­de­rer. Du nann­test mich die Un­glück­lichs­te al­ler Lie­ben­den und al­ler Dich­te­rin­nen. Ge­ste­he jetzt, dass ich die Glück­lichs­te bin.

      Ich glau­be, Gas­pa­ra, dass du recht hast.

      Es wur­de stil­le im Raum. Gleich dar­auf schlug der Hund des Gärt­ners ganz lei­se an, aber er blieb schwan­zwe­delnd lie­gen, als eine ge­wand­te, seh­ni­ge Ge­stalt vor­sich­tig an der Au­ßen­mau­er der Vil­la her­ab­glitt und sich rasch über die nied­ri­ge Stein­brüs­tung schwang, die den Park nach der steil ab­fal­len­den Tal­sei­te ab­schloss.

      Beim hel­len Mor­gen­schein wun­der­te sich der Gärt­ner, dass sein Gast, in dem er einen von den Frü­hen er­war­tet hat­te, noch nicht er­schie­nen war. Er klopf­te an die Tür des Tep­pich­saals, um sich zu er­kun­di­gen, wie er ge­schla­fen habe. Aber er trau­te sei­nen Au­gen nicht, als er den Raum leer und nir­gends mehr eine Spur des Frem­den fand. Nur auf dem Tisch­chen zwi­schen den zwei ge­leer­ten Kar­af­fen lag ein Sil­ber­stück, des­sen Be­trächt­lich­keit in dem al­ten Mann die Vor­stel­lung er­weck­te, der ge­heim­nis­vol­le Ge­ber müs­se trotz sei­nes be­schei­de­nen Auf­tre­tens doch so et­was wie ein ver­kappt rei­sen­der Fürst oder gar eine Art von Zau­be­rer ge­we­sen sein.

      1 Was ich will, ist nichts als daß es bren­ne <<<

Die Pilgerfahrt nach dem Unerreichlichen

      Aus freund­li­chen Le­ser­krei­sen bin ich wie­der und wie­der ge­fragt wor­den, warum ich mei­ne Ju­gen­derin­ne­run­gen, die mit der Über­sied­lung un­se­rer Fa­mi­lie nach Ita­li­en ab­schlie­ßen, nicht spä­ter wie­der auf­ge­nom­men und fort­ge­führt habe. Man woll­te die zahl­rei­chen Son­der­dar­stel­lun­gen, die den ein­zel­nen Glie­dern mei­nes Hau­ses so­wie den Men­schen mei­ner spä­te­ren Um­welt ge­wid­met sind, nicht für einen voll­wer­ti­gen Er­satz neh­men, weil man in dem ab­sicht­li­chen Zu­rück­stel­len der ei­ge­nen Per­son eine Art Aus­wei­chen zu se­hen mein­te, was es ja in ge­wis­sem Sin­ne auch war. Im Au­gen­blick, wo ein ge­lieb­ter Mensch die Au­gen schließt, er­lischt ganz plötz­lich die Ta­ges­be­leuch­tung mit den durch sie her­vor­ge­brach­ten Schat­ten und Ver­zeich­nun­gen, die großen Grund­li­ni­en ord­nen sich in ih­rem ei­ge­nen Lich­te zu dem gott­ge­woll­ten Ur­bild der un­voll­kom­me­nen und sich wi­der­spre­chen­den ir­di­schen Er­schei­nung. Mit die­sem hat der Bio­graf als mo­nu­men­ta­ler Künst­ler, der er sein muss, zu tun, und er be­sorgt sein zar­tes und ver­ant­wor­tungs­vol­les Amt am bes­ten, wenn er nicht sich sel­ber als Ge­gen­spie­ler zu den Dar­ge­stell­ten auf die Büh­ne be­gibt. Ich trat zu­rück, um ih­nen an kei­ner Stel­le durch mei­nen her­ein­fal­len­den Schat­ten das Licht zu be­ein­träch­ti­gen. Weil ich aber ei­nem eng ver­bun­de­nen Fa­mi­li­en­kreis an­ge­hört habe, des­sen ein­zel­ne Glie­der alle schick­sal­haft auf­ein­an­der be­zo­gen wa­ren – ein je­des von den an­dern grund­ver­schie­den, aber je­des für sich eine ein­heit­li­che Per­sön­lich­keit –, so kann ich kein Ka­pi­tel mei­nes Le­bens auf­rol­len, ohne dass das gan­ze Stern­bild sich mit­be­wegt. Ich kann dem Le­ser je­doch nicht zu­mu­ten, sich die Un­ter­grün­de und Zu­sam­men­hän­ge aus den ver­schie­de­nen Erin­ne­rungs­bü­chern zu­sam­men­zu­su­chen. Da bleibt nichts üb­rig, als ge­le­gent­lich in den al­ten Far­ben­topf zu grei­fen und den zu­vor in ih­rer Le­bens­fül­le ge­schil­der­ten Ge­stal­ten ihr Er­den­kleid we­nigs­tens leicht­hin wie­der um­zu­hän­gen. Da­bei ist es un­ver­meid­lich, dass aus mei­nem Le­ben her­aus ge­se­hen die zu­vor nur in ih­ren ei­ge­nen Wer­ten und Rech­ten Ge­schil­der­ten nun­mehr an­ders er­schei­nen und das gan­ze Blick­feld sich ver­än­dert. Auch von den aus­ge­präg­ten Ge­stal­ten, die von au­ßen her mei­nen Weg ge­kreuzt ha­ben, sind die meis­ten ent­we­der schon in Son­derab­hand­lun­gen dar­ge­stellt, oder sie ste­hen ir­gend­wo ver­klei­det in mei­nen Bü­chern, dann frei­lich so ver­wan­delt und in­ein­an­der um­ge­gos­sen, dass sie sich sel­ber nicht mehr er­ken­nen wür­den noch ihre Glie­der an sich zu neh­men ver­möch­ten, da das eine vom einen, das an­de­re vom an­dern stammt, und die­se ge­misch­ten Be­stand­tei­le nun­mehr na­tür­lich wie bei Le­ben­den in­ein­an­der­grei­fen und neue In­di­vi­dua­li­tä­ten bil­den. Ich glau­be, der große Schöp­fer hält es auch nicht an­ders, als dass er sei­ne Ge­bil­de im­mer wie­der mischt und an­ders zu­sam­men­setzt. Wie soll­te ich sol­che ver­tausch­ten Glie­der wie­der von­ein­an­der lö­sen und je­dem das sei­ne zu­rück­ge­ben? Die selbst­ge­schaf­fe­nen Bil­der sind dem Ur­he­ber, der sie mit Tei­len sei­nes ei­ge­nen We­sens ver­kit­tet, glaub­haf­ter und we­sent­li­cher als die leib­haf­ten Vor­la­gen, die, nach­dem sie ein­mal die­sen Dienst ge­leis­tet, in der Erin­ne­rung zu­rück­tre­ten und ver­blas­sen. Was die Dich­tung sich ein­mal zu­ei­gen ge­nom­men hat, das ge­hört ihr für im­mer und kommt für die Rück­ver­set­zung in die Wirk­lich­keit nicht mehr in Be­tracht. Ja, selbst mein ei­ge­nes Le­ben ist zum großen Tei­le nicht mehr mein, da es schon durch hun­dert Kanä­le, in Spie­ge­lun­gen und Par­al­le­len und in wirk­li­chen Epi­so­den, die ein­mal mein wa­ren und jetzt den er­fun­de­nen Per­so­nen ge­hö­ren, von mir ab­ge­flos­sen ist und da­mit eben­falls auf wei­te Stre­cken für die Selbst­bio­gra­fie un­brauch­bar ge­wor­den. Blei­be es, wo­hin ich es ge­ge­ben habe, sonst müss­te man­ches, was hier nur noch flüch­tig ge­streift wer­den kann, einen viel wei­te­ren Raum auf die­sen Blät­tern ein­neh­men.

      Wenn ich mich nun trotz der

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