Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Ja, du bist es, Gaspara. Die Wahrzeichen Venedigs im Hintergrund nennen den Ort deines Glücks und deiner Qual – und hier das Ziel deiner wehen Sehnsucht, das Stammschloss deines allzuhochgeborenen Geliebten, in dem du niemals hoffen durftest als Herrin zu wohnen. Denn niemals wird einer großen Liebenden zuteil, was nur den kühlen Herzen vorbehalten ist: durch die Liebe zu weltlicher Größe aufzusteigen. Und siehe, damit kein Zweifel bleibe, steht hier nicht der Name Anassilla, eingewirkt in das Goldband deiner Leier, dein Schäfername, den du nach dem lateinischen Namen des Flusses wähltest, der das Schloss der Collalto umspült, damit der Name dir Zeichen sei deiner gewollten Hörigkeit.
Ja, du bist es, williges Opfer der Leidenschaft. Du schenktest mit deiner Dichtung einem überreichen, aber in öder Ichsucht frierenden Jahrhundert die Schmerzen der Liebe als ihren schöneren Teil zurück. Mitten durch den grellen Chorus der ichbefangenen, ichtrunkenen Mitwelt stieg aus deiner Kehle wie Nachtigallenschluchzen das ewige Du des liebenden Weibes.
Anassilla, wie kam es, dass du mir immer im Sinne lagst, wenn ich die Tauben von San Marco fütterte? Wenn so ein schlankes sanftgurrendes Tierchen von seinem gewalttätigen Tyrannen, einem mächtig großen bösartigen Täuberich, begleitet oder verfolgt war, der ihm den Gang vorschrieb, es von den fetten Körnern wegdrängte und es eifersüchtig in der Runde trieb, da dachte ich, ob wohl die Seele der liebenden und alles duldenden Gasparina in einem dieser fügsamen Geschöpfe verkörpert sei und noch immer den Launen ihres ungütigen Gebieters diene.
Du dachtest richtig, fremder Wanderer, dass ich ihm weiter diene, wenn auch nicht im Federkleid eines Täubchens, antwortete es aus dem Bilde. Mein Herr, der Collaltino –.
Du nennst ihn noch immer deinen Herrn?
Meine Dichtung, die meine Liebe war, hat ihn mir zum Herrn gesetzt für alle Ewigkeit. Denn was wäre die Ewigkeit ohne die Liebe.
Gaspara, darf ein später Bewunderer deiner Dichtkunst dich fragen, wie diese Liebe begann, deren Allgewalt und Allduldsamkeit über jedes für uns Heutige fassbare Maß hinausgeht?
Meine Liebe, du fremder Mann, hat niemals begonnen. Sie war, bevor ich wurde, denn als ich die Stelle betrat, wo ich dem Collaltino begegnen musste, da flammte sie auf wie ein zuvor gelegter Brand. Vielleicht wirst du zu diesem Worte den Kopf schütteln. Aber frage die Größten, die von Liebe sangen, sie werden dir vielleicht eine Jahreszahl, einen Tag, eine Stunde nennen, aber von dem Ursprung ihrer Liebe haben sie damit nichts gesagt. Denn die Liebe ist früher als ihr irdischer Gegenstand, den sie schon von drüben her kennt. Sie wartet darauf, dass er in ihren Lichtkreis trete, um ihn zu fassen und für immer zu halten. So habe ich den Grafen geliebt, bevor ich ihn kannte. Als ich ihn zum ersten Mal nennen hörte, bebte mein Herz beim Klang seines Namens, als ob er mir etwas ganz Besonderes zu sagen hätte. Und es bebte, als ich die Auszeichnung, die kriegerische und dichterische, vernahm, die sich daran knüpfte. Gleichzeitig beschäftigte meine Einbildungskraft eine Gestalt, der ich wiederholt auf den abendlichen Spaziergängen an der Riviera begegnet war, die adligste Männergestalt in dem glanzverwöhnten, durch das Zusammenströmen so vieler hervorragender Fremder begünstigten damaligen Venedig. Durch die gebräunte Hautfarbe und die soldatisch-ritterliche Haltung, fiel er unter unsern weichlicheren Venezianern von weitem auf. Und ich merkte, dass auch er mich in dem flutenden Getriebe geschmückter Menschen bemerkt hatte. Wie ward mir aber, als ich entdeckte, dass Name und Gestalt dem Gleichen angehörten, dass der Schöne, dessen Anblick mich bezauberte, eben dieser Collaltino di Collalto war, von dem sie so viel Rühmliches erzählten. Da kniete ich im Überschwang des Entzückens nieder und dankte dem Herrn des Himmels für seine Güte, dass er die Erde mit einem solchen Wunderbild geschmückt habe.
Bei einer der vielen geselligen Zusammenkünfte, wo Adel der Geburt und Adel des Geistes sich ebenbürtig begrüßten, fand unsere erste Begegnung statt. Ich war einer Ohnmacht nahe, als er hereintrat und ich sogleich fühlte, dass seine Augen mich suchten, und ich fand kein Wort, seine Anrede zu erwidern. Ich mühte mich nicht, meine Bewegung zu verbergen, ich hätte es gar nicht gekonnt, sie sprach übermächtig aus der wechselnden Farbe meiner Wangen. An jenem Abend ging der Graf nicht von meiner Seite. Allen fiel es auf, wie er mich auszeichnete. Man nötigte mich zu singen, er selber war’s, der zuerst diesen Wunsch äußerte. Ich setzte bebend an, ich fürchtete, dass mir die Stimme versage. Aber der Genius der Liebe stand mir bei und ließ mich Töne finden, wie noch keine aus meiner Brust gekommen waren; das Klopfen meines Herzens machte sie nur ausdrucksvoller. Ach, der Todesschlaf konnte kein Vergessen zwischen mich und jene Stunde schieben! Ein jubelnder Beifall brach aus, als ich geendigt hatte; man steckte mir Lorbeerreiser in die Haare. Ich war berauscht von Wonne, denn mir schien, als müssten diese Huldigungen mich in seinen Augen schöner machen. Über allen Frauen der Erde Madonna Gaspara! sagte der Graf, und seine Augen sagten noch mehr. Sie sagten, dass er mich liebe. Mein guter fremder Mann, der mir diese Beichte abnimmt, vielleicht bist du von denen, die mich schelten, dass ich so schnell, so ganz bedingungslos die Seine ward. Aber sollte ich mich selbst bestehlen, indem ich seinem Werben Nein sagte? Und welche Bedingungen hatte ich zu stellen, ich Arme, ihm, dem Einzigen? – Die Liebe stellt keine, sie fordert nicht, sie sucht nicht das ihre. Ich hatte nur zu geben, mich selbst und mein Gedicht und alles was mein war. Und zu danken hatte ich, endlos zu danken, dass er das Geschenk annahm. Denn was wäre ich ohne ihn gewesen und ohne das Leid, das er mir brachte? Nur eine klingende Schelle ohne Herzenston, ohne Naturlaut wie die anderen Liebesdichter und Dichterinnen meiner Zeit.
Es war ja nicht sein weltlicher Rang, was mich mit einer Liebesdemut zu ihm aufschauen ließ, die euch Kindern einer anderen Welt als sklavisch erscheint, es war seine männliche Vollkommenheit. Denn das Seltenste, was der Natur gelingt, ist ein Mann nach dem Herzen Gottes. Hier war einer, in dem alle Vorzüge des Geistes und des Leibes beisammen lagen. Wie fühlte ich mich arm und leer und in meiner gepriesenen Schönheit klein und schwarz und hässlich mit ihm verglichen. Denn mein Liebster trat hoch einher, über seiner adligen Stirn krauste sich das blonde Haar, sein Auge war voll Kühnheit und zugleich milde. In ihm paarte sich die stolze Kraft des Nordens, aus dem sein Geschlecht stammte, mit der berückenden Anmut des Südens. Glaube nicht, du fremder Mann, dass ich noch wie ein verliebtes Mädchen