Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Was nach ihrer Gefangennahme mit der Gräfin von Forli geschah, davon schweigen die Teppichbilder. Aber die Geschichte redet – und hier die aufgestörten Geister, die noch nicht zur Ruhe sind; ihr zorniger Widerstreit erfüllt lautlos aber spürbar den Raum. Der Borgia hat das Wort gebrochen, das er dem Herrn d’Allègre gab, die hohe Frau in ehrenvoller Haft zu halten, bis der König von Frankreich ihr Geschick entschieden habe. Um so mehr denkt er den vor sich selbst getanen Schwur zu halten und seine Rache an der Gefangenen grenzenlos zu kühlen. Er hat sie nach dem Abmarsch ihres Beschützers mit roher Gewalt von ihren Frauen losreißen und in sein eigenes Schlafgemach schleppen lassen, wo er sie Tag und Nacht verschlossen hält. Vergebens erheben die anderen Führer Einspruch und mahnen an das gegebene Wort.
Eine Männin, die Festungen kommandiert und den Harnisch auf dem Leibe trägt, ist keine Frau im Sinne des französischen Kriegsrechts, antwortet der Valentino.
Aus ist es mit dem Blendwerk der Ritterlichkeit, die Brutalität des Siegers zeigt ihre Teufelsfratze. Ihre Schönheit und Hilflosigkeit reizt die Gehässigkeit seiner verderbten Sinne, sie zu peinigen und mit Schmach zu besudeln. Nicht mehr die Heldin von Forli soll sie heißen, sondern die Sklavin, die Metze des Borgia. Sie speit ihm ins Gesicht, aber der Unhold, der den Stier in der Arena fällt, ist der Stärkere. Immer wieder fragt er:
Wo habt Ihr das griechische Mädchen versteckt?
Sie antwortet: Ich hab es dir zehnmal gesagt, sie ist da, wo du Gottvergessener niemals sein wirst.
Selbst der Luffo Nummai, in dessen Haus diese Greuel geschehen, wagt die verblümte Mahnung, dass es den Sieger ziere, den besiegten tapferen Feldherrn zu ehren.
Ich ehre sie ja, ist die diabolische Antwort: Noch immer war es die Ehre des gefangenen Feldherrn, das Zelt des Siegers zu teilen. So will es die Rittersitte. Verhüte Gott, dass ich sie breche.
Der Herzog sagt es in warnendem Ton, sein Aug wirft böse Strahlen. Niemand wagt noch eine Erwiderung. Beim Aufbruch setzt er die Gefangene aufs Pferd und führt sie durch die Straßen von Forli, damit ihre ehemaligen Untertanen sich an ihrer Entwürdigung weiden. Aber kein Spottwort fällt über die gestürzte Größe, er sieht nur niedergeschlagene Augen, die sich trauernd abwenden. Ihre Missetaten sind verziehen, ihre Fehler sind vergessen, das Volk gedenkt nur ihrer Heldengröße, die drei Heeren standgehalten hat, und ihres Unglücks. So schleppt er sie landaus landein durch alle Etappen seines Eroberungszuges, immer enge an seine Person gebunden, dass ihre Schmach vor der ganzen Welt offenkundig sei, bis er festlich in Rom als Herzog von Romagna einzieht, die Dame von Forli wie ein gefangenes böses Tier im Schaugepränge mit sich führend.
Und jetzt hat noch einmal die Webekunst das Wort. Am Ende der Wand ist noch ein Teppich übrig, nur dem Eingeweihten deutbar. Hier steht noch einmal der Herr d’Allègre, und zwar mitten im päpstlichen Gemach vor Sohn und Vater Borgia. Aber nicht mit gebeugten Knien, sondern soldatisch breitspurig und selbstbewusst, den Schnauzbart aufgezwirbelt, als Herr der Lage. Was hat ihn hergeführt? Was schafft er ganz allein in der Höhle des Löwen?
Ein neuer Krieg hat sich entzündet und Monseigneur d’Allègre hat nach Jahresfrist zum zweiten Mal sein Heer über die Alpen geführt. Er soll für Ludwig XII. im Einverständnis mit dem Papst das Königreich Neapel erobern. Unbekannt ist ihm das Los seiner ehemaligen Gefangenen. Aber kaum dass er italienischen Boden betritt, da erreichen ihn Fetzen eines Klagegesanges auf die Dame von Forli. Denn nicht ein Spottlied ist sie geworden, sondern die Heldin einer trauervollen Romanze, die von Ort zu Ort durch ganz Italien wandert. Die Soldaten, denen der Heldenmut und die Schönheit der »Dame Cathérine« unvergesslich geblieben, hören mit Unwillen, dass ihr Leid und Schimpf widerfahren ist, denn wohin sie kommen, da empfängt sie derselbe Kehrreim:
Schaut auf diese jammervolle
Caterina von Forlivi!
Der Feldherr stutzt und forscht und gerät außer sich: so hat der Valentino Wort gehalten! Aber erst in Viterbo, wo er rasten muss, erfährt er von einem Diener der Sforza die volle Wahrheit: dass die Heldin von Forli seit Jahr und Tag im Keller der Engelsburg schmachtet und dass ihr Leben an einem Faden hängt, denn all seine anderen Gegner, deren er habhaft geworden, hat der Borgia bereits in der Stille verschwinden lassen. Da sieht der Herr d’Allègre die äußerste Gefahr im Verzug. Das Heer marschiert ihm viel zu langsam. Er wirft sich bewaffnet aufs Pferd, mit nur drei Knechten jagt er spornstreichs nach Rom und unmittelbar vor das Tor des Vatikans. Mit dem Namen seines Königs auf den Lippen schiebt er ohne Umstände die päpstlichen Wachen zur Seite, eilt staubig und schweißbedeckt wie er ist die Stufen hinauf, und an den sprachlosen Kämmerlingen vorüber betritt er unangemeldet das innerste Gemach Seiner Heiligkeit:
Wo ist die Dame von Forli?
Cesare will aufbegehren, aber er fügt sich auf einen Blick des rasch gefassten Papstes. Die französische Freundschaft ist zu kostbar, um sie an der Rauheit eines ungeschlachten Kriegsmanns scheitern zu lassen. Man gibt ihm gute Worte und sucht Zeit zu gewinnen, aber er lässt sich auf keine Ausflüchte ein.
Ich kann nicht mehr vor meinen königlichen Herrn treten, wenn ich ihm sagen muss, dass sein geheiligter Name entweiht und seine Ehre verletzt ist. Meine Soldaten glühen vor Empörung. Sie folgen mir auf dem Fuße. Ich weiß nicht, ob ich sie werde zügeln können, wenn ich ihnen nicht unseres Königs Schutzbefohlene frei und wohlbehalten vor Augen stelle.
Argwöhnisch hält er, indes er spricht, die beiden im Auge, ob nicht etwa hinter dem Wandbehang Don Michelotto, Cesares Busenfreund und Henker, auf einen heimlichen Wink warte, um die Angelegenheit rasch in der Stille abzutun. Er weiß, von der Engelsburg ist nur ein Schritt zum Tiber, der schon manchen als Leiche aufnahm, der dem neugebackenen Herzog der Romagna unbequem war. Man erbietet sich, die Gefangene vor ihn zu führen. Nichts da! Er muss selbst zu ihr, und zwar auf der Stelle, er begehrt keine Umstände und Zeremonien, er begehrt nur den Einlass.