Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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wie ist die stol­ze Dame von For­li ver­wan­delt!

      Ab­ge­zehrt, in schwar­zem, non­nen­haf­tem Ge­wand, das Haar schnee­weiß ge­wor­den, so tritt die Schwer­ge­prüf­te an der Sei­te ih­res Ret­ters in die Frei­heit. Vie­le Jah­re schei­nen hin­ter ihr zu lie­gen, seit sie zu­letzt das Son­nen­licht sah, je­der Tag der auf­ging, konn­te ihr letz­ter sein, denn noch im­mer war sie dem Her­zog im Wege. Da hat sie krank und fie­bernd, im en­gen son­nen­lo­sen Raum, Ge­richt über sich sel­ber ge­hal­ten und hat ihre Ver­ge­hen für schwe­rer er­kannt als ihre Stra­fe. Aber was ihr nach oben ge­rich­te­ter Blick aus­drücken will, ist nicht mit Si­cher­heit zu sa­gen. Sucht sie, schon nahe dem Grab, über gol­de­nen Wol­ken die Gna­de, die die Bü­ße­rin sich er­hofft? Oder ahnt sie noch ein­mal ir­di­schen Glanz – die Kro­ne von To­s­ka­na auf dem Haupt ei­nes En­kels, durch den ein­mal Blut von ih­rem Blu­te in al­len Herr­scher­häu­sern Eu­ro­pas flie­ßen wird?

      Es ist nicht ge­fahr­los, Geis­ter zu ru­fen, auch nicht für den Ein­ge­weih­ten. Da­mit sie er­schei­nen, muss er ih­nen von sei­nem Blu­te zu trin­ken ge­ben, das miss­brau­chen sie und las­sen ihn er­schöpft und blut­leer zu­rück. Dass er die zwei feu­er­spei­en­den Dra­chen mit sei­nem Blu­te ge­nährt hat, nimmt dem Ru­fer für den Rest der Nacht die Ruhe. Ihr wild­brau­sen­des Le­ben hat sich ja nicht wie eine matt­ge­wor­de­ne Wel­le am Ufer nie­der­ge­legt; sol­che Wel­len un­bän­di­gen Le­bens­wil­lens um­lau­fen die Erde, weiß Gott, wie vie­le Male, ehe sie auf den Le­ben­den tref­fen, an dem sie sich bre­chen und ih­ren In­halt aus­gie­ßen kön­nen. Dann trei­ben sie’s noch ein­mal aus dem Vol­len wie im stür­mi­schen Ablauf ih­rer ei­ge­nen Tage; ihre Bil­der sind nicht mehr blo­ße Bil­der, zwei­di­men­sio­na­le Sche­men, sie wer­den ih­nen zum neu­en Le­bens­raum für ihre un­ge­still­ten Trie­be. Dem Wan­de­rer klopft das Herz zum Zer­sprin­gen, das Zim­mer ist für ihn noch ganz voll von dem ge­schau­ten Spuk. Am liebs­ten stie­ge er durchs Fens­ter hin­un­ter und über die Park­mau­er, um in die bal­sa­mi­sche Nacht hin­aus­zu­wan­dern. Aber für einen Sprung ist es hier oben zu hoch, und zum Hin­un­ter­klet­tern feh­len im Mond­schein die si­che­ren Trit­te. So bleibt nichts üb­rig, als sich wie­der zu Bet­te zu le­gen, wo ein auf­ge­reg­ter Halb­schlaf ihn in un­zu­ver­läs­si­gen Ar­men her­um­wälzt. So oft es in ihm stil­le wer­den will, be­wegt sich die Dra­chin von der Wand, um sich männer­gie­rig auf ihn zu stür­zen; es hat ihr wohl zu lan­ge an Lie­bes­aben­teu­ern ge­fehlt, gan­ze vier Jahr­hun­der­te und mehr. Ein­mal da ihn ein stär­ke­rer Luft­zug vom Fens­ter her traf, spür­te er schon ih­ren stäh­ler­nen Pan­zer auf sei­ner nack­ten Brust. Dann wie­der sah er in ei­ner Ecke des Saa­l­es die rüh­ren­de Ione ste­hen, mit pul­ver­ge­schwärz­tem Ge­sicht und to­destrau­ri­gen Au­gen, sei­ne Ione, die er liebt wie der Künst­ler sein Werk, denn er, nicht der Ma­rullo, hat sie ge­zeugt. Und das Leid um sie würgt ihn im Hal­se. Er hät­te um sie wei­nen kön­nen – warum? Weil er sie hat ster­ben las­sen müs­sen? Oder weil sie nie ge­lebt hat? Er weiß es nicht, aber ein stil­les Heim­weih nach ihr, in der sei­ne zärt­lichs­ten Träu­me Ge­stalt ge­wor­den wa­ren, wird ihn in den wachs­ten Tag hin­über­be­glei­ten.

      1 Wie ein to­ter Kör­per fällt <<<

      Sie ha­ben dir zu­ge­setzt, ich hab es wohl ge­se­hen, sprach eine Stim­me von sel­te­nem Wohl­laut in den Mor­gen­schlaf des Wan­de­rers. – Aber ich war dir nahe und stärk­te dich durch mein Ge­bet, sonst wärst du ih­rer nicht Herr ge­wor­den. Und dei­ne Ione lag mit auf den Kni­en für dich.

      Ione? dach­te er. So hat sie also doch ge­lebt?

      Ob sie ge­lebt hat oder erst künf­tig le­ben wird, das ist vor dem Thron der Ewig­keit nicht das We­sent­li­che. Du kannst kei­ne Ge­stalt er­den­ken, die nicht Gott zu­vor ge­dacht hat, er­wi­der­te die Stim­me.

      Wer bist du, hol­der Mor­gen­traum, der zu mir spricht?

      Zer­rei­ße den Schlei­er vollends ganz und öff­ne die Au­gen, so wirst du mich er­bli­cken.

      Er rich­te­te sich auf und schüt­tel­te den Rest des Schla­fes von sich. Es war nicht das ers­te­mal, dass Stim­men beim Er­wa­chen zu ihm spra­chen, die aus sei­nem ei­ge­nen In­ne­ren tön­ten.

      Ich bin hier, du hast mich zu­vor schon ge­se­hen, aber nicht in dein Be­wusst­sein auf­ge­nom­men, schi­en es noch zu sa­gen.

      Er sah sich um, im Zim­mer war es hel­le, die ers­ten Strah­len der noch nicht sicht­ba­ren Son­ne sta­chen wie gol­de­ne Spie­ße hin­ter den Hö­hen her­vor. Die Tep­pi­che an den Wän­den emp­fin­gen durch sie kein Le­ben mehr. Sie wa­ren in der Tat recht schä­big und ver­staubt und recht­fer­tig­ten die Kla­ge des al­ten Gärt­ners über ihre Ver­kom­men­heit. Die un­glei­chen Grö­ßen­ma­ße ver­rie­ten, dass die Samm­lung ein­mal von den frü­he­ren Be­sit­zern zu ir­gend­ei­ner fest­li­chen Ge­le­gen­heit vor­über­ge­hend hier auf­ge­hängt wor­den war; dann hat­te man ver­säumt, sie wie­der zu­sam­men­zu­rol­len und mit­zu­neh­men, und hat­te da­mit einen wert­vol­len Be­sitz zu­grun­de ge­hen las­sen.

      Die an der Nord­wand, die be­son­ders ver­blasst wa­ren, hat­ten in ih­rer Un­be­hilf­lich­keit et­was Rüh­ren­des, wenn sie auch die nächt­li­che Fan­tas­ma­go­rie nicht mehr her­auf­zu­be­schwö­ren ver­moch­ten, mit Aus­nah­me des Fran­ces­ca­zy­klus, der eine meis­ter­li­che Hand ver­riet. Da­ge­gen lie­ßen ihn die bes­ser er­hal­te­nen an der Süd­wand völ­lig kalt, er be­griff die Er­re­gung nicht mehr, in die sie ihn ver­setzt hat­ten. Ihre Fi­gu­ren er­schie­nen ihm jetzt auf­dring­lich und ver­zeich­net, die Far­ben hart, ihre gan­ze Dä­mo­nie hat­te im Son­nen­auf­gang die Kraft ver­lo­ren. Sei­ne Ione, wo war sie? Nicht mehr her­aus­zu­fin­den. In dem ver­lo­re­nen Pro­fil ei­nes jun­gen Ehren­fräu­leins mein­te er eine schwa­che Spur von ihr zu er­ken­nen. Aber wie fer­ne von der er­leb­ten Ge­stalt. Nein, Ione war aus ihm selbst ge­bo­ren, sie hat­te nur in sei­nem Her­zen ge­lebt.

      Ganz an die Ecke der Fens­ter­wand her­an­ge­rückt und teil­wei­se durch einen dar­un­ter auf­ge­stell­ten nie­de­ren Zier­schrank ver­deckt, kam jetzt noch ein Tep­pich­bild zum Vor­schein: ein jun­ges Weib mit nack­ten Schul­tern und Ar­men von der sinn­li­chen Schön­heit ve­ne­zia­ni­scher Re­naissance­frau­en, einen Kranz von Lor­beer im dunklen Haar. Sie neigt sich über einen be­kränz­ten Al­tar, wor­auf in ei­ner Scha­le ein mensch­li­ches Herz, das ihre, brennt, und gießt aus ei­nem Fläsch­chen Öl zu. Auf dem Al­tar stan­den die la­tei­ni­schen Wor­te: Et quid volo nisi ut ar­de­at. Links da­von an ei­nem blitz­ge­spal­te­nen Lor­beer­baum lehn­te eine Lau­te mit gold­far­be­nem Band. Im Hin­ter­grund wur­den die gold­schim­mern­den Kup­peln von San Mar­co sicht­bar mit ei­nem Strei­fen Was­sers da­hin­ter und in noch fer­ne­rer Fer­ne zur Rech­ten auf ei­ner sanft ge­schwun­ge­nen An­hö­he thron­ten die Zin­nen ei­nes Feu­dal-Schlos­ses.

      Pe­re­gri­nus staun­te., er fuhr sich über die Au­gen: Bist du es, Gas­pa­ra Stam­pa, hol­de Nach­ti­gall, die sich zu Tode sang? Un­glück­lichs­te

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