Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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Fra­ge hat­te aber auch noch eine an­de­re Sei­te, die über das Ein­zel­schick­sal hin­aus ins All­ge­mei­ne wirk­te. Da die Mensch­heit ein Gan­zes ist und nur durch den Kunst­griff der Na­tur in zwei Hälf­ten ge­teilt, um sie bes­ser zu ver­bin­den, so muss­te durch die Ver­küm­me­rung des einen Ge­schlechts das an­de­re mit­ge­schä­digt wer­den, und mit­tel­bar die gan­ze Na­ti­on. Denn die Frau schafft das äu­ße­re Ge­prä­ge ei­ner Kul­tur; sie ist die Er­zie­he­rin des Man­nes zu Form und Schön­heit, und ihr fei­ne­rer Tast­sinn ist be­ru­fen, sei­ne star­re, ab­strak­te Sach­lich­keit zu mil­dern. Es braucht nun ein­mal den Sporn des Eros um die Sit­ten zu ver­fei­nern und das Le­ben zu ver­edeln. Der Man­gel an Takt und äu­ße­rem An­stand, die Schroff­heit, hin­ter der sich oft nur ge­sell­schaft­li­che Un­si­cher­heit ver­barg, und was sonst noch das Aus­land dem Deut­schen vor­warf und zum gu­ten Teil heu­te noch vor­wirft, nach­dem es mit die­sen Din­gen bes­ser ge­wor­den – denn wie lan­ge dau­ert es, bis eine ge­präg­te Mei­nung sich be­rich­tigt –, war in dem man­geln­den ge­sell­schaft­li­chen Ein­fluss der Frau be­grün­det. Wes­halb auch die deut­sche Kul­tur nie im­stan­de war, eine Ge­sell­schaft mit be­stimm­tem äu­ße­rem Form­cha­rak­ter zu bil­den wie die ro­ma­ni­sche oder die an­gel­säch­si­sche und da­mit für den deut­schen Men­schen die kenn­zeich­nen­de Sil­hou­et­te zu prä­gen, die ihn ein­heit­lich und ge­fäl­lig von den Nach­barn ab­ge­ho­ben hät­te. Dass er da­heim die Form ver­schmäh­te, trieb ihn dazu, sie aus­wärts um so rück­halt­lo­ser zu be­wun­dern und nach­zuah­men. Weil er sich für sein Deutsch­tum kein ge­sell­schafts­fä­hi­ges Kleid ge­schaf­fen hat­te, leg­te er im Aus­land das sei­ne ab, und nahm – wie oft hat es mich ge­wurmt! – die äu­ße­re Form des Wirts­vol­kes an.

      Und an an­de­rer Stel­le:

      »Dass in der Herr­schaft des Wei­bes und sei­ner re­li­gi­ösen Wei­he ein Ele­ment der Zucht und Ste­tig­keit von großer Stär­ke ent­hal­ten war, muss be­son­ders für jene Ur­zei­ten an­ge­nom­men wer­den, in de­nen die rohe Kraft noch wil­der tob­te, die Lei­den­schaft noch kein Ge­gen­ge­wicht hat­te in den Sit­ten und Ein­rich­tun­gen des Le­bens und der Mann sich vor nichts beug­te als vor der ihm selbst un­er­klär­li­chen zau­ber­haf­ten Ge­walt der Frau über ihn. Der wil­den un­ge­bän­dig­ten Kraft­äu­ße­rung der Män­ner tra­ten die Frau­en als Ver­tre­te­rin­nen der Zucht und Ord­nung, als ver­kör­per­tes Ge­setz, als Ora­kel an­ge­bo­re­ner ah­nungs­rei­cher Weis­heit wohl­tä­tig ent­ge­gen. Gern er­trägt der Krie­ger die­se Fes­sel, de­ren Not­wen­dig­keit er fühlt. – – In dem Be­wusst­sein der in sei­ne Hand ge­ge­be­nen Herr­schaft muss das Weib je­ner al­ten Zeit mit ei­ner, spä­te­ren Wel­tal­tern rät­sel­haf­ten Grö­ße und Er­ha­ben­heit er­schie­nen sein. Der spä­te­re Ver­fall sei­nes Cha­rak­ters hängt we­sent­lich mit der Be­schrän­kung sei­ner Wirk­sam­keit auf die Klein­lich­kei­ten des Da­seins, mit sei­ner Knecht­stel­lung, mit dem Aus­schluss von al­ler grö­ße­ren Tä­tig­keit und dem da­durch her­bei­ge­führ­ten Hang zu ver­steck­tem Ein­fluss durch List und Int­ri­guen zu­sam­men. Sol­che Wei­ber an der Spit­ze ei­nes Staa­tes und die­sen als wohl­ge­ord­net ge­prie­sen zu se­hen, das lässt sich al­ler­dings mit un­se­rer heu­ti­gen Er­fah­rung nicht ver­ei­ni­gen. – – Wie las­sen sich die heu­ti­gen mit der Ur­zeit, zu­mal der ger­ma­ni­schen, mes­sen? Das Be­wusst­sein der Herr­schaft und Macht­be­fä­hi­gung ver­edelt Leib und See­le, ver­drängt die nie­de­ren Wün­sche und Emp­fin­dun­gen, ver­bannt die ge­schlecht­li­chen Aus­schwei­fun­gen und si­chert den Ge­bur­ten Kraft und Hel­den­ge­sin­nung. Für die Er­zie­hung ei­nes Vol­kes zur Tu­gend in dem al­ten der­ben, nicht in dem schwind­süch­ti­gen Sin­ne heu­ti­ger Zeit, gibt es kei­nen mäch­ti­ge­ren Fak­tor als die Ho­heit und das Macht­be­wusst­sein der Frau. Es ist je­den­falls tie­fe Be­deu­tung in der Er­zäh­lung, wo­nach der Rö­mer Hel­den­volk von Sa­bi­ne­rin­nen ganz ama­zo­ni­scher Er­schei­nung ab­stammt. Sol­chen Frau­en kön­nen kei­ne Weich­lin­ge und kei­ne glei­ßen­den Wol­lüst­lin­ge ge­fal­len.« (Mut­ter­recht, Kre­ta S. 125) Mö­gen auch man­che Schlüs­se des großen For­schers und Pfad­fin­ders wis­sen­schaft­lich um­strit­ten sein, der sitt­li­chen­de Ein­fluss der Frau, wie ihn Ba­cho­fen in My­the und Früh­ge­schich­te der Mensch­heit er­kennt, wird sich nie­mals weg­leug­nen las­sen. Man hat so oft Goe­the sei­nen Zug zum Adel, zur Hof­ge­sell­schaft vor­ge­wor­fen, als ob der Frank­fur­ter Bür­ger­sohn sich da­mit ei­nes Man­gels an Man­nes- und Bür­ger­stolz schul­dig ge­macht hät­te. Und doch wis­sen wir es aus sei­nem ei­ge­nen Mun­de, dass eine all­sei­ti­ge Aus­bil­dung der Per­sön­lich­keit im bür­ger­li­chen Stan­de gar nicht zu er­lan­gen war. »Er hat Per­son«, sag­ten un­se­re Klas­si­ker von ei­nem, der mit dem An­stand des Welt­manns auf­trat, und das gab es nur in den hö­he­ren Krei­sen; der bür­ger­lich Ge­bo­re­ne hat­te bloß ein Amt aber kei­ne Per­son. Er war Schul­leh­rer, Amt­mann, No­tar, aber als Per­sön­lich­keit hat­te er sich aus­zu­lö­schen, woll­te er nicht we­gen frat­zen­haf­ter An­ma­ßung ver­lacht sein. Hö­he­re Um­gangs­for­men wa­ren sonst nur noch auf der Büh­ne zu ge­win­nen, wo Wil­helm Meis­ter sei­nen Kur­sus durch­macht, der ihn erst be­fä­hi­gen muss, un­ter den Vor­neh­men als Glei­cher zu ste­hen. Soll­te nun der­je­ni­ge Deut­sche, dem es be­stimmt war, sei­nem Volk auf ei­nem Kul­tur­weg vor­an­zu­ge­hen, wo es ihn bis heu­te nicht ein­ge­holt hat, auf die Ent­wick­lung sei­ner bei­spiel­haf­ten Per­sön­lich­keit von vorn­her­ein ver­zich­ten? Ge­wiss lag der Reiz, den Frau von Stein auf ihn aus­ge­übt hat, we­sent­lich in der Selbst­ver­ständ­lich­keit vollen­de­ter Welt­for­men und dem ge­nau­en Wis­sen, »was sich ziemt«, worin sie ihm Lehr­meis­te­rin war. Aus Kind­heits­ta­gen er­in­ne­re ich mich noch ge­wis­ser un­wahr­schein­lich gro­tes­ker Ge­stal­ten der äl­te­ren Ge­ne­ra­ti­on, die aus Un­schick und Blö­dig­keit über ihre ei­ge­nen Bei­ne stol­per­ten. Nicht ein­mal im Be­sit­ze sei­ner Glied­ma­ßen war viel­fach der deut­sche Mann, be­vor er durch die all­ge­mei­ne Dienst­pflicht ge­drillt, durch den Sport ge­schmei­digt, durch ge­sell­schaft­li­chen Um­gang, den

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