Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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In seinem Werk über das Mutterrecht sagt der große Bachofen über die gynäkokratische Weltperiode als die »Poesie der Geschichte«: »Sie wird dies durch die Erhabenheit, die heroische Größe, selbst durch die Schönheit, zu der sie das Weib erhebt, durch die Beförderung der Tapferkeit und ritterlichen Gesinnung unter den Männern, durch die Bedeutung, welche sie der weiblichen Liebe leiht, durch die Zucht und Keuschheit, welche sie von dem Jüngling fordert: ein Verein von Eigenschaften, die dem Altertum in demselben Lichte erschienen, in dem unsere Zeit die ritterliche Erhabenheit der germanischen Welt sich vorstellt. Wie wir so fragen jene Alten: Wo sind jene Frauen, deren untadlige Schönheit, deren Keuschheit und hohe Gesinnung selbst die Liebe der Unsterblichen weckten, hingekommen? – Wo aber auch jene Helden ohne Furcht und ohne Tadel, die ritterliche Größe mit tadellosem Leben, Tapferkeit mit freiwilliger Anerkennung der weiblichen Macht verbanden? Alle kriegerischen Völker gehorchen dem Weibe, sagt Aristoteles, und die Betrachtung späterer Weltalter lehrt das gleiche: Gefahren trotzen, jegliches Abenteuer suchen und der Schönheit dienen, ist ungebrochener Jugendfülle stets vereinte Tugend.« (Vorrede zum Mutterrecht S. 18).1
Und an anderer Stelle:
»Dass in der Herrschaft des Weibes und seiner religiösen Weihe ein Element der Zucht und Stetigkeit von großer Stärke enthalten war, muss besonders für jene Urzeiten angenommen werden, in denen die rohe Kraft noch wilder tobte, die Leidenschaft noch kein Gegengewicht hatte in den Sitten und Einrichtungen des Lebens und der Mann sich vor nichts beugte als vor der ihm selbst unerklärlichen zauberhaften Gewalt der Frau über ihn. Der wilden ungebändigten Kraftäußerung der Männer traten die Frauen als Vertreterinnen der Zucht und Ordnung, als verkörpertes Gesetz, als Orakel angeborener ahnungsreicher Weisheit wohltätig entgegen. Gern erträgt der Krieger diese Fessel, deren Notwendigkeit er fühlt. – – In dem Bewusstsein der in seine Hand gegebenen Herrschaft muss das Weib jener alten Zeit mit einer, späteren Weltaltern rätselhaften Größe und Erhabenheit erschienen sein. Der spätere Verfall seines Charakters hängt wesentlich mit der Beschränkung seiner Wirksamkeit auf die Kleinlichkeiten des Daseins, mit seiner Knechtstellung, mit dem Ausschluss von aller größeren Tätigkeit und dem dadurch herbeigeführten Hang zu verstecktem Einfluss durch List und Intriguen zusammen. Solche Weiber an der Spitze eines Staates und diesen als wohlgeordnet gepriesen zu sehen, das lässt sich allerdings mit unserer heutigen Erfahrung nicht vereinigen. – – Wie lassen sich die heutigen mit der Urzeit, zumal der germanischen, messen? Das Bewusstsein der Herrschaft und Machtbefähigung veredelt Leib und Seele, verdrängt die niederen Wünsche und Empfindungen, verbannt die geschlechtlichen Ausschweifungen und sichert den Geburten Kraft und Heldengesinnung. Für die Erziehung eines Volkes zur Tugend in dem alten derben, nicht in dem schwindsüchtigen Sinne heutiger Zeit, gibt es keinen mächtigeren Faktor als die Hoheit und das Machtbewusstsein der Frau. Es ist jedenfalls tiefe Bedeutung in der Erzählung, wonach der Römer Heldenvolk von Sabinerinnen ganz amazonischer Erscheinung abstammt. Solchen Frauen können keine Weichlinge und keine gleißenden Wollüstlinge gefallen.« (Mutterrecht, Kreta S. 125) Mögen auch manche Schlüsse des großen Forschers und Pfadfinders wissenschaftlich umstritten sein, der sittlichende Einfluss der Frau, wie ihn Bachofen in Mythe und Frühgeschichte der Menschheit erkennt, wird sich niemals wegleugnen lassen. Man hat so oft Goethe seinen Zug zum Adel, zur Hofgesellschaft vorgeworfen, als ob der Frankfurter Bürgersohn sich damit eines Mangels an Mannes- und Bürgerstolz schuldig gemacht hätte. Und doch wissen wir es aus seinem eigenen Munde, dass eine allseitige Ausbildung der Persönlichkeit im bürgerlichen Stande gar nicht zu erlangen war. »Er hat Person«, sagten unsere Klassiker von einem, der mit dem Anstand des Weltmanns auftrat, und das gab es nur in den höheren Kreisen; der bürgerlich Geborene hatte bloß ein Amt aber keine Person. Er war Schullehrer, Amtmann, Notar, aber als Persönlichkeit hatte er sich auszulöschen, wollte er nicht wegen fratzenhafter Anmaßung verlacht sein. Höhere Umgangsformen waren sonst nur noch auf der Bühne zu gewinnen, wo Wilhelm Meister seinen Kursus durchmacht, der ihn erst befähigen muss, unter den Vornehmen als Gleicher zu stehen. Sollte nun derjenige Deutsche, dem es bestimmt war, seinem Volk auf einem Kulturweg voranzugehen, wo es ihn bis heute nicht eingeholt hat, auf die Entwicklung seiner beispielhaften Persönlichkeit von vornherein verzichten? Gewiss lag der Reiz, den Frau von Stein auf ihn ausgeübt hat, wesentlich in der Selbstverständlichkeit vollendeter Weltformen und dem genauen Wissen, »was sich ziemt«, worin sie ihm Lehrmeisterin war. Aus Kindheitstagen erinnere ich mich noch gewisser unwahrscheinlich grotesker Gestalten der älteren Generation, die aus Unschick und Blödigkeit über ihre eigenen Beine stolperten. Nicht einmal im Besitze seiner Gliedmaßen war vielfach der deutsche Mann, bevor er durch die allgemeine Dienstpflicht gedrillt, durch den Sport geschmeidigt, durch gesellschaftlichen Umgang, den