Father Brown - Krimis. Гилберт Кит Честертон
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Hauptmann O’Brien folgte mit einem ausgesprochenen Gefühl des Unwohlseins den anderen zur Untersuchung. Als Soldat haßte er diese geheimnisvolle Metzelei. Wo sollten diese sonderbaren Amputationen schließlich enden? Erst war ein Kopf abgehauen und dann ein zweiter; in diesem Falle, sagte er sich bitter, traf es nicht zu, daß zwei Köpfe besser sind als einer. Als er das Studierzimmer durchquerte, strauchelte er beinahe angesichts eines auffallenden Zusammentreffens. Auf Valentins Tisch lag das farbige Bild noch eines dritten blutigen Kopfes, und es war der Valentins selbst. Ein zweiter Blick zeigte ihm, daß es sich nur um ein nationalistisches Blatt, genannt »Die Guillotine«, handelte, welches jede Woche einen seiner politischen Gegner mit rollenden Augen und verzerrten Zügen genau wie nach einer Enthauptung darstellte; und Valentin galt ihm als ein solcher eingefleischter Gegner von Bedeutung. O’Brien jedoch war Irländer mit etwas Keuschheit selbst in seinen Sünden. Und diese große, intellektuelle Brutalität, welche ausschließlich Frankreich eigen ist, widerte ihn an. Er fühlte Paris in seiner Gesamtheit, angefangen von den Grotesken an den gotischen Kirchen bis zu den rohen Karikaturen in den Zeitungen. Er erinnerte sich der riesenhaften Spässe der Revolution. Er sah die ganze Stadt als eine einzige häßliche Energie, angefangen von der blutigen Skizze auf Valentins Tisch bis hinauf, wo über einem Berge und Walde von Wasserspeiern der große Teufel auf Notre Dame herabgrinste.
Die Bibliothek war lang, niedrig und dunkel. Das Licht, welches eindrang, kam unter niedrigen Fensterläden hervor und hatte noch etwas von dem frischen Hauche des Morgens an sich. Valentin und sein Diener Iwan warteten auf sie am oberen Ende eines langen, leicht geneigten Pultes, auf dem die sterblichen, im Zwielicht ungeheuerlich aussehenden Reste lagen. Die große schwarze Gestalt und das gelbe Gesicht des im Garten gefundenen Mannes stellten sich ihnen wesentlich unverändert dar. Der zweite Kopf, der an jenem Morgen aus dem Schilfe gefischt worden war, lag triefend und tropfend daneben; Valentins Leute waren noch damit beschäftigt, die Reste dieser zweiten Leiche zu suchen, von denen man annahm, daß sie abgetrieben worden seien. Father Brown, der O’Briens Empfindsamkeit nicht im mindesten zu teilen schien, ging zum zweiten Kopfe hinüber und untersuchte ihn mit einer flüchtigen Sorgfalt. Er war wenig mehr als ein Bündel nassen weißen Haares, umsäumt vom Silberglanze des rötlichen, klaren, von der Seite einfallenden Morgenlichts; das Gesicht, das von einer häßlichen, purpurroten, beinahe kriminalen Art zu sein schien, war viel gegen Bäume und Steine gestoßen, als es vom Wasser weitergeschwemmt worden war.
»Guten Morgen, Hauptmann O’Brien,« sagte Valentin in gelassener Herzlichkeit. »Sie haben wohl schon von Braynes jüngstem Versuche im Fleischerhandwerk gehört?«
Father Brown stand noch über den Kopf mit dem weißen Haare gebeugt und sagte, ohne aufzublicken:
»Es ist wohl ganz sicher, daß Brayne auch diesen Kopf abgeschnitten hat.«
»Der gesunde Menschenverstand scheint das zu sagen,« erwiderte Valentin, die Hände in den Taschen. »Ermordet in derselben Weise wie der andere. Gefunden wenige Yards entfernt von dem anderen. Und abgetrennt mit derselben Waffe, die er, wie wir wissen, mitgenommen hatte.«
»Ja, ja, ich weiß,« bemerkte Brown unterwürfig, »Und doch, Sie verstehen, zweifle ich, ob Brayne diesen Kopf abgeschnitten haben kann.«
»Weshalb nicht?« fragte Dr. Simon mit begreiflichem Staunen.
»Well, Doktor,« erwiderte der Priester, indem er flüchtig aufblickte, »kann jemand sich seinen eigenen Kopf abhauen? Ich weiß es nicht.«
O’Brien fühlte eine ganze Welt von Tollheit um seine Ohren zusammenkrachen, aber der Doktor sprang mit ungestümer Geschäftigkeit vorwärts und schob das weiße Haar beiseite.
»O, es ist kein Zweifel, es ist Brayne,« sagte der Priester ruhig. »Er hatte genau diesen Schnitt im linken Ohr.«
Der Detektiv, der den Priester festen und funkelnden Auges betrachtet hatte, öffnete den zusammengepreßten Mund und stieß scharf hervor:
»Sie scheinen ja eine ganze Menge über ihn zu wissen, Father Brown?«
»Gewiß,« antwortete der kleine Mann einfach. »Ich hatte seit einigen Wochen mit ihm zu tun. Er trug sich mit dem Gedanken, sich unserer Kirche anzuschließen.«
Die Glut des Fanatikers sprang in Valentins Auge, und mit geballten Fäusten trat er auf den Priester zu.
»Und vielleicht,« schrie er mit sengendem Hohne, »vielleicht auch mit dem Gedanken, all sein Geld Ihrer Kirche zu vermachen!«
»Vielleicht auch damit,« gab Brown einfältig zur Antwort, »es ist möglich.«
»In diesem Falle,« schrie Valentin mit fürchterlichem Lächeln, »könnten Sie in der Tat eine Menge über ihn wissen. Über sein Leben und seinen – –«
Hauptmann O’Brien legte eine Hand auf Valentins Arm. »Lassen Sie dieses verleumderische Geschwätz, Valentin,« sagte er, »oder es könnte nochmals von einem Säbel die Rede sein.«
Doch Valentin hatte unter dem festen, demütigen Blicke des Priesters seine Selbstbeherrschung wiedergefunden.
»Nun,« warf er kurz hin, »anderer Leute Privatmeinungen können warten. Sie, meine Herren, sind noch durch Ihr Versprechen, zu bleiben, gebunden; Sie müssen ihm selbst Geltung verschaffen – einer gegenüber dem anderen. Hier, Iwan wird Ihnen Weiteres mitteilen, was für Sie von Wichtigkeit ist. Ich muß mich an die Arbeit machen und an die Behörde berichten, wir können dies nicht länger geheimhalten … Ich werde in meinem Studierzimmer beim Schreiben sein, falls noch irgend etwas Neues dazukommen sollte.«
»Gibt es noch etwas, Iwan?« fragte Dr. Simon, als der Chef der Polizei den Raum verlassen hatte.
»Nur eines noch, glaube ich, Sir,« sagte Iwan, und sein altes, graues Gesicht legte sich in Falten, »aber das ist wichtig in seiner Art. Es betrifft den alten Hanswurst dort, den Sie im Gras gefunden haben,« und er deutete ohne eine Spur von Ehrfurcht auf den großen schwarzen Körper mit dem gelben Kopfe. »Wir haben jedenfalls herausgefunden, wer es ist.«
»Wirklich?« rief der erstaunte Doktor.
»Er hieß Arnold Becker,« erklärte der Unterdetektiv, »obwohl er sich unter vielen anderen Namen verbarg. Er war so etwas wie ein Landstreicher, und man weiß, daß er in Amerika gewesen ist; dadurch kam er mit Brayne in Berührung. Wir selbst hatten nicht viel mit ihm zu tun, denn er arbeitete meist in Deutschland. Natürlich waren wir in Verbindung mit der deutschen Polizei. Aber ganz merkwürdigerweise gab es einen Zwillingsbruder von ihm namens Louis Becker, der uns viel zu schaffen machte, wir fanden es tatsächlich erst gestern noch für notwendig, ihn zu guillotinieren. Nun, es ist ein wunderliches Zusammentreffen, meine Herren, aber als ich diesen Burschen lang im Grase liegen sah, empfand ich den größten Schlag meines Lebens, hätte ich nicht mit meinen eigenen Augen Louis Becker guillotiniert gesehen, geschworen hätte ich, es sei Louis Becker, der dort im Grase lag. Dann natürlich fiel mir sein Zwillingsbruder in Deutschland ein, und als ich diesen Faden verfolgte –«
Der explizierende Iwan hielt inne, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil niemand ihm zuhörte. Der Hauptmann und der Doktor starrten beide auf Father Brown, der aufgesprungen war und sich die Schläfen drückte, wie dies jemand in plötzlichem und heftigem Schmerze tut.
»Halt, halt, halt!« schrie er, »eine Minute nur, denn ich sehe zur Hälfte. Wird Gott mir die Kraft geben? Wird mein Verstand sich ganz aufraffen und alles sehen? Himmel, hilf! Ich war doch sonst ziemlich gut im Denken. Ich konnte früher den Inhalt jeder Seite des Aquinaten wiedergeben. Wird mein Kopf springen – oder werde ich sehen?