Father Brown - Krimis. Гилберт Кит Честертон
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»Ja, was hatte denn der Spazierstock angestellt?« fragte der junge Mann.
»Er war untergegangen«, sagte Pater Brown. Fiennes sagte nichts, sondern sah weiter verblüfft den Priester an, der fortfuhr:
»Er war untergegangen, weil es kein wirklicher Stock war, sondern eine Stahlklinge mit äußerst dünnem Bambusüberzug und scharfer Spitze. Mit anderen Worten: ein Stockdegen. Es ist wohl noch niemals ein Mörder auf so sonderbare und doch natürliche Weise eine blutige Waffe losgeworden, wie dieser, der sie einem Schäferhund zum Apportieren ins Wasser warf.«
»Ich fange an, zu verstehen,« gab Fiennes zu, »aber selbst wenn ein Stockdegen benutzt wurde, habe ich doch keine Ahnung, wie.«
»Ich hatte eine Ahnung,« sagte Pater Brown, »gleich anfangs, als Sie von einer Laube sprachen. Und dann wieder, als Sie erwähnten, daß Druce einen weißen Rock trug. Solange alle auf der Suche nach einem kurzen Dolch waren, fiel es niemand ein – aber sowie wir an eine lange Klinge wie bei einem Fechtdegen denken, ist es nicht mehr so unmöglich.«
Er lehnte sich zurück, richtete den Blick zur Decke und fing an, seine ersten Gedanken und Voraussetzungen zu rekonstruieren.
»Das ganze Gerede über Detektivgeschichten wie das Gelbe Zimmer, wo ein Toter in versiegelten Stuben aufgefunden wird, in die niemand eindringen konnte, läßt sich auf den vorliegenden Fall gar nicht anwenden; denn es handelt sich um eine Laube. Wenn wir von einem Gelben Zimmer oder irgendeinem Zimmer sprechen, setzen wir Wände voraus, die wirklich homogen und undurchdringlich sind. Aber eine Laube sieht gar nicht so aus. Oft, und auch in diesem Falle, besteht sie aus dicht geflochtenen aber doch getrennten Zweigen und Holzstäben, die hier und da Löcher aufweisen. Ein solches Loch befand sich gerade hinter dem Rücken des Obersten, als er in seinem Sessel an der Rückwand der Laube saß. Und wie das Zimmer eine Laube, so war auch der Sessel ein Korbsessel – ein Geflecht mit lauter kleinen Löchern. Und endlich stand die Laube an der Hecke – eben haben Sie mir erzählt, daß es in Wirklichkeit eine dünne Hecke war. Jemand, der draußen stand, konnte durch das Netz von Ästen, Zweigen und Rohr einen weißen Fleck vom Rock des Obersten so deutlich sehen wie eine Schießscheibe.
»Ihre geographischen Angaben waren nicht sehr genau, aber ich war doch im Bilde. Wie Sie sagten, war der Schicksalsfelsen nicht sehr hoch; aber Sie sagten auch, daß er den Garten wie ein Berggipfel beherrschte. Mit andern Worten: er war gar nicht so weit vom Ende des Gartens entfernt, obwohl Ihr Spaziergang Sie auf einem großen Umweg hingeführt hatte. Wahrscheinlich hat auch die junge Dame nicht so gebrüllt, daß man es eine halbe Meile weit hören konnte. Sie hat einen gewöhnlichen, unwillkürlichen Schrei ausgestoßen, und doch haben Sie ihn am Strand gehört. Und was die andern interessanten Dinge betrifft, die Sie mir erzählten, so darf ich Sie vielleicht an Ihre Bemerkung erinnern, daß Harry Druce zurückgeblieben war, um sich im Schutze der Hecke die Pfeife anzuzünden.«
*
Fiennes schauderte. »Sie meinen, daß er dort den Degen gezogen und nach dem weißen Fleck durch die Hecke gestochen hat? Aber das war doch sicher eine sonderbare Gelegenheit und ein sehr plötzlicher Entschluß. Außerdem konnte er doch nicht sicher wissen, daß der Alte ihm sein Geld vermacht hatte, und faktisch war es ja auch gar nicht der Fall.«
Pater Browns Gesicht belebte sich.
»Sie verstehen seinen Charakter falsch«, sagte er, ganz als ob er den Menschen sein Lebtag gekannt hätte. »Ein merkwürdiger, aber nicht unbekannter Typ. Wenn er sicher gewußt hätte, daß er das Geld erben würde, hätte er es nicht getan – davon bin ich überzeugt. Es wäre ihm dann als die Schurkerei erschienen, die es ist.«
»Ist das nicht etwas paradox?« fragte der andere.
»Der Mensch war eine Spielernatur,« sagte der Priester, »er war mit Schimpf und Schande davongejagt worden, weil er zuviel gewagt hatte und den Weisungen zuvorgekommen war. Wahrscheinlich handelte es sich um eine recht skrupellose Angelegenheit, denn jede imperialistische Polizei hat mehr Ähnlichkeit mit der russischen Geheimpolizei, als wir gern glauben möchten. Er war aber zu weit gegangen und hatte verspielt. Diese Art Mensch fühlt immer die Versuchung, eine verrückte Handlung zu begehen, weil die Gefahr nachher so großartig aussieht. Er sehnt sich danach, sagen zu können: Außer mir hätte kein Mensch die Gelegenheit ergriffen und gewußt: jetzt oder nie. Was war das doch für ein wildes und wunderbares Rätselraten – wie klug habe ich mir auf die verschiedenen Umstände meinen Reim gemacht! Donald in Ungnade der Alte schickt nach dem Anwalt – gleichzeitig läßt man mich und Herbert holen. Und dann nichts weiter, als daß mich der Alte anfeixt und mir fest die Hand drückt. Jeder würde sagen, daß ich verrückt war, es zu riskieren – aber so werden Vermögen gewonnen, immer von dem einen, der verrückt genug ist, ein klein wenig Weitblick zu haben. Kurz und gut: es handelt sich um die Eitelkeit des Rätselraters, um den Größenwahn des Spielers. Je unwahrscheinlicher das Zusammentreffen, je drängender die Entscheidung, desto mehr beeilt er sich, zuzugreifen. Der Zufall, ja die Alltäglichkeit des weißen Flecks und des Lochs in der Hecke berauschten ihn, als hätte man ihm alle Schätze der Welt gezeigt. Wer konnte so klug sein, die Verbindung von Zufällen zu bemerken, und so feige, sie nicht zu nutzen! Auf diese Weise lockt der Teufel den Spieler. Aber selbst der Teufel hätte den Unglücklichen nicht dazu vermocht, nach einer langweiligen Überlegung hinzufahren und einen alten Erbonkel umzubringen. Das wäre ihm zu bürgerlich gewesen.« Fiennes war in Gedanken verloren. Er schien sich an den weniger handgreiflichen Teil des Falles zu erinnern.
»Es bleibt doch sonderbar,« sagte er, »daß der Hund nun doch etwas mit der Geschichte zu tun hatte.«
»Der Hund hätte Ihnen beinahe die ganze Geschichte erzählen können, wenn er nur sprechen könnte«, sagte der Priester. »Ich beklage mich nur darüber, daß Sie weil er nicht sprechen kann – eine Geschichte für ihn erfanden und ihn mit Menschen-und Engelszungen reden ließen. Ich habe das schon oft in unserer Zeit beobachtet. Man findet es in allen möglichen Zeitungsgerüchten und Schlagworten der Unterhaltung – man erkennt es an, obwohl es Willkür ist. Die Leute lassen sich das und jenes vormachen, ohne es zu prüfen. Es schwemmt den alten Rationalismus und Skeptizismus fort, es flutet herein wie die See – und sein Name ist Aberglaube.« Er stand plötzlich auf und runzelte die Stirne; dann fuhr er fort zu sprechen, als wäre er allein. »Als erste Folge davon, daß ihr nicht an Gott glaubt, verliert ihr euren gesunden Menschenverstand und seht die Dinge nicht mehr wie sie sind. Man mag reden, wovon man will – wenn man nur sagt, daß da sehr viel dahintersteckt, streckt es sich immer weiter, wie eine Fernsicht in einem Fiebertraum. Dann ist der Hund ein Omen und die Katze ein Rätsel und der Käfer ein Skarabäus, und man ruft die ganze Menagerie des Polytheismus aus Ägypten und dem alten Indien zu Hilfe – Anubis mit dem Hundekopf und Pasht mit den grünen Augen und die heiligen brüllenden Stiere von Bashan, taumelt zu den Tiergöttern der ersten Anfänge und rettet sich zu Elefanten und Schlangen und Krokodilen – und das alles, weil ihr euch vor drei Worten fürchtet: Homo factus est.«
Der junge Mann stand etwas verlegen auf, als hätte er ein Selbstgespräch belauscht. Er rief seinen Hund und verließ das Zimmer mit undeutlichen aber herzlichen Abschiedsworten. Er mußte jedoch zweimal rufen; denn der Hund stand einen Augenblick unbeweglich da und sah unverwandt zu Pater Brown empor, wie der Wolf zu Sankt Franziskus.
Der geheime Garten
Aristide Valentin, Chef der Pariser Polizei, hatte sich zu seinem Diner etwas verspätet und einige seiner Gäste begannen vor ihm einzutreffen. Sie wurden jedoch von seinem getreuen Diener Iwan beruhigt, dem Alten mit der Narbe und