Reisen im Kongogebiet. Richard Buttner
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Am 1. August 1884 verließ ich die »deutsche Expedition zur Erforschung des südlichen Kongobeckens« an Bord des »Professor Woermann« Hamburg. Die Expedition setzte sich zusammen aus den Herren Premierleutnant Schulze als Leiter, Premierleutnant Kund, Sekundärleutnant Tappenbeck, Dr. med. M. Wolff als Arzt und meiner Wenigkeit als naturwissenschaftlichem Mitgliede. Wir hatten die Ehre gehabt, von der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland zu Berlin, deren Vorsitz zur damaligen Zeit Admiral von Schleinitz führte, gewählt zu werden, um mitzuarbeiten am Werk der Erforschung des tropischen Afrika, welches Werk diese Gesellschaft durch ihre Reisenden und Expeditionen in so ausgezeichnetem Maße gefördert und seinem Endziele näher gebracht hat.
Der Tag der Abreise machte der unruhig bewegten Zeit der Vorbereitungen – die leider in meinem Fall nur zwei oder drei Monate betrug – ein Ende und führte die Mitglieder der Expedition, die bis dahin einander kaum bekannt waren, auf einige Wochen zusammen.
Außer uns befanden sich noch an Bord ein Missionar der Baseler Gesellschaft, der mit der Gattin auf seinen Posten nach Quitta zurückkehrte und unter deren Schutz eine junge Dame reiste, die – mit einem Missionsangestellten verlobt – dessen Leben im fernen Land zu teilen willens war. Die übrigen Herren waren Kaufleute, zum weitaus größeren Teil dem Hause Woermann angehörig, die als Neulinge dem anderen Erdteile zustrebten, oder solche, die bereits einige Jahre dort zugebracht hatten und nun nach einer Zeit der Erholung in Europa zu ihren Stellungen zurückkehrten. Zu diesen letzteren gehörte auch Herr Schmidt, Hauptagent des Woermannschen Monrovialgeschäfts und deutscher Konsul für die Negerrepublik Liberia, der die Zeit des Urlaubes sowohl zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in der deutschen Heimat als auch zur Instandsetzung und Ausrüstung seines Hauses in Monrovia angewendet hatte, denn er beabsichtigte sofort nach der Ankunft auf seinem Posten die jugendliche Braut, eine Tochter Liberias, heimzuführen. Unter solchen Umständen war es nur natürlich, daß sich unter der Ladung unseres Dampfers auch Salonspiegel und ein Pianino befanden, dessen weiße Tasten in den Dienst der zierlichen Finger der jungen schwarzen Herrin gestellt werden sollten.
Mit gutem Wetter fuhren wir am 3. August um die Mittagszeit in den Kanal ein und konnten dort für eine gute Weile zugleich auf die beiden Küsten blicken, wobei wir aber der englischen sehr viel näher blieben und eine interessante Ausschau auf ihre weißen Kalkmauern und die zahlreichen Ortschaften hatten. Die See ging hier höher als in dem deutschen Meer, welche Veränderung sofort die unvollständige Besetzung der Tafel im Salon zur Folge hatte; das Wetter blieb indessen klar und ruhig, und am folgenden Tage verließen wir bei der Insel l’Ouessant den Kanal, um in das hohe Meer zu steuern.
Nebel hinderten uns am 6. August Kap Finisterre in Sicht zu bekommen, veranlaßten dagegen halbe Fahrgeschwindigkeit und machten das häufige Ertönen der Signalpfeife notwendig. Am 9. standen alle Passagiere schon zu früher Morgenstunde – zum Landen bis auf Stiefel, Hut und Sonnenschirm bereit – auf Deck, sehnsüchtig durch die Gläser nach der Insel Madeira schauend, wo der »Professor Woermann« in Funchal Kohlen einzunehmen hatte und uns somit die günstige Gelegenheit geboten schien, eines der schönsten Stücke der Erde kennen zu lernen. Als wir uns indessen der Reede näherten und die weißen Häuser der Stadt aus den Gärten hervortauchten, als uns schon die ersten Palmen zuzuwinken schienen und mit roten Blüten überladene Mandelbäume vom grünen Hintergrunde sich abhoben – kündigte ein uns entgegengekommenes Regierungsboot »quarantaine grande«1 an.
Als der »Professor Woermann« die gelbe Flagge hißte und weit über einen Kilometer vom Lande entfernt vor Anker ging, war eine trübe Stimmung über die Passagiere gekommen, die durch den acht- oder zehnstündigen Anblick der unerreichbaren schönen Insel durchaus nicht gehoben wurde, auch weder den uns unter Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln an Bord gereichten Früchten (Bananen, Pfirsichen, Erdbeeren, Pflaumen, Birnen, Trauben u.a.m.) noch den flüssigen Inhalt einiger blaugekapselter Flaschen vom Hause Blandy Brothers weichen wollte. Ohne Bedauern hörten wir am Abend die Anker heben und bald entschwand uns die Insel in der hereinbrechenden Dunkelheit.
Am folgenden Tage nahm das Schiff den Kurs zwischen Palma und Teneriffa. Der Pik letzterer Insel war am Morgen für einige Stunden sichtbar gewesen, am Abend leuchteten die Lichter der Stadt Santa Cruz zu uns herüber.
Erst am 14. kam wieder Land in Sicht, das Kap Verde mit seinen Palmbäumen und dem auf einem der Points stehenden Leuchtturm. Dahinter erschien sehr bald die Insel Gorée, auf deren Reede unsere Anker um die Mittagszeit in die Tiefe rasselten. Nach Erfüllung der Formalitäten wurde die liberté de descendre2 erteilt, von welcher Erlaubnis seitens der Passagiere sofort Gebrauch gemacht wurde, hatte sich unser aller doch eine förmliche Sehnsucht nach Land bemächtigt. Am Ufer angekommen, machten wir einen Gang durch die Stadt, die etwa 6 000 Einwohner, darunter etwa hundert Weiße, haben soll, besuchten einige Geschäfte, um uns unter anderem mit der Spezialität von Gorée, Korkhelmen, zu versehen, die Post, die Befestigungen und den Markt. Die Stadt zeigt orientalischen Charakter; in engen Straßen blickt man auf die weißen fensterlosen Fronten, während die von Veranden umgebenen Höfe einen Blick auf das häusliche Leben der Bewohner darbieten. Der Marktplatz des Ortes ist von Kokos- und Dattelpalmen, Akazien und Tamarinden beschattet: auf ihm spielte sich gerade ein Gottesdienst der Mohamedaner ab, die hier keine eigene Moschee haben.
Da die Ladung für den Platz – 1 000 Sack Reis – an diesem Tage nicht vollständig gelöscht werden konnte, so machten wir am nächsten Morgen der Insel noch einen Besuch, um erst gegen Mittag an Bord zurückzukehren, worauf sehr bald der »Professor Woermann« seine Fahrt wieder aufnahm.
Trübes Wetter gestattete während einiger Tage keine Ortsbestimmungen, und so befanden wir uns am 19. August nachmittags um etwa 100 engl. Meilen über unser nächstes Ziel, Monrovia, hinausgelaufen. Umkehrend erreichten wir abends Gran Bassa, um dort einige Boote abzusetzen. Um Mitternacht wurde der Kurs nordwärts fortgesetzt und am 20. August morgens gingen wir vor Monrovia vor Anker. Der Kapitän gestattete nur einen kurzen Aufenthalt an Land, kaum hinreichend zu einem flüchtigen Besuch in der deutschen Faktorei und einen eiligen Gang durch das Krunegerdorf und die Straßen der Stadt.
Konsul Schmidt verließ uns hier, mit ihm gingen seine prächtigen Doggen Poggie und Box, die während der dreiwöchentlichen Fahrt gute Freundschaft mit den Schiffsbewohnern gehalten hatten, wenn sie auch öfters durch unangebrachtes Apportieren das Shibble- oder Shuffelboardspiel3 gestört hatten.
Nachdem noch fünfundzwanzig Kruboys4 für den Schiffsdienst und die südlicheren Plätze an Bord genommen waren, verließen wir Monrovia, um am folgenden Tage in Ni-su die Zahl dieser besten der westafrikanischen Arbeiter zu vervollständigen.
Das unfreundliche Wetter hielt an: Regenschauer gingen mehrfach auf uns nieder und die Wärme war sehr mäßig. Das Meer zeigte sich oft fast unbewegt; durch den Kiel unseres Dampfers in Aufruhr versetzt, erglänzte es zur Nachtzeit in Millionen von Funken. Fliegende Fische sah man häufig auf unglaubliche Strecken sich aus dem Wasser erheben, Delphine, Tümmler und Haie folgten dem Schiff und ließen oft ihre Flossen über der Oberfläche des Wassers erblicken.
Am 23. langten wir vor Accra an, einem der bedeutendsten Plätze der englischen Goldküste – man sprach uns von 15 000 Einwohnern. Auf kleinen von Eingeborenen gezogenen Wagen kommt man in kurzer Zeit zu der Baseler Missionsanstalt Christiansborg, deren Handwerkstätten sich an der ganzen Westküste einer wohlverdienten Rühmlichkeit erfreuen, und deren Zöglinge, als Maurer, Tischler, Zimmerleute und Köche, auch als Schreiber, wir überall an der Küste und selbst noch auf den fernsten Stationen des Kongostaates antrafen. Eine ganze Anzahl solcher Handwerker nahm auf unserem Dampfer Passagierscheine, die meisten für Gabun, die anderen für südlichere Plätze.
Als wir den Strand von Accra betraten, wurden wir zu unserem Erstaunen von einem gentlemanmäßig gekleideten Schwarzen in deutscher Sprache angeredet, der in den Dienst unserer Expedition zu treten wünschte. Premierleutnant Schulze, nachdem er über die Persönlichkeit in