Reisen im Kongogebiet. Richard Buttner
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Von der Voraussetzung ausgehend, daß ein so erfahrener Mann der Expedition von Nutzen sein müsse, in Anbetracht der nicht ungünstigen Berichte der weißen Kaufleute über ihren schwarzen Konkurrenten und im Vertrauen endlich auf das intelligente und gutmütige Gesicht, das sich mit wohlgepflegtem Schnurr- und Knebelbart nicht unbedeutend ausnahm, hatte ich dem Entschluß des Premierleutnants Schulze gern zugestimmt, und der weitere Reisebericht wird zeigen, daß jene Wahl eine in der Tat gut getroffene gewesen ist. Da Kornelius für eine voraussichtlich längere Abwesenheit die Verhältnisse seines Besitztums zu ordnen hatte, so wurde vereinbart, daß er mit dem nächsten Accra berührenden, nach Süden gehenden Dampfer dem Premierleutnant Schulze nach Ambrizette, von wo man die Expedition anzutreten beschlossen hatte, folgen sollte.
Über Adda, wo das Landen an der felsigen Küste fast zu einem Wagestück wird, und wo ich zum ersten Male in einem Kokospalmenbestand, freilich in knöcheltiefem Sande, wandelte, kamen wir nach Quitta, um hier einen Teil unserer weißen Mitpassagiere abzusetzen. Außer den Missionsleuten ging hier auch ein Angestellter und Verwandter des Bremer Hauses Vietor und Söhne an Land, welche Firma an diesem Küstenstrich eine Anzahl Faktoreien besitzt, durch die man bestrebt ist, die Ziele der Mission zu unterstützen, indem man unter anderem den Branntweinhandel untersagt und den jungen Angestellten einen möglichst christlichen Lebenswandel zur Verpflichtung gemacht hat.
Am 25. August sahen wir über dem gelben Küstenstreifen, auf dem sich in trostloser Verlassenheit eine oder zwei deutsche Faktoreien erheben, die den Namen Lomé oder Baybeach führen, die deutsche Kriegs- und Konsulatsflagge wehen. Schon in Monrovia hatten wir von dem Vorgehen Dr. Nachtigals und Dr. Buchners gehört, und mit einem gewissen Bewußtsein traten wir jetzt auf den Sand des neuen deutschen Protektoratsgebietes.
In Bagidda – alle diese Plätze liegen nur einige Stunden Dampferfahrt voneinander entfernt – fanden wir in einem jungen Angestellten der Wölber und Brohmschen Faktorei den provisorischen Konsul für Lomé, Bagidda und Porto Seguro, der uns eingehend über die Ursachen und Vorgänge der Besitzergreifung Bericht erstatten konnte.
Am Morgen des 27. August lagen wir vor Little Popo, dessen König oder Chief und drei der angesehensten Männer vor kurzem die »Sophie« gefangen genommen und nach Deutschland geführt hatte. Zur Zeit unserer Anwesenheit herrschte dort eine große politische Verwirrung, indem sowohl die Deutschen als auch die Engländer und Franzosen je einen König aufgestellt hatten. Wir ignorierten natürlich die anderen Prätendenten und machten dem nationalen Cudjovi einen Besuch, bei welchem derselbe in weißem, großem Schultertuch und in schwarzem Zylinderhut erschien und uns eine Flasche Rum vorsetzte. Für noch feierlichere Staatsaktionen bedient sich der Alte eines blauen Klapphutes.
In Little Popo stellten uns die deutschen Herren in ihrer ausgezeichneten Liebenswürdigkeit – die man uns überall an der Küste in den Faktoreien der Firmen Woermann, Gödel und Götschow, Gödel, Wölber und Brohm, Vietor und Söhne und in der Baseler und Bremer Mission entgegenbrachte – für die Lagunenfahrt nach Whyda ihr hübsches Boot mit Bedienung und splendider Verproviantierung zur Verfügung. In kurzer Entfernung von der Küste zieht sich nämlich parallel mit derselben ein ausgedehntes System von Lagunenkanälen hin, die eine bequeme Verbindung der Küstenplätze darbieten, während die Dampfer natürlich ihren Weg auf dem Meere zu nehmen haben.
Der 28. August ließ uns in achtstündiger Fahrt auf der Lagune nach Grand Popo gelangen. Unser Boot war durch ein Segeldach vor den Strahlen der Sonne geschützt und wurde von drei Schwarzen durch Palmblattrippen verhältnismäßig schnell vorwärts gestoßen. Die Kanäle sind von verschiedener Breite, die bisweilen bis auf einige hundert Meter steigen mag, und von sehr einförmiger Mangroven- und Buschvegetation eingefaßt. Hier wurde uns auch zum ersten Mal der Anblick gewaltiger Krokodile zu teil, die an sonnigen Uferstellen der Ruhe pflegten, bei Annäherung unseres Bootes jedoch stets in das Wasser stürzten.
Grand Popo ist ein Ort von etwa 8 000 Einwohnern mit bedeutendem Handel und zahlreichen Faktoreien. Nach gastfreundlichster Bewirtung und moskitoumschwärmter Nacht unternahmen wir am nächsten Morgen auf dem von Gräben durchzogenen, sehr sumpfigen Gebiete in Nähe des Ortes eine zweistündige Jagdpartie, der eine Anzahl größerer Vögel, zumeist Reiherarten, zum Opfer fielen.
Nach dem Frühstück wurde die Bootfahrt auf der Lagune wieder aufgenommen, die in sechs Stunden an einer Uferstelle endete, von wo wir uns – um nach Whyda zu kommen – noch einem einstündigen, in der Dunkelheit etwas abenteuerlichen Landtransport über sehr sumpfiges Gebiet in Hängematten und auf den Schultern der aus der Gödelschen Faktorei entgegengesandten Accra- und Kruleute zu unterziehen hatten.
Das Gödelsche Haus in Whyda unterscheidet sich von den schuppenartigen und recht primitiven Faktoreien von Lomé, Little und Grand Popo durch elegante, ja selbst luxuriöse Ausstattung. Das stattliche steinerne Gebäude liegt an erhöhter Stelle der Stadt, an einem mit rotblühendem Clerodendrongesträuch bestandenen Platz. Von der Veranda erblickt man durch ein Fernrohr über die Stadt hinweg gerade noch die Spitzen der Masten der auf der Reede liegenden Schiffe, und hatten wir am 29. August das Vergnügen diejenigen des »Professor Woermann« zu entdecken.
Whyda bietet des Interessanten sehr viel. Die aus rotem Lehm gefertigten und mit Palmblättern gedeckten Häuser der Stadt, die an 40 000 Einwohner zählen soll, sind in regelrechten und teilweise mit Orangenbäumen bepflanzten Straßen angeordnet. Alle Häuser, Straßen und Stadtviertel haben Spezialfetische, die in den absonderlichsten Formen erscheinen, oft freilich nur aus ein paar Topfscherben bestehen, in denen Speisereste sich befinden. Stadtfetisch sind die Schlangen, denen man ein Heim in dem weitbekannten Schlangentempel gegeben hat. Derselbe ist ein nicht bedeutendes, ummauertes, mit einigen Bäumen bestandenes Gebiet inmitten der Stadt und enthält in einigen offenen Pavillons eine ganze Anzahl verschiedenartiger Schlangen, die sich freilich oft genug in den Häusern der Bewohner einfinden, wo die Tiere, nachdem die Tempeldiener benachrichtigt worden sind, mit Geschick wieder eingefangen und in Säcken feierlichst in ihr Quartier zurücktransportiert werden. Gewisse Verehrung genießt auch der große Fetischbaum – ein Baumwollbaum – dessen gewaltiger Stamm von Rindenstreben gestützt ist, die in einem Kreise von etwa fünfzig Meter Umfang liegen. Auffallend sind ferner die zahlreichen großen, nackthalsigen Geier, die – gleich Krähen auf den Dachfirsten sitzend – für gewissenhafte Reinigung der Straßen sorgen. Einige große Bäume inmitten der Stadt sind während der Tagszeit völlig behängt mit Scharen dicht aneinander gedrängter fliegender Hunde, die des Nachts ihre Streifzüge in die Umgegend unternehmen. Zur Zeit unserer Anwesenheit war die Stadt verhältnismäßig ruhig, denn alle angesehenen Leute, sowie die Amazonen des Königs, waren in der einige Tagereisen entfernten Residenzstadt Abómé, in der gerade die alljährlichen customs abgehalten wurden, jene Feste, bei denen die Gefangenen, die man früher als Sklaven exportiert hätte, zu Hebung der Feierlichkeit, und um sich derselben zu entledigen, in großer Zahl geschlachtet werden.
Das Königreich ist in jeder Beziehung gut organisiert und das Beamtenwesen sehr ausgebildet, so daß überall im Lande Ruhe und Ordnung herrschen, die dem krassen Despotismus des Königs, dem auch die weißen Kaufleute sich fügen müssen, als ein Verdienst anzurechnen sind.
Am Morgen des 30. August erhielten wir in der Faktorei den Besuch eines der Würdenträger des Staates, der von Abómé gekommen war, um Dr. Nachtigal die Geneigtheit des Königs, den Deutschen gewisse Rechte im Land einzuräumen, anzukündigen und ihn zum Behuf der Verhandlungen nach der Residenz einzuladen. Da die Gesandtschaft Dr. Nachtigal nicht mehr an der Küste angetroffen hatte, so wurden wir als Vertreter der deutschen Nation für würdig befunden,